Brüssel:Junckers Bilanz

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Der Kommissionschef der Europäischen Kommission fasst seine nun fast fünfjährige Amtszeit so zusammen: Er habe viel Erfolge vorzuweisen und nennt als Beispiel seinen Umgang mit der Griechenland-Krise. Aber er habe auch zwei Fehler gemacht.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Gut zwei Wochen sind es noch bis zur Europawahl. Wie lange es danach dauern wird, einen neuen EU-Kommissionspräsidenten zu wählen, weiß niemand. Jean-Claude Juncker kann also nicht genau vorhersagen, wann er an der Spitze der Brüsseler Behörde abgelöst wird. Angesichts des unberechenbaren Wahlergebnisses könnte es länger dauern als ihm lieb sein mag. Am Dienstag zog Juncker jedenfalls schon einmal eine vorläufige Bilanz seiner Amtszeit. Und wie es sich für solche Anlässe gehört, wurde er auch gefragt, was sein größter Fehler gewesen sei. "Was habe ich falsch gemacht?", fragte also Juncker und nannte gleich zwei Dinge.

Zum einen sei da sein Verhalten nach den Lux-Leaks-Enthüllungen gewesen. Als kurz nach seinem Amtsantritt im November 2014 bekannt wurde, dass während seiner Zeit als luxemburgischer Finanzminister und Regierungschef Konzerne mit illegalen Steuerdeals in das Großherzogtum gelockt wurden, ließ sich Juncker gut eine Woche Zeit, um darauf zu reagieren. Dies, so sagte er, sei ein Fehler gewesen: "Ich hätte sofort darauf reagieren müssen." Die zweite Sache, die er falsch gemacht habe, sei es gewesen, auf den damaligen britischen Premierminister David Cameron zu hören, und sich nicht in die Kampagne vor dem Brexit-Referendum 2016 einzumischen. "Es war falsch, in diesem wichtigen Moment zu schweigen", sagte Juncker. Und fügte hinzu: "Wir wären die Einzigen gewesen, die die im Umlauf befindlichen Lügen zerstört hätten."

"Persönliche Angriffe sollten in der demokratischen Debatte in Europa keinen Platz haben."

Als größten Erfolg seiner nun fast fünfjährigen Amtszeit nannte Juncker seinen Umgang mit der Griechenland-Krise. Er sei stolz darauf, dass die EU-Kommission es geschafft habe, dass das hochverschuldete Land im Euro gehalten werden konnte. Überhaupt zog er eine insgesamt positive Bilanz: "Den Menschen in Europa geht es eigentlich besser, aber nicht jeder merkt es." So sei die Jugendarbeitslosigkeit seit seinem Amtsantritt um etwa sieben Prozent gesunken. Die Bürger hätten bessere soziale Rechte, es gebe eine Datenschutzgrundverordnung, und der Plastikmüll sei reduziert worden.

Juncker warnte allerdings vor einer Verrohung der politischen Kultur in Europa, die seines Erachtens nach zugenommen habe: "Persönliche Angriffe sollten in der demokratischen Debatte in Europa keinen Platz haben." Konkret bezog er sich auf jüngste Vergleiche in Polen, wonach EU-Ratspräsident Donald Tusk als Marionette Deutschlands dargestellt und indirekt in eine Reihe mit Hitler und Stalin gestellt worden war. "Das ist völlig inakzeptabel", sagte Juncker. Er forderte die Politiker vor der Europawahl auf, Populisten und Extremisten nicht mit billigen Slogans und persönlichen Attacken zu bekämpfen, sondern durch konkretes Handeln.

Und dann ist da noch Donald Trump, der, so sagte Juncker, in keiner Weise mit anderen Staats- und Regierungschefs zu vergleichen sei. Nachdem er mit dem US-Präsidenten im vergangenen Sommer eine Art Waffenstillstand im Zollstreit erreichen konnte, geht Juncker nicht davon aus, dass Trump erneut eine Eskalation anstrebt. Sein Team sei nahezu täglich in Kontakt mit dem Weißen Haus, erklärte Juncker. Und sagte, dass man Trump zumindest beim Thema Handel trauen könne.

© SZ vom 08.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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