Süddeutsche Zeitung

Brüssel:EU-Gipfel endet ohne Haushaltsplan

  • Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU haben sich nicht auf einