HandelskonfliktBrüssel sieht sich in seinem Kurs bestätigt und wartet weiter ab

Lesezeit: 3 Min.

EU-Präsidentin Ursula von der Leyen ist bereit, im Handelsstreit mit Trump Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
EU-Präsidentin Ursula von der Leyen ist bereit, im Handelsstreit mit Trump Gegenmaßnahmen zu ergreifen. (Foto: Yves Herman/REUTERS)

Mit einiger Genugtuung hat die EU-Kommission beobachtet, wie Donald Trump seinen Zoll-Rundumschlag nach einer Woche wieder abschwächte. Weshalb sie bei ihrem Ansatz bleibt: aussitzen und Angebote machen – aber trotzdem weiter drohen.

Von Jan Diesteldorf

Was im Englischen die Karotte und der Stock bedeuten, ist den Deutschen als Zuckerbrot und Peitsche bekannt. In der Politik bezeichnen diese Sinnbilder eine möglichst effektive Mischung aus verlockenden Angeboten und Drohungen. Übertragen auf den Konflikt, den die EU gerade mit ihrem wichtigsten Verbündeten austragen muss, gibt es in Brüssel gerade ziemlich viele Karotten und Zuckerbrote zu bestaunen: Anstatt gleich die harte Konfrontation mit US-Präsident Donald Trump zu suchen, wartet die EU lieber ab und nimmt beim ersten Zwinkern des US-Präsidenten ihre bereits beschlossenen Gegenzölle zurück, um ihm so unbeschwert wie möglich ihre süßen Verlockungen anzudienen.

Am Ende einer Woche, die im Zeichen des Trump'schen Zollkriegs stand, fühlt man sich in Brüssel in zweierlei Hinsicht bestätigt. Zuerst gilt das für die abwartende Haltung der Kommission. Sie hatte sich bewusst Zeit gelassen mit der ersten Vergeltung gegen Trumps Zölle auf Stahl und Aluminium. Diese Reaktion wäre dann mit größtenteils 25-prozentigen Gegenzöllen auf Dinge wie Motorräder, Waschmaschinen und Sojabohnen gemäßigt ausgefallen und hätte Importe aus den USA im überschaubaren Umfang betroffen: gut 20 Milliarden Euro Handelsvolumen gegenüber 26 Milliarden an Stahl- und Aluminiumexporten in die USA. Mit Ausnahme von Ungarn hatten das alle Mitgliedstaaten unterstützt.

„Wir wollen Verhandlungen eine Chance geben“, sagt von der Leyen

Aber kaum hatte Trump angekündigt, seinen großen Zollhammer für 90 Tage auszusetzen, legte die Behörde ihren Gegenschlag für dieselbe Zeit auf Eis, obwohl die US-Einfuhrabgaben auf Stahl zunächst bleiben sollen. Trump drehte unter dem Eindruck der Märkte, des Widerstands in den eigenen Reihen und von Wirtschaftslenkern in den USA selbst bei. Wer nicht direkt zurückgeschlagen habe, werde belohnt, ließ der US-Präsident die Welt wissen. Die Brüsseler Strategie, ihn erst einmal dieser Dynamik zu überlassen, ging aus Sicht der Kommissionspräsidentin vorerst auf. Ursula von der Leyen (CDU) betonte ihre Karottenlogik: „Wir wollen Verhandlungen eine Chance geben“, sagte sie. Die EU hat bereits mehrmals angeboten, die gegenseitigen Zölle auf Autos und Industriegüter auf null zu senken, sowie mehr Erdgas aus den USA zu kaufen.

Hinter der fast einstimmigen Unterstützung für das Vorgehen der Kommission verbergen sich allerdings Risse. Aus Furcht um ihre Winzer und Bauern hatten vor allem Frankreich, Italien und Irland darauf gedrungen, die Antwort auf Trump noch einmal abzuschwächen. So strich die Behörde etwa Bourbon-Whiskey und Milchprodukte von der Liste – um Trump nicht zusätzlich zu verärgern, aber vor allem auch, um die Reihen geschlossen zu halten. Das ist fürs Erste gelungen.

Notfalls Importbeschränkungen, um eine China-Schwemme abzuwehren

Aus der Eskalation zwischen den USA und China erwächst die zweite Bestätigung. Die Volksrepublik antwortete auf Trumps „reziproke“ Zölle. Der legte zuerst mit 50 Prozent Aufschlag nach, nun üben sich beide Seiten in handelspolitischer Kriegführung. Die USA verlangen Zusatz­zölle in Höhe von 145 Prozent auf Einfuhren aus China, Peking will seinerseits 125 Prozent auf US-Importe erheben. Das zeige einerseits, dass es richtig gewesen sei, Trump nicht direkt herauszufordern, heißt es aus der Kommission. Andererseits nahm man in Brüssel schon vorher an, dass Trump primär auf China zielt und die Europäer in einer relativ besseren Position sind.

Was sie aber zusätzlich herausfordert: Verlieren die Chinesen die USA, steigt der Druck, alternative Absatzmärkte zu finden. Die EU hat deshalb angekündigt, notfalls mit Importbeschränkungen zu reagieren, um eine China-Schwemme abzuwehren. Zugleich werden die Pläne für einen EU-China-Gipfel in Peking im Juli konkreter.

Bei aller Geduld betonte von der Leyen, dass all die Stöcke und Peitschen, die sich ihre Beamten überlegt haben, weiterhin bereitliegen. Sollten die Verhandlungen nicht zufriedenstellend verlaufen, würden die Gegenmaßnahmen greifen, sagte sie und legte zum Ende der Woche in einem Interview mit der Financial Times nach. Zum ersten Mal sprach sie dabei konkret über Maßnahmen, mit denen die EU gegen US-Tech-Konzerne vorgehen könnte. „Man könnte zum Beispiel eine Abgabe auf die Werbeeinnahmen digitaler Dienste erheben“, sagte sie.

Um effektiv zurückzuschlagen, käme die EU nicht umhin, den Dienstleistungssektor und vor allem Digitalkonzerne in den Fokus zu nehmen – die Warenimporte aus den USA sind zu gering, um Trumps Zölle allein im Güterhandel auf Augenhöhe zu beantworten. Während das in der Theorie alles schon vorbereitet ist, telefonierte von der Leyen am Donnerstag erst einmal mit neuen und alten Partnern: Kanadas Premier Mark Carney, Neuseelands Regierungschef Christopher Luxon und Mohammed bin Zayed, Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate. Mit ihm, sagte von der Leyen, habe sie abgemacht, Verhandlungen über ein Handelsabkommen zu beginnen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Trump und die Zölle
:Hat der Wahnsinn doch Methode?

Donald Trump will Amerika wieder reich machen. So wie einst sein großes Vorbild: William McKinley, der „Zoll-König“. Lässt sich Geschichte so einfach wiederholen?

SZ PlusVon Jan Diesteldorf, Alexander Mühlauer, Ann-Kathrin Nezik und Angelika Slavik

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: