Süddeutsche Zeitung

Buchenwald:KZ-Gedenkstätte: Gespräch mit AfD-Mann Brandner "fruchtlos"

  • Die Stiftung der Gedenkstätte des KZ-Buchenwald hat den AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner zu einem Gespräch empfangen. Diese sei jedoch "fruchtlos" verlaufen.
  • Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung, hatte vorher angekündigt, die Gelegenheit nutzen zu wollen, "Herrn Brandner zu den geschichtsrevisionistischen Positionen in seiner Partei und seiner eigenen Haltung" zu befragen.
  • Immer wieder wird diskutiert, ob der Besuch von Orten, an denen die Nazis Millionen Menschen ermordeten, nachhaltige Wirkung auf innere Überzeugungen und Einstellungen hat.

Von Ulrike Heidenreich und Ulrike Nimz

Tür offnen oder Tür geschlossen lassen? Diskutieren und zurechtrücken - oder abwenden? In Zeiten, in denen Politiker die NS-Zeit verharmlosen und umdeuten, in Zeiten, in denen die Zahl antisemitischer Straftaten zunimmt (siehe unten), grenzt diese Entscheidung oft an Zumutung.

So hatte die KZ-Gedenkstätte Buchenwald im vergangenen Jahr dem Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke ein Hausverbot erteilt. Am Mittwoch jedoch empfing die Stiftung seinen Parteifreund, den AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner zu einem Gespräch, das aber "fruchtlos" verlaufen sei, wie es am Abend in einer Mitteilung hieß. Brandner habe kategorisch jede Stellungnahme zu den antidemokratischen Positionen seiner Partei verweigert, stattdessen völkische und antisemitische Äußerungen als Entgleisungen weniger Einzelner bagatellisiert. Ein sachliches Gespräch sei daher nicht möglich gewesen.

Auch Brandner sei enttäuscht von dem Gespräch, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

Brandner selbst hatte um die Unterredung gebeten. Der Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses hatte die Visite damit begründet, Buchenwald sei "eine Mahnung an alle, dass jede Diktatur, sei sie politisch rot oder braun ideologisiert, Verbrechen und Verbrecher hervorbringt". Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung der Gedenkstätte, hatte dem Gesprächswunsch zugestimmt, "um die Gelegenheit zu nutzen, Herrn Brandner zu den geschichtsrevisionistischen Positionen in seiner Partei und seiner eigenen Haltung dazu zu befragen". Knigge warf der AfD vor, die Wirklichkeit zu verzerren und sich "dem Rechtsextremismus direkt oder indirekt zu öffnen".

Das Hausverbot gegen Höcke war nach dessen Rede in Dresden erfolgt, wo er das Holocaust-Mahnmal in Berlin als "Denkmal der Schande" bezeichnet hatte. Bei dessen Parteikollegen Brandner hatte Knigge offenbar eine Grundlage erkennen können, auf der sich eine Auseinandersetzung lohnt. So sollte der Abgeordnete zu Äußerungen aus den Reihen der AfD Stellung beziehen - etwa zu der Aussage Alexander Gaulands, Hitler und die Nazis seien "nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte". Die Gedenkstätte in Buchenwald erinnert an die etwa 56 000 Menschen, die dort in der NS-Zeit ermordet wurden. Anschließend war das Gelände als sowjetisches Speziallager genutzt worden, wo weitere 7000 Menschen starben. Die Stiftung in Buchenwald werde gemeinsam mit anderen KZ-Gedenkstätten "alles dafür tun, die Ziele der AfD aufzudecken und zu durchkreuzen", sagte Knigge.

Welche Wirkung hat ein Besuch?

Ob der Besuch von Orten, an denen die Nazis Millionen Menschen ermordeten, nachhaltige Wirkung auf innere Überzeugungen und Einstellungen hat, wird immer wieder debattiert. So war Ende Juni ein 19-jähriger Syrer palästinensischer Herkunft wegen des Angriffs mit einem Gürtel auf einen Kippa tragenden Israeli in Berlin schuldig gesprochen worden. Außer Jugendarrest war er vom Gericht verpflichtet worden, an einer Führung durch das Haus der Wannsee-Konferenz teilzunehmen. Hier hatten die Nazis 1942 die Ermordung europäischer Juden organisiert.

Elke Gryglewski, Leiterin der Bildungsabteilung dort, hatte den Lernerfolg eines Besuchs als alleinige Maßnahme bezweifelt. Es seien vielmehr persönliche Gespräche und mehrere Visiten notwendig.

Sie zog dabei Parallelen zum Besuch der Rapper Farid Bang und Kollegah Anfang Juni in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz. Deren Liedzeile "Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen" hatte für einen Eklat bei der Echo-Verleihung und schließlich zur Abschaffung des Musikpreises geführt. Die Rapper zeigten sich nach dem Besuch erschüttert. Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz-Komitee hatte die Musiker fern der Öffentlichkeit durch die Gedenkstätte geführt und sagte: "Sie waren verstört und sehr betroffen." Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft stellte später die Ermittlungen ein.

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SZ vom 09.08.2018
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