Buch über Donald Trump:"So etwas kannst du dir nicht ausdenken"

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Am 16. Februar erscheint die deutsche Erstausgabe: "Feuer und Zorn. Im Weissen Haus von Donald Trump". (Foto: dpa)

Das Buch "Fire and Fury" belegt, dass die eigenen Berater Trump für unkontrollierbar und inkompetent halten. Fraglich ist, welcher Experte noch für den US-Präsidenten arbeiten will - und wann die Republikaner endlich handeln.

Von Matthias Kolb

Seit die ersten Details über das Enthüllungsbuch "Fire and Fury. Inside the White House of Donald Trump" publik wurden, kursiert die Frage, welches Zitat am brutalsten ist. Im Vordergrund steht der Bruch zwischen US-Präsident Trump und seinem Ex-Berater Steve Bannon: Dieser hatte Trumps Sohn Donald Junior als "Verräter" und Tochter Ivanka als "dumm wie ein Ziegelstein" bezeichnet. Am besten ist das Werk von Michael Wolff jedoch mit diesen Sätzen zusammengefasst: "I am in a constant state of shock and horror". So klagte Wirtschaftsberater Gary Cohn in einer E-Mail. Und Sean Spicer, ehemals Pressesprecher des Weißen Hauses, murmelte ständig "You can't make this shit up".

Genau das denkt man oft bei der Lektüre der 310 Seiten: "So etwas kannst du dir nicht ausdenken". Und der Zustand von "Schock und Horror" tritt immer dann ein, wenn einem bewusst wird, dass hier der US-Präsident beschrieben wird. Es geht um jenen Mann, der über das größte Arsenal an Atomwaffen verfügt und - siehe Ausstieg aus dem Pariser Klimadeal - allein durch Unterlassen den Lauf der Welt bestimmt.

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Von Matthias Kolb

"Er scheint nichts zu wissen", diesen Eindruck hatten fast alle Polit-Profis, die mit Trump über Jobs in der Regierung redeten. Das Aussehen der Kandidaten ist für den TV-Junkie Trump oft wichtiger als Kompetenz. "Er hat die Schule immer gehasst", sagt Bannon zu jenen, die über das Desinteresse des Präsidenten klagen. Trump verlasse sich auf seine Intuition und vertraue der eigenen Expertise - egal wie begrenzt sie ist - mehr als den Beratern. "Trump liest nicht. Er blättert nicht mal etwas durch", schreibt Wolff auf Seite 113, weshalb ihn viele im Weißen Haus für einen "Legastheniker und Halb-Analphabeten" hielten. Dass unter den Mitarbeitern ständig Krieg herrsche (Bannon gegen Ivanka Trump und Jared Kushner war nur eine Frontlinie), macht die Situation noch komplizierter.

Auch wenn Autor Michael Wolff monatelang wie "eine Fliege an der Wand" im Weißen Haus verbringen konnte und mehr als 200 Stunden Interview-Material besitzt, ist angesichts seines Werdegangs etwas Vorsicht geboten. In der Vergangenheit nahm es der heute 64-Jährige mit Details nicht so genau und auf Twitter gibt es Belege dafür, dass sein Verlag Fakten nicht überprüfte.

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Doch auch wenn nur die Hälfte von Wolffs Anekdoten stimmt: Wie der US-Präsident und sein Umfeld in "Fire and Fury" beschrieben werden, ist verheerend und passt zugleich ins Bild: Wie seine Berater gegen Trumps Faulheit ankämpfen, schilderte zum Beispiel die US-Journalistin Elizabeth Drew im Mai 2017 im SZ-Gespräch: "Trump hasst es, etwas zu lesen. (...) Trumps Leute wissen, dass er Bilder mag, also malen sie ihm Dinge auf." Vieles ist nicht neu in "Fire and Fury", aber schockierend ist die Lektüre trotzdem.

Womöglich ist das die größte Wirkung dieses Buches, das in Washington wie eine Salve Granaten eingeschlagen hat: Trumps schiere Inkompetenz wird in so vielen Details offengelegt, dass auch die Republikaner sie immer weniger ignorieren können. "Es war die ganze Zeit ein offenes Geheimnis", schreibt James Fallows im Atlantic. Er appelliert an die mächtigsten Konservativen im Kongress, Mitch McConnell und Paul Ryan, die Aufklärung von Trumps Russland-Kontakten nicht zu behindern - und sich einzugestehen, dass dieser Präsident den nationalen Interessen der USA (und jenen der Partner in Europa und Asien) schadet. Die Frage nach Trumps Zurechnungsfähigkeit und seiner mentalen Stabilität wird immer öfter gestellt werden. ( Mehr als 20 demokratische Abgeordnete unterstützen einen Gesetzesentwurf, wonach Trump des Amtes enthoben werden soll, wenn ihn eine Expertenkommission für amtsunfähig erklärt.)

