Brüssel:Kampf dem Corona-Wirrwarr

Hungary Shuts Its Borders To Non-Residents As Anti-Covid Measure

Im Alleingang schloss Ungarn die Grenzen zum 1. September wieder, am Montag staute es sich deshalb am Grenzübergang Nickelsdorf.

(Foto: Thomas Kronsteiner/Getty)

In einigen Ländern müssen Besucher sich testen lassen oder in Quarantäne gehen - in anderen nicht. Jetzt setzt sich Deutschland für gemeinsame Reiseregeln in der EU ein.

Von Björn Finke, Brüssel

Die Corona-Fallzahlen in der EU nehmen zu, und mit ihnen die Nervosität in den Hauptstädten. Manche Regierung hat deswegen die Einreisebeschränkungen für andere Europäer verschärft, teilweise drastisch. So sind seit Dienstag Ungarns Grenzen für Reisende geschlossen, außer in Ausnahmefällen. Die EU-Kommission ist alarmiert; ein Sprecher bezweifelte am Dienstag, dass der Vorstoß mit EU-Recht vereinbar sei. Zudem mahnte die Brüsseler Behörde, dass es "Einschränkungen der Freizügigkeit" in der EU nur dann geben sollte, wenn sie mit Blick auf Gesundheitsrisiken "unbedingt notwendig" seien. Die Regeln müssten auch verhältnismäßig und koordiniert sein. Die Bundesregierung bemüht sich ebenfalls um mehr Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten - und präsentierte nun Vorschläge.

Deutschland hat im Juli die rotierende Ratspräsidentschaft übernommen, weswegen Vertreter Berlins noch bis Jahresende die diversen Minister- und Botschaftertreffen in Brüssel leiten. An diesem Mittwoch werden die EU-Botschafter unter anderem über ein zweiseitiges Papier beraten, das die Bundesregierung am Freitag herumgeschickt hat und das der SZ vorliegt. Das Dokument beleuchtet, wie sich Mitgliedstaaten bei der Bewertung von Corona-Risikogebieten und bei Reisebeschränkungen besser abstimmen können. Dort heißt es zwar, für Regeln zum Gesundheitsschutz bliebe weiter jede Regierung alleine verantwortlich: "Allerdings ist eine kohärente Antwort entscheidend, um einen fragmentierten Ansatz wie früher im Jahr zu verhindern und die Integrität des Schengen-Raums zu schützen." Nach Start der Pandemie hatten EU-Staaten ohne Absprache mit Nachbarländern Grenzen geschlossen; Lastwagen und Grenzpendler hingen in kilometerlangen Staus fest.

Im einen Land zwei gelten Wochen Quarantäne, im andern zehn Tage

Jetzt sind die innereuropäischen Grenzen mit der Ausnahme Ungarns weitgehend offen - und dafür die Grenzen für Reisende von außerhalb der EU weitgehend geschlossen: Die Mitgliedstaaten haben sich auf eine knappe Liste sicherer Drittstaaten geeinigt. Für Bürger aller anderen Länder ist die Einreise in die EU nur mit triftigem Grund erlaubt. Doch gibt es auch bei Reisen innerhalb der EU Regeln; so verhängen Regierungen für Besucher aus manchen Mitgliedstaaten oder Regionen Test- oder Quarantänepflichten oder gestatten die Einreise bloß in wichtigen Fällen. Mit steigenden Infektionszahlen steigt nun die Zahl dieser Beschränkungen. Aber die Kriterien und Vorschriften unterscheiden sich deutlich zwischen Staaten. Die Bundesregierung regt daher in ihrem Diskussionspapier an, sich auf einen gemeinsamen Rahmen zu verständigen.

Beim Botschaftertreffen will Berlin ausloten, ob dafür überhaupt Bereitschaft besteht - und in welchen Bereichen. "Deutschland hat schon vorab mit vielen Mitgliedstaaten gesprochen und auch Anregungen der Kommission aufgenommen", sagt ein EU-Diplomat. "Trotzdem würde Zustimmung beim Treffen am Mittwoch erst den Beginn der eigentlichen Arbeit bedeuten." Der Diplomat sieht "dicke Bretter", die zu bohren seien.

Das Diskussionspapier hält fest, dass Mitgliedstaaten unterschiedliche Daten und Kriterien nutzen bei der Entscheidung, ob ein anderes EU-Mitglied oder eine Region ein Corona-Risikogebiet darstellt. Deswegen können Besucher aus einer bestimmten Region in dem einen Land als Risikofall gelten, in dem anderen aber nicht. Um solche Verwirrung zu beenden, könnten sich Staaten verständigen, welche Daten, Kriterien und Schwellenwerte sie verwenden wollen, regt das Papier an. Zudem teilen manche Regierungen Länder in zwei Risikokategorien ein, andere in drei oder vier. Die Häufigkeit, mit der Listen aktualisiert werden, variiert ebenfalls. Und während die einen Regierungen Länder vorab informieren, wenn sie diese auf rote Listen setzen wollen, sparen sich andere die Mühe. Auch hier könnten sich die Mitgliedstaaten auf gemeinsame Standards einigen, heißt es.

Gleiches gelte für die Schutzregeln, die für Besucher aus Risikogebieten verhängt werden. In manchen Ländern dauert die vorgeschriebene Quarantäne 14 Tage, in anderen zehn, in manchen Staaten darf ein negativer Corona-Test höchstens 48 Stunden alt sein, um die Selbstisolierung vermeiden zu können, in anderen sind es 72 Stunden. Es gibt also viel zu besprechen beim Botschaftertreffen.

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