Brüsseler Attentate:Terrorist wollte nicht in der Zelle enden

Brussels bombing suspect Ibrahim El Bakraoui

Die Brüder Ibrahim (l.) und Khalid El Bakraoui (r.) sprengten sich am Montag in Brüssel in die Luft.

(Foto: dpa)

Lieber Selbstmord als Gefängnis: Einer der Attentäter hinterließ ein Testament. Der zweite Flughafen-Attentäter ist identifiziert. Das sind die Erkenntnisse der Ermittler.

Von Hans Leyendecker und Annette Zoch

Am Tag nach den schweren Terroranschlägen von Brüssel hat die Polizei zwei Täter sicher identifizert - es handelt sich um die Brüder Ibrahim und Khalid El Bakraoui, sie sind belgische Staatsbürger. Das teilte der belgische Generalstaatsanwalt Frédéric van Leeuw am Mittwoch mit. Ibrahim El Bakraoui, 29, sprengte sich demnach in der Abflughalle des Flughafens Brüssel-Zaventem in die Luft. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Khalid zündete den Sprengsatz in der U-Bahn-Station Maelbeek mitten im EU-Viertel.

Bei dem zweiten Selbstmord-Attentäter vom Flughafen handelt es sich offenbar um Najim Laachraoui. Dies verlautete am Abend aus Polizeikreisen. Der 24 Jahre alte Belgier Laachraoui war vermutlich bereits an der Herstellung der Sprengstoffwesten beteiligt, die bei den Anschlägen von Paris benutzt wurden. Wie aus französischen Polizeikreisen verlautete, wurde seine DNA an allen Westen sowie in der am Dienstag durchsuchten Wohnung im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek gefunden. Auf Aufnahmen einer Überwachungskamera am Flughafen ist neben Laachraoui und El Bakraoui ein dritter Mann zu sehen, er trägt eine helle Jacke und einen Hut. Laut Staatsanwalt stellte er eine Tasche mit einer Bombe ab und flüchtete, die Polizei sucht ihn. Diese Bombe explodierte nicht und wurde später kontrolliert gesprengt.

Einer der Attentäter hinterließ ein Testament

Ibrahim El Bakraoui hinterließ ein Testament, es wurde auf einem Computer in einem Mülleimer in der Nähe des Verstecks der Brüder im Stadtteil Schaerbeek gefunden. Das Testament legt nahe, dass die Männer auch unter dem zuletzt gestiegenen Fahndungsdruck handelten. El Bakraoui sagt darin, er fühle sich gehetzt, wisse nicht mehr, was er tun solle: "Ich will mich nicht in der Zelle neben ihm wiederfinden", zitierte ihn van Leeuw. Mit "ihm" ist wahrscheinlich Salah Abdeslam gemeint, der als einer der Drahtzieher der Anschläge von Paris gilt und am vergangenen Freitag bei einer Anti-Terror-Razzia in Brüssel festgenommen wurde.

Aus deutschen Sicherheitskreisen verlautete die Einschätzung, dass Medienberichte über die Aussagewilligkeit Salah Abdeslams die jüngsten Attentate zumindest beschleunigt haben könnten. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte, sein Land habe einen der Attentäter im vergangenen Sommer an der syrischen Grenze festgenommen und ausgewiesen. Belgien sei gewarnt worden, dass der Mann ein Extremist sei. Laut Medienberichten handelte es sich um Ibrahim El Bakraoui, der aber von den belgischen Behörden freigelassen wurde.

Über den jüngeren Bruder Khalid El Bakraoui gibt es belgischen Medien zufolge eine Verbindung zu Abdeslam. El Bakraoui habe unter falschem Namen eine Wohnung im Brüsseler Vorort Charleroi gemietet, in der die Attentate von Paris vorbereitet worden sein sollen. Somit zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die Anschläge von Paris und Brüssel zusammenhängen.

Mohammed Aziz Belkaid gilt als einer der Drahtzieher der Pariser Anschläge

Eine noch bedeutendere Rolle als Abdeslam könnte in der Terrorzelle der Algerier Mohammed Aziz Belkaid gespielt haben, hieß es aus deutschen Sicherheitskreisen. Er war am Dienstag vor einer Woche bei einer Razzia im Brüsseler Stadtteil Forest erschossen worden, diese Razzia hatte die Ermittler wiederum auf die Spur Abdeslams gebracht.

Bei dieser Polizeiaktion konnten deutschen Sicherheitskreisen zufolge auch die beiden Bakraoui-Brüder fliehen.

Belkaid steht im Verdacht, die Pariser Anschläge von Brüssel aus koordiniert zu haben. Er sei am 13. November 2015 von den Tätern im Pariser Musikklub Bataclan kontaktiert worden: "Wir fangen jetzt an." Belkaid stand auch in Kontakt mit der Cousine von Abdelhamid Abaaoud, der als Hauptorganisator der Pariser Anschläge gilt. Abaaoud und seine Cousine kamen bei der Erstürmung ihrer Wohnung in Saint Denis bei Paris im November ums Leben. Belkaid soll in Syrien gekämpft haben und bei der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als potenzieller Selbstmordattentäter geführt worden sein. Offenbar als Flüchtling getarnt soll er laut Sicherheitskreisen Anfang September zurück nach Europa gereist sein - Salah Abdeslam habe ihn im Auto über Ungarn, Österreich und Deutschland nach Belgien gebracht. Wie die Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf europäische und irakische Geheimdienste meldete, hat der IS mindestens 400 Kämpfer für Anschläge nach Europa geschickt. Diese könnten selbst über Zeit, Ort und Methode ihres Angriffs entscheiden. Im Irak und in Syrien gebe es spezielle Ausbildungslager für Attacken gegen den Westen. Unter den 300 Verletzten sind nach Angaben des Auswärtigen Amts auch Deutsche. Es könne zudem nicht ausgeschlossen werden, dass deutsche Staatsbürger unter den 31 Toten seien.

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