Der Präsident ist umgeben von Leuten, die ihn verachten

Auch unabhängig von Trumps Tweets ( "Ich bin ein sehr stabiles Genie") wird "Fire and Fury" das politische Washington in den kommenden Wochen weiter beschäftigen. Darin ist etwa zu lesen, dass Mark Corallo aus Trumps Anwaltsteam seinen Posten aufgab, weil er den Rauswurf von FBI-Chef James Comey als Behinderung der Justiz ansah - und sofort kündigt der demokratische Abgeordnete Adam Schiff an, Corallo unter Eid im Kongress befragen zu wollen. Auch Sonderermittler Robert Mueller und sein Team werden die 310 Seiten sehr genau lesen, um weitere Zeugen zu finden.

Bereits vor der Veröffentlichung des Buchs war unübersehbar, dass viele kompetente Leute aus Sorge um den eigenen Ruf nicht für Donald Trump arbeiten wollten. Einige gingen das Risiko ein und Wolff beschreibt, dass sie anfangs dachten, der neue Präsident werde sich steuern lassen. Viele blieben vorerst, um Schlimmeres zu verhindern. "Trump hat aus ehrgeizigen Karrieristen Patrioten gemacht", lästert ein hochrangiger Republikaner.

Doch bald merken alle, dass seriöse Arbeit mit Trump unmöglich ist, weil er keine Prioritäten hat, Details nicht kennt und Entscheidungen oft aufschiebt. "Oft musste ich raten, es war wie bei einem Kind, bei dem man herausfinden muss, was es möchte", sagte etwa Katie Walsh. Sie hatte jahrelang wichtige Planungsaufgaben in der Parteizentrale der Republikaner erledigt - und kündigte nach zwei Monaten. Für Trump ist Politik ein Nullsummenspiel, in dem es nur Verlierer und Gewinner gibt. Ein Szenario, in dem alle Beteiligten profitieren können, scheint ihm nicht vermittelbar.

Die Lektüre von "Fire and Fury" macht eines klar: Trump ist umgeben von Menschen, die ihn verachten. Gary Cohn soll ihn als "dumm wie Scheiße" bezeichnet haben, für Finanzminister Steve Mnuchin und Ex-Stabschef Reince Priebus ist er angeblich ein "Idiot" und für Sicherheitsberater McMaster ein "Trottel". Laut Wolff rechnen seine Berater längst nicht mehr damit, dass er sein Amt jemals kompetent ausführen kann. Den Eindruck bestätigt auch Mike Allen, der wohl bestinformierte Reporter Washingtons, und berichtet, dass ein halbes Dutzend hochrangiger Trump-Mitarbeiter darüber nachdenke, sofort zu kündigen.

Ein Grund für das Chaos rund um Trump liegt in seinem Wahlkampf. Seine Kampagne war einerseits schlecht organisiert (Bannons Urteil "broke-dick campaign" ist kaum übersetzbar) und andererseits rechnete nicht einmal der Kandidat selbst mit einem Sieg. Trumps Inkompetenz machte damals vielen Beratern keine Sorgen, weil er ja ohnehin nie regieren würde. Trump wollte fast gegen Hillary gewinnen - und den Ruhm für seine Geschäfte nutzen. Doch wenige Stunden nach dem Sensationssieg veränderte sich Trump plötzlich: Nun war er plötzlich felsenfest davon überzeugt, dass er es verdient habe, US-Präsident zu sein und das Amt gut ausfüllen werde.

Mit unzähligen Anekdoten belegt Michael Wolff, dass dies nicht der Fall sei. Trumps Aufmerksamkeitsspanne sei minimal und am liebsten höre er sich selbst reden. Reince Priebus, der überforderte Stabschef, war entgeistert, dass Trump in Meetings die gleichen Geschichten immer wieder erzählte - und bekam schließlich von einem Trump-Freund einen hilfreichen Tipp: "Wähl ein Thema, das dir besonders wichtig ist, und zwinge ihm das auf. Mehr kannst du nicht erreichen."

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Der Umzug von New York nach Washington hat Trump nicht gut getan. Seine Routinen aus 33 Jahren im Trump Tower sind dahin und ihm missfällt, dass im Weißen Haus das Personal immer aufräumt. "Mein Hemd liegt auf dem Boden, weil ich will, dass es dort liegt", soll er getobt haben. Er verbiete den Angestellten, seine Zahnbürste zu berühren (aus Angst vor Krankheitserregern) und esse am liebsten Burger von McDonald's, weil er so nicht vergiftet werden könne.

