Glosse:Das Streiflicht

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Angewandte Mathematik: Wie das Wagenknecht’sche Gesetz jede Form eines gemeinsamen Nenners ausschließt.

Für das Dividieren wie für die weiteren Rechenarten gibt es heute ganz einfache Handy-Funktionen. Sie sind schon deshalb sehr praktisch, weil man sich nicht an den Matheunterricht erinnern muss. In qualvoll langsam verrinnenden Stunden erzählte der Lehrer damals etwas von Dividend und Quotient und wie der Divisor in die erste Zahl passt oder jedenfalls so ähnlich. Der gesunde Selbstschutzmechanismus des jugendlichen Hirns schaltete bei Regeln wie „Die Zahl, durch die der Dividend geteilt wird, nennt man Divisor“ umgehend ab. In Ausnahmefällen freilich hätten sich marginale Kenntnisse der Grundrechenarten im späteren Leben durchaus als hilfreich erwiesen. So soll einst ein Teilnehmer eines Fußball-Wettbetrugs darauf bestanden haben, statt des vorgeschlagenen Drittels der erschwindelten Gewinnsumme müsse für ihn schon ein Viertel abfallen, darunter mache er es nicht. Überträgt man diese Art der Rechenkunst auf die Politik, ergibt sich das Wagenknecht’sche Gesetz.

Im Gegensatz zur etablierten Mathematik führt es bei der Anwendung jedweder Grundrechenart stets in die Division, also das Teilen mit dem Zweck der Verkleinerung und der Aufspaltung in Einzelteile, etwa: SPD geteilt durch Linkspartei geteilt durch das Bündnis Sahra Wagenknecht, das BSW. Wo herkömmliche Parteien die Addition mit dem Ziel einer Mehrheit auf der Basis größtmöglicher Schnittmengen anstreben, verlangt das Wagenknecht’sche Gesetz den Verzicht auf jede Form des gemeinsamen Nenners mit potenziellen Partnern. Das Zusammenzählen zahlreicher Wählerstimmen ergibt im Ergebnis also keinen entsprechenden Anteil an politischer Gestaltungsmacht, sondern im Gegenteil das Ausbleiben von Regierungsfähigkeit. Ein politisches Leben lang ist Sahra Wagenknecht diesem Theorem konsequent gefolgt.

Bitte, das klingt jetzt sehr abstrakt, lässt sich aber am Beispiel des Landes Thüringen anschaulich demonstrieren. Das Wagenknecht’sche Gesetz verbietet die herkömmliche Addition, mit deren Hilfe das BSW eine Regierung gemeinsam mit CDU und SPD bilden könnte, auch wenn der Thüringer Landesverband das gern tun würde. In der Mathematik spricht man in solchen Fällen vom logischen Widerspruch. Doch kommt nun eine weitere Formel des Wagenknecht’schen Gesetzes zum Tragen, der zufolge die Partei immer dann recht hat, wenn sie den Meinungen und Vorgaben ihrer Chefin vorbehaltlos zustimmt, selbst wenn diese die Gleichung „Krieg = Frieden“ vorgibt und sich jedes Gegenrechnen kategorisch verbittet. Aber man darf nicht ungerecht sein. Mathematische Paradoxien sind auch aus anderen Parteien durchaus bekannt: In einer Koalition namens Ampel verkehren sich sämtliche Bemühungen, wie auch immer man deren Ergebnis berechnet, am Ende in ihr genaues Gegenteil.

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