Nach dem Beginn von Koalitionsverhandlungen von CDU, SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Thüringen übt die BSW-Bundesspitze scharfe Kritik an den eigenen Unterhändlern. Die Gründerin und Namensgeberin Wagenknecht sagte der Süddeutschen Zeitung am Dienstag: „Dass die Verhandlungsführer des BSW sich bei der Präambel so wenig durchsetzen konnten, nährt auch mit Blick auf die Landespolitik Zweifel, ob am Ende der Koalitionsgespräche ein Ergebnis stehen wird, das das BSW guten Gewissens vor seinen Wählern vertreten kann.“
In Thüringen hatten sich die drei Parteien am Montag auf eine Präambel für einen Koalitionsvertrag geeinigt, darin ist festgehalten, dass CDU, SPD und BSW unterschiedliche Ansichten zum Thema Waffenlieferungen an die Ukraine vertreten. Über die Stationierung von Mittelstreckenraketen soll es eine „breit angelegte Debatte geben“ – Wagenknecht lehnt die Stationierung der Waffen jedoch klar ab und hatte eine entsprechende Formulierung für die Präambel gefordert. Sie schaltete sich mehrfach persönlich in die Verhandlungen in Thüringen ein. Dass nun trotzdem – auch ohne eine klare Formulierung zu den Mittelstreckenraketen – über die Bildung einer Regierung verhandelt wird, fasst sie als Provokation auf.
Brandenburg als Vorbild
Der BSW-Schatzmeister Ralph Suikat und die Parlamentarische Geschäftsführerin Jessica Tatti griffen die Thüringer BSW-Spitze auch persönlich frontal an. In einem Gastbeitrag für t-online schrieben sie am Dienstag: „Katja Wolf und Steffen Schütz sind in Thüringen auf dem besten Weg, das BSW zu einer Partei zu machen, von der es nicht noch eine braucht.“ Es könne kein Thüringer BSW geben, das eine CDU-konforme Außenpolitik mittrage: „Katja Wolf und die BSW-Landtagsfraktion begehen einen schweren politischen Fehler, wenn sie sich dem transatlantischen Treueschwur eines Friedrich Merz beugen.“
Als Beispiel, wie es anders gehe, verwiesen Wagenknecht, Suikat und Tatti auf die Verhandlungen in Brandenburg. Dort hatten sich SPD und BSW auf die Formulierung geeinigt: „Wir sehen ... die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen auf deutschem Boden kritisch.“ Dazu sagte Wagenknecht der SZ: „Der Kompromiss von Brandenburg wäre ein gutes Vorbild für die Verhandlungen in Thüringen gewesen, an dem man sich hätte orientieren können.“ Dass es daran heftige Kritik aus der SPD gibt, lässt Wagenknecht kalt: „Das Brandenburger Sondierungspapier ist vom Geist der Entspannungspolitik von Willy Brandt getragen. Der eigentliche Bruch liegt darin, dass weite Teile der Bundes-SPD und allen voran Kanzler Scholz diese sozialdemokratische Tradition durch ihre Ukraine-Politik und die Zustimmung zu den US-Raketenplänen mit Füßen treten“, sagte sie.
Umso mehr scheint die BSW-Spitze aufgebracht zu sein über das Agieren der eigenen Unterhändler in Erfurt. Suikat und Tatti warfen der Thüringer Doppelspitze vor, sie würden die Positionen aufgeben, für die das BSW gewählt worden sei. Wenn die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel stehe, sei es besser, in die Opposition zu gehen: „Wer das nicht kapiert, wird vielleicht schnell Ministerin, ist aber in unserer Partei falsch.“
Sollte sich ein Landesverband mit dem Bundesvorstand überwerfen, regelt Paragraf 15 der Bundessatzung das weitere Vorgehen. Er sieht bei schwerwiegenden Verstößen die Möglichkeit vor, Gliederungen wie etwa einen Landesverband auszuschließen oder aufzulösen. So ein radikaler Schritt beträfe allerdings nur die Partei, nicht zwangsläufig die gewählten Landtagsabgeordneten. Das BSW stellt in Thüringen 15 Abgeordnete, zusammen mit CDU und SPD kämen sie auf exakt die Hälfte aller Mandate im Landtag.