Wer die Polit-Karriere von Trump in den letzten zweieinhalb Jahren verfolgt hat, der kennt seine Prioritäten: Er will geliebt werden und die Medien sollen positiv über ihn berichten. Viele Zitate belegen, wie besessen er von der New York Times (NYT) ist - und dass ihm keiner seiner Mitarbeiter vermitteln kann, dass er nicht gleichzeitig Lob von Fox News und der NYT kriegen wird. Seine Vertraute Hope Hicks, mittlerweile Kommunikationsdirektorin, ist vor allem damit beschäftigt, schlechte Nachrichten vor ihm zu verbergen - und ihn mit Klatsch aus New York zu versorgen.

Was diesem Präsidenten, der sich schon als Immobilienunternehmer vor allem mit Ja-Sagern umgab, völlig zu fehlen scheint, ist die Fähigkeit, die Außenwirkung des eigenen Handelns einzuschätzen. Trump sieht wüste Beleidigungen ( etwa gegen TV-Moderatorin "Crazy Mika" Brzezinski) als gerechtfertigte Verteidigung an und erkennt nicht, dass die meisten US-Bürger dieses Verhalten als unwürdig für einen Präsidenten betrachten.

Für Trump ist jede Kritik eine persönliche Beleidigung und nahezu täglich schimpft er im Oval Office über die "Leaker" in seiner Umgebung. Darüber klagt er dann in langen abendlichen Telefonaten mit New Yorker Milliardären wie Ruport Murdoch, Carl Icahn oder Tom Barrack. Und weil Trump seine Gesprächspartner offenbar nicht um Verschwiegenheit bitten, sind seine Klagen kurze Zeit später in diversen Medien zu lesen, was Trump erneut ärgert.

Mit dem Abgang von Steve Bannon endet Wolffs Zeit im Weißen Haus

Am Anfang von "Fire and Fury" schreibt Michael Wolff, dass er nur die ersten hundert Tage von Präsident Trump habe begleiten wollen. Aber weil "der außergewöhnlichste politische Sturm, den die USA mindestens seit Watergate erlebt haben" ohne Pause weiterging und niemand sagte "Hau endlich ab", machte sich Wolff einfach weiter Notizen (wie chaotisch es unter Trump im Weißen Haus zugehen muss, beweist nichts besser als die bloße Existenz dieses Buchs). Erst als Steve Bannon im August 2017 den Machtkampf gegen Trump-Tochter Ivanka und Jared Kushner ("Jarvanka") verlor und seinen Posten als Chefberater aufgab, erhielt Wolff keinen privilegierten Zugang mehr.

Es ist offensichtlich, dass Bannon die wichtigste Quelle für Michael Wolff war. Im Buch kommen allerdings alle schlecht weg, auch der Populist. Der Autor spottet über den Größenwahn Bannons, der sich als genialer Stratege inszeniert, aber den Washingtoner Politbetrieb nicht versteht und daher Präsidialdekrete voller Fehler produziert. Das entstehende Chaos mag dem 64-Jährigen gefallen haben, aber Wolffs Urteil ist treffend: "Neben Trump selbst war Bannon die älteste und inkompetenteste Person, die jemals im Weißen Haus gearbeitet hat."

Im Laufe des Buches wird Bannon als derjenige dargestellt, der stets einen Plan verfolgte und als Einziger erkannt haben will, wie gefährlich der Rauswurf von FBI-Chef James Comey werden würde. Seine Kommentare über das Treffen von Donald Junior und seinem Intim-Feind Jared Kushner mit der russischen Anwältin Natalia Weselnizkaja im Trump Tower ( "verräterisch" und "unpatriotisch") sind seit Tagen publik. Im Buch dokumentiert Wolff, dass Bannon seit Monaten einen offenen Krieg gegen "Jarvanka" führte.

Als er Ivanka im Beisein des Präsidenten als "verdammte Lügnerin" beschimpfte, kommentierte Trump dies zunächst mit "Ich habe dir doch gesagt, dass Washington eine brutale Stadt ist, Baby". Doch Trumps Beschützerinstinkt gegenüber seiner Familie ist bekanntlich stark und die Entfremdung mit Bannon wuchs, als dieser kurz vor Weihnachten offen darüber redete, vielleicht selbst fürs Weiße Haus kandidieren zu wollen. Und da Bannon in den vergangenen Wochen die Bitten aus Trumps Umfeld, die Attacken auf Kushner zu stoppen, schlicht ignorierte, war der Bruch unvermeidlich.

Zu dieser Zeit hatte Michael Wolff die Arbeit an "Fire and Fury" schon beendet, weshalb diese Episoden nicht auftauchen. Das Buch endet auf eine typische Art: Mit einem vulgären Zitat des ehemaligen Chefstrategen des Präsidenten, der sich immer noch nicht bei Trump entschuldigt hat und dessen Zukunft als Chef von Breitbart News völlig ungeklärt ist.

"Es war ein Morgen im Oktober und Bannon sagte lächelnd: 'It's going to be wild as shit.'" Diese Prognose ist fraglos eingetreten.

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