Wenn sie etwas zur Perfektion gebracht haben beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Thüringen, dann ist es die rhetorische Ummantelung knallharter Machtkämpfe. Als im vergangenen Herbst wochenlang öffentlich zwischen Berlin und Erfurt um die Frage gerungen wurde, ob man in eine Koalition mit CDU und SPD eintreten sollte und eine Reihe prominenter BSWler den Thüringern Postenfixierung und Verrat vorwarfen, sprach man in Erfurt treuherzig von „intensiven und lebendigen“ Diskussionen. Das wiederholte Maßregeln der Thüringer Verhandler durch die Parteigründerin und Namensgeberin Sahra Wagenknecht habe den Koalitionsvertrag am Ende nur besser gemacht, betonte das Führungsduo Katja Wolf und Steffen Schütz im Dezember auf dem BSW-Parteitag.
Seitdem ist einiges passiert: Das BSW sitzt in Brandenburg und Thüringen in der Regierung, aber in Berlin nicht mehr im Bundestag. Und geht es nach der Berliner Spitze, soll der aufmüpfige Thüringer Landesverband künftig nicht mehr von Wolf und Schütz geführt werden, sondern von einem neuen Duo, das sich Ende April auf dem Parteitag in Gera zur Wahl stellen will. Die Landtagsabgeordnete Anke Wirsing und der Psychologe Matthias Bickel wollen gegen Schütz und Wolf antreten.
Schon am Wochenende hatte BSW-Generalsekretär Christian Leye seine Unterstützung für das neue Team verkündet, es sei gut für diese Aufgabe geeignet. Außerdem habe er das Gefühl, dass es in Thüringen neue Impulse geben sollte. Mit Blick auf die BSW-Minister sagte er: „Ein Ministerium zu führen, erfordert eben viel Zeit. Die Partei leidet immer als erstes, auch im Wahlkampf.“

Bündnis Sahra Wagenknecht:Und ewig lockt der Streit
Das BSW hat den Einzug in den Bundestag denkbar knapp verpasst – einige sehen den Grund dafür in Thüringen. Dort wehrt man sich gegen die Schlammschlacht. Und die Bundespartei zieht jetzt vors Bundesverfassungsgericht.
Wolf zeigt sich „ein kleines bisschen irritiert“
Die Bundesspitze hatte die Thüringer für die denkbar knappe Niederlage im Bund mitverantwortlich gemacht. Wagenknecht sagte nach der Bundestagswahl, die Regierungsbeteiligung in Thüringen habe das BSW Stimmen gekostet. Andere Mitglieder des Bundesvorstands attackierten Wolf auch persönlich und forderten ihren Rücktritt.
Wolf und Schütz antworteten am Dienstag auf ihre Weise. Es habe sie „persönlich ein kleines bisschen irritiert“, dass der Generalsekretär der Partei sich deutlich positioniert habe, noch bevor alle Kandidaturen klar seien, sagte Wolf und wurde dann doch etwas deutlicher: „Ich finde, das ist weder politisch noch demokratisch ein wirklich guter Stil.“ Schütz ergänzte: „Ich hätte mir neue Impulse aus Berlin gewünscht.“
Wolf und Schütz hatten vergangene Woche ihren Leitantrag zum Parteitag vorgestellt und darüber am Montagabend in einer Mitgliederschalte diskutiert. Sie fordern unter anderem, dass künftig der Landesverband über die Aufnahme neuer Mitglieder entscheiden soll und nicht mehr der Bundesvorstand. Eine Trennung von Partei- und Ministeramt hält Wolf derzeit für falsch. Sie ist Finanzministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin, Schütz sitzt als Digitalminister im Kabinett, beide sind zudem auch Landtagsabgeordnete. Über die Ämtertrennung war zuletzt auch unter den Mitgliedern kritisch diskutiert worden.
Wirsing sagte der Süddeutschen Zeitung am Dienstag, sie wolle der Partei gemeinsam mit ihren Mitstreitern ein Angebot machen. „Wir sind keine Minister und können deshalb mehr Zeit zur Verfügung stellen.“ Auch sie wolle, dass neue Mitglieder schneller aufgenommen würden. „Aber ich habe kein Problem damit, wenn das weiter in der Hand des Bundesvorstands bleibt. Sahra hat ja gesagt, dass die Aufnahme kontrolliert vonstattengehen soll.“ Die Kritik von Wolf und Schütz an Leye kann sie nicht nachvollziehen: „Ich freue mich einfach, dass uns der Bundesvorstand sein Vertrauen ausgesprochen hat – und gut ist.“ Auf die Frage, warum sie kandidiere, antwortete Wirsing: „Warum denn nicht?“ Nun hätten die Mitglieder die Wahl, „und dann schauen wir mal“.