Bündnis Sahra Wagenknecht:Und ewig lockt der Streit

Lesezeit: 2 Min.

Bei der Landtagswahl in Thüringen errang das BSW noch stolze 15,8 Prozent. Für Sahra Wagenknecht (li.) der Auftakt zum Kleinkrieg mit den Landesparteichefs Katja Wolf und Steffen Schütz. (Foto: Christian Mang/Reuters)

Das BSW hat den Einzug in den Bundestag denkbar knapp verpasst – einige sehen den Grund dafür in Thüringen. Dort wehrt man sich gegen die Schlammschlacht.  Und die Bundespartei zieht jetzt vors Bundesverfassungsgericht.

Von Iris Mayer, Leipzig

Nur 0,028 Prozentpunkte oder gut 13 000 Stimmen trennen das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) vom Einzug in den Bundestag. Nachdem die Namensgeberin denkbar knapp am selbst gesetzten Ziel gescheitert ist, zieht die Partei jetzt vor das Bundesverfassungsgericht. Sie will dort eine neue Auszählung der Wählerstimmen erreichen, bestätigte eine Parteisprecherin einen Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

„Der Respekt vor den Wählern gebietet es, mögliche Fehler genau zu prüfen und zu korrigieren“, sagte die BSW-Chefin. Das funktioniere nur, „wenn vor Feststellung des amtlichen Endergebnisses eine bundesweite Neuauszählung erfolgt“. Das amtliche Endergebnis soll bereits am kommenden Freitag vom Bundeswahlausschuss bekannt gegeben werden. Danach könnte dagegen Einspruch erhoben und nötigenfalls geklagt werden.

Auf der Suche nach weiteren Schuldigen ist der Parteispitze außerdem Thüringen ein Dorn im Auge, weil sich das selbstbewusste Führungsduo aus Katja Wolf und Steffen Schütz nicht so geschmeidig steuern lässt, wie es die Berliner gern hätten. Im Gegenteil: Das Thüringer BSW hatte nach wochenlangem öffentlich ausgetragenem Kleinkrieg mit der Parteispitze im Dezember eine Koalition mit CDU und SPD gebildet. Im Landtag verfügt das Brombeer-Bündnis über 44 von 88 Mandaten, braucht für Beschlüsse ohne die Stimmen der rechtsextremen AfD von Björn Höcke also Stimmen oder Enthaltungen aus der Linkspartei.

Wolf und Schütz könnte die Abwahl drohen

Schütz übernahm in der Regierung von Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) das Infrastrukturministerium, Wolf wurde Finanzministerin. Beide befanden nach der verlorenen Bundestagswahl, nun müssten die Landesverbände eine „starke Stimme des BSW“ sein. „Das ist kein Machtanspruch, aber eine Verantwortung, die wir haben“, erklärte Wolf.

In den Ländern hat man zudem eine Ursache für die Wahlniederlage ausgemacht, die der Bundesspitze wenig behagt: die restriktive und zentral gesteuerte Aufnahme neuer Mitglieder. Viele seien monatelang hingehalten worden, künftig sollen auch die Landesverbände Mitglieder aufnehmen können. In Thüringen waren in der Auseinandersetzung um eine Regierungsbeteiligung im Herbst durch den Bundesvorstand eine Reihe von Mitgliedern am Landesvorstand vorbei aufgenommen worden, die sich für einen Gang in die Opposition starkgemacht hatten. Am Ende kam es anders.

Auf dem kommenden Parteitag im April, so berichtet es die Thüringer Allgemeine am Dienstag, könnte Wolf und Schütz die Abwahl aus dem Landesvorstand drohen. Einige Mitglieder planten zudem einen Beschluss, wonach sich die BSW-Minister aus der Landesregierung zurückziehen sollten. Ob es dazu kommt, ist so ungewiss wie das Auftauchen von mehreren Tausend nicht gezählten Wählerstimmen für das BSW.

Fraktionschef Frank Augsten wehrt sich gegen Sahra Wagenknechts Vorwürfe

Schütz hatte die Möglichkeit selbst vor ein paar Tagen im Stern öffentlich gemacht. „Es gibt Bestrebungen in der Bundespartei, aber auch innerhalb des Landesverbandes, die Regierungsbeteiligung in Thüringen zu beenden“, sagte er. Er stelle sich dem entschieden entgegen, das BSW stehe mit der Regierungsarbeit erst am Anfang.

Thüringens BSW-Fraktionschef Frank Augsten hatte nach der Wahl ebenfalls von Versuchen aus anderen BSW-Teilen berichtet, den Thüringer Verband für die knappe Wahlniederlage verantwortlich zu machen. Wagenknechts Äußerung, wonach die Regierungsbeteiligung in Thüringen das BSW Stimmen gekostet habe, wollte er nicht gelten lassen. Aus Augstens Sicht hätte ein Gang in die Opposition genauso Stimmen gekostet. Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung sagte Augsten am Dienstag: „In der Fraktion gibt es keinerlei Absetzbewegung, die steht zu 100 Prozent hinter der Regierungsbeteiligung.“

Das BSW war auch in die Koalition eingetreten, um die AfD von der Macht fernzuhalten. Diesem Kurs seien nicht alle Wähler gefolgt, so Augsten, ein Teil sei für strikte Abgrenzung, ein anderer für Zusammenarbeit. Auch an diesem Punkt habe man Wähler verloren.

Augsten verwahrte sich gegen persönliche Angriffe aus anderen Landesverbänden auf Wolf. Alexander Ulrich, Beisitzer im Bundesvorstand, hatte in einem parteiinternen E-Mail-Wechsel beklagt: „Der Osten hat leider nicht geliefert.“ Wie die FAZ berichtete, attackierte Ulrich auch Wolf direkt. Sie habe keine einzige Veranstaltung gemacht. Wolf wies dies zurück und warf Ulrich Verleumdung vor. Seine Antwort: „Wenn Du etwas Charakter hast, dann trete als Landesvorsitzende zurück.“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Gesundheitswesen
:Heilen trotz Vorurteilen

80 Prozent der Ärzte am Klinikum Hildburghausen in Südthüringen kommen aus dem Ausland. Fast 50 Prozent der Wähler des Landkreises haben bei der Bundestagswahl für die AfD gestimmt. Zu Besuch bei dringend benötigten Fachkräften, die sich nicht mehr willkommen fühlen.

SZ PlusVon Rainer Stadler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: