Süddeutsche Zeitung

Buchhandel:Lesen bindet

Für E-Books sollen künftig die gleichen Regeln gelten wie für Bücher in gedruckter Form. Auch sie dürfen in Deutschland bald nur noch zu Festpreisen verkauft werden. Aber es wird Ausnahmen geben.

Von Lothar Müller

Zu den ältesten Metaphern für das Lesen gehört neben dem Essen das Reisen. Wir verschlingen Bücher, und wir unternehmen mit ihnen Reisen im Kopf. Dabei geht es oft sehr poetisch zu, aber die prosaische Voraussetzung dafür ist, dass auch die Bücher selbst reisen, indem sie in den Warenverkehr eingespeist werden. Am schwerelosesten reisen die E-Books. Zu ihren Vorzügen gehört ihre Tauglichkeit als Urlaubslektüre. Ihr Anteil am gesamten Buchmarkt steigt nicht mehr so stark an wie noch vor ein paar Jahren, aber sie gehören verlässlich dazu. Im vergangenen Jahr waren sie im allgemeinen Publikumsmarkt, also jenseits der Schul- und Fachbücher, mit 4,3 Prozent vertreten.

E-Books unterliegen faktisch der Buchpreisbindung, die in Deutschland dafür sorgt, dass der von den Verlagen festgesetzte Verkaufpreis überall gilt und nirgends unterschritten werden darf. Die Rechtsprechung hat diesen Status quo bisher gesichert, und auch der Online-Händler Amazon hat die von den Verlagen festgesetzten E-Book-Preise respektiert. Aber es fehlte dafür eine feste und eindeutige gesetzliche Grundlage. Die wird es nun bald geben, denn das Bundeskabinett hat in seiner Sitzung am Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Änderung des Buchpreisbindungsgesetzes aus dem Jahr 2002 verabschiedet. Darin war der Begriff "Elektronisches Buch" nicht vorgekommen, und vor allem hatte das Gesetz eine Lücke beim grenzüberschreitenden Handel mit E-Books gelassen.

Denn die Schwerelosigkeit der E-Books macht sie nicht nur zur idealen Urlaubslektüre, sondern auch zu idealen Waren im grenzüberschreitenden Handel. Die Neufassung des Gesetzes, die zum 1. September 2016 in Kraft treten soll, legt nun ausdrücklich fest, dass "gewerbs- oder geschäftsmäßige Buchverkäufe an Letztabnehmer in Deutschland" unter die Preisbindung fallen. Und ebenso ausdrücklich gilt das nun für alle elektronischen Bücher, auch dann, wenn sie nicht zugleich in gedruckter Form vorliegen.

Wer auch immer künftig von wo auch immer Bücher oder E-Books auf den deutschen Markt bringt, muss dies mit Festpreisen tun. Eine Ausnahme bleiben die Importe fremdsprachiger Bücher. Zumal englischsprachige Bücher sind in Deutschland sehr beliebt. Für die Originalausgabe von Jonathan Franzens neuem Roman "Purity" gilt die Preisbindung auch künftig nicht.

Die Neufassung des Gesetzes war im Koalitionsvertrag verabredet, wie vereinbart wurde sie nun beschlossen, und man ahnt, dass das ohne große Diskussion geschah, anders als derzeit beim grenzüberschreitenden Personenverkehr. Was aber als E-Book gilt, definiert das Gesetz mit Blick auf den Newcomer im Geschäft mit Kulturprodukten, die Streaming-Technologie. Ein E-Book im Sinne des Gesetzes wird für den "dauerhaften Zugriff" angeboten.

Das ist für alle interessant, die ein E-Book lesen wollen, ohne es zu erwerben. Temporäre Zugriffe, etwa über einen monatlichen Mietpreis oder eine Flatrate, unterliegen nicht der Preisbindung. Es gibt dafür seit Jahren zahlreiche Anbieter für Kunden, die lesen wollen, wie sie Auto fahren: indem sie Bücher ausleihen und nicht gleich kaufen.

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Quelle:
SZ vom 04.02.2016
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