SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) haben am Montag in Potsdam ein Sondierungspapier vorgestellt, das den Weg für Koalitionsverhandlungen ebnen soll. Die erste Frage auf der gemeinsamen Pressekonferenz galt allerdings nicht den vereinbarten Inhalten, sondern richtete sich an den BSW-Landesvorsitzenden Robert Crumbach. Sie lautete: „Haben Sie die Erlaubnis von Sahra Wagenknecht für diesen Schritt?“ Das Agieren der Gründerin und Namensgeberin des BSW hat sich in Sachsen und vor allem in Thüringen bisher als entscheidend für Fortgang oder Stillstand in den Gesprächen erwiesen.
Wie ist die Lage in Brandenburg?
Fünf Wochen nach der Landtagswahl stehen BSW und SPD dort kurz vor der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Am Montag präsentierten Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Robert Crumbach (Ex-SPD, jetzt BSW) ein gemeinsames Papier als Fazit ihrer Sondierungsgespräche. Auf dieser Grundlage stimmten die Vorstände beider Parteien am Montagabend dafür, in Koalitionsverhandlungen einzutreten. Woidke sagte, die Gespräche seien intensiv gewesen, unter den Verhandlern sei in den vergangenen Wochen Vertrauen gewachsen, auch wenn es mal schwierige Gespräche gegeben habe. „Wir haben heute eine Zwischenstufe erreicht.“ Crumbach sagte, es sei grundsätzlich leichter, wenn nur zwei und nicht drei Partner verhandelten. Ohne Beteiligung der AfD können im Potsdamer Landtag nur SPD und BSW eine Mehrheit bilden.
Wo stehen die Verhandlungen in Sachsen?
Seit Montag reden dort CDU, SPD und BSW wieder miteinander. Das ist deshalb eine Nachricht, weil die SPD am Freitag die Sondierungsgespräche empört stoppte. Der Grund: Ein Großteil der BSW-Abgeordneten hatte gemeinsam mit der AfD für einen Corona-Untersuchungsausschuss gestimmt.
SPD und CDU wollten die Corona-Politik stattdessen von einer Enquete-Kommission aufarbeiten lassen. Dass nun auch SPD- und CDU-Vertreter von einem möglichen Koalitionspartner als Zeugen vor einen Untersuchungsausschuss geladen werden können, dürfte das Vertrauen nicht vergrößern. Die SPD-Spitze sprach von einem Tribunal, BSW-Landeschefin Sabine Zimmermann wiederum von Theater, das die SPD veranstalte.
Nach einer Aussprache gingen die Sondierungen am Montag weiter. Bis zum 7. November sollen Arbeitsgruppen ausloten, ob und auf welcher Basis Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden könnten. Doch nicht nur in der SPD gibt es Bedenken gegen ein Bündnis mit dem BSW, auch in der sächsischen CDU werden die Stimmen lauter, die eine Minderheitsregierung fordern. Das lehnt Ministerpräsident Michael Kretschmer bislang ab.
Wie ist die Lage in Thüringen?
Lange Zeit sah es so aus, als ob die Verhandlungen in Erfurt am schnellsten voranschreiten würden. Dort präsentierten CDU, BSW und SPD schon Mitte Oktober ein fertiges Sondierungspapier. „Sehr, sehr harmonisch“ seien die Gespräche dazu verlaufen, erklärte die CDU. Doch nach massiver Kritik der Bundesspitze des BSW musste der Landesvorstand zurückrudern. Die Thüringer BSW-Spitzenleute Katja Wolf und Steffen Schütz erklärten nach Rückkopplung mit Berlin, dass vor der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen erst ein kompromisstauglicher Passus zum Thema Frieden gefunden werden müsse.
Am Montagnachmittag stellten die drei Parteien einen Kompromiss vor. Darin bekennen sich zwar alle drei Parteien grundsätzlich zum Frieden, machen aber auch klar, worin die Unterschiede bestehen: CDU und SPD pochen auf die Westbindung, das BSW stehe für einen kompromisslosen Friedenskurs. Trotz unterschiedlicher Ansichten zum Thema Waffenlieferungen an die Ukraine eine alle drei Partner der Wunsch nach Frieden. Nun wollen sie in sieben Arbeitsgruppen „vertiefende Verhandlungen“ zur Bildung einer Regierung führen.
Was wurde bisher zum Thema Frieden verabredet?
Noch bevor Vereinbarungen in den Ländern getroffen wurden, schrieben die Ministerpräsidenten Woidke (Brandenburg) und Kretschmer (Sachsen) zusammen mit Thüringens CDU-Chef Mario Voigt einen Brief in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der signalisierte, wie weit das Entgegenkommen reichen könnte. Darin forderten die drei mehr diplomatische Anstrengungen zur Beendigung des Ukraine-Krieges und kritisierten, die Pläne für eine Stationierung von Mittelstreckenraketen im Westen Deutschlands hätten „besser erklärt und breiter diskutiert werden“ müssen. Wagenknecht lobte den Brief als wichtiges Signal, eine Formulierung in Koalitionsverträgen ersetze er aber nicht.
In Thüringen tauchte das Thema im Sondierungspapier erst in Zeile 551 auf. Dort heißt es: „Dem Thema Frieden in Europa werden wir in den kommenden Verhandlungen Raum verschaffen und mit einer Standortbestimmung im Rahmen einer möglichen Präambel gemeinsam begegnen.“ Dies fand Wagenknecht inakzeptabel, seitdem wurde intensiv nachverhandelt. Am Montag präsentierten BSW, CDU und SPD in Thüringen ein neues Papier. Darin wendet man sich gegen „jegliche Bestrebungen, mit kriegerischen Mitteln Grenzen zu verschieben“, unterstützt aber auch alle diplomatischen Initiativen, um den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden. Über die Stationierung von Mittelstreckenraketen soll es eine „breit angelegte Debatte geben“.
Wagenknecht freilich geht auch das nicht weit genug. Es sei „ein Fehler, sich nicht an dem in Brandenburg gefundenen Kompromiss zu orientieren“, rügte sie noch am Abend in der Zeitschrift Spiegel ihre Thüringer Parteifreunde. Diese müssten nun in den Verhandlungen Rückgrat zeigen, so ihre Order Richtung Erfurt: „Wenn CDU und SPD den Eindruck bekommen, dass das Thüringer BSW sich elementare Positionen wegverhandeln lässt, macht das gute Koalitionsverhandlungen nicht leichter.“
In Sachsen gibt es noch kein Sondierungsergebnis, im Positionspapier der drei Parteien von Mitte Oktober heißt es lediglich: „Die Menschen in Sachsen erwarten zu Recht, dass Politik konkrete Antworten auf die drängendsten Fragen unserer Zeit gibt. Dabei geht es um die Wahrung des Friedens in Europa ...“
Konkreter ist die Formulierung in Brandenburg. Dort einigten sich die Unterhändler neben einem allgemeinen Bekenntnis zum Frieden in der Landesverfassung auf diesen Satz zur Ukraine: „Der Krieg wird nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können.“ Später heißt es: „Wir sehen vor diesem Hintergrund die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen auf deutschem Boden kritisch. Es braucht konkrete Angebote, um wieder zu Abrüstung und Rüstungskontrolle zu kommen.“ Woidke sagte am Montag auf Nachfrage, die SPD-Bundesspitze sei darüber informiert worden. Wie sie reagierte, sagte er nicht.