Süddeutsche Zeitung

Bundesregierung:Cyberabwehr-Behörde bekommt neue Chefin

Die Mathematikerin Claudia Plattner wechselt von der Europäischen Zentralbank zum Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Sie folgt auf Arne Schönbohm, der wegen umstrittener Kontakte gehen musste.

Von Markus Balser, Berlin

Deutschlands Cybersicherheitsbehörde BSI bekommt eine neue Chefin. Nach Angaben aus Regierungskreisen fiel die Wahl von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf die Mathematikerin Claudia Plattner. Sie solle den Posten so schnell wie möglich übernehmen, heißt es, die Personalie bereits in den nächsten Tagen offiziell verkündet werden. Noch seien finale Details mit Plattners derzeitigem Arbeitgeber, der Europäischen Zentralbank (EZB), zu klären. Das Ministerium wollte den bevorstehenden Wechsel am Dienstag nicht kommentieren.

Damit bekommt die für die Cybersicherheit des Landes wichtige Behörde nach mehreren Monaten wieder eine neue Leitung. Plattner wird die erste Frau an der Spitze des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Nach einem Mathematik-Studium war sie zunächst Softwareentwicklerin in der freien Wirtschaft. Nach mehreren Posten im Konzern der Deutschen Bahn wechselte sie erst 2021 zur EZB.

Die Suche nach einer neuen BSI-Chefin gestaltete sich schwierig und zog sich über Monate. Verantwortlich für die lange Vakanz war ein heftiger Streit über den Abgang ihres Vorgängers im Herbst. Arne Schönbohm war infolge eines fragwürdigen Auftritts bei einem Cybersicherheitsverein mit Kontakten in russische Geheimdienstkreise unter so spektakulären wie undurchsichtigen Umständen geschasst worden.

Innenministerin Faeser soll verärgert darüber gewesen sein, dass Schönbohm trotz Warnungen enge Kontakte zum umstrittenen "Cyber-Sicherheitsrat" pflegte, dessen Präsident bereits zuvor Kontakte zu russischen Geheimdienststellen eingeräumt hatte. Das Vertrauen in den mächtigsten Cybersicherheitsexperten des Landes sei dahin, hieß es. Dass die ZDF-Satire-Show von Jan Böhmermann das Thema an die breite Öffentlichkeit brachte, beschleunigte Schönbohms Abgang.

Doch das Ministerium tat sich in der Folge schwer damit, die Vorwürfe wirklich zu erhärten. Zuerst stellte sich heraus, dass ein Staatssekretär aus Faesers Ministerium Schönbohms Auftritt und sogar seine Rede abgesegnet hatte. Der Verfassungsschutz soll zwar Gespräche Schönbohms mit dem Chef des Vereins überwacht haben. Doch was konkret das Bundesinnenministerium dem damaligen BSI-Chef vorwarf, blieb bis zuletzt im Dunkeln. Selbst Aufsichtsgremien des Bundestags versuchten vergeblich, Fakten zusammenzutragen. Klar wurde aber, dass Schönbohm und die zuständige Fachabteilung des Ministeriums schon länger über Kreuz lagen. Auch BSI-Mitarbeiter protestierten gegen den Umgang mit ihrem Chef.

Seit Jahresbeginn hat Schönbohm nun einen neuen Posten. Er leitet die Fortbildungsakademie für die Bundesverwaltung in Bonn. Damit war der Weg frei für eine Neubesetzung des BSI-Spitzenpostens. Das BSI mit seinen bislang etwa 1700 Mitarbeitern soll unter der neuen Führung nach dem Willen der Ampelkoalition nun zu einer deutlich mächtigeren IT-Sicherheitsbehörde ausgebaut werden.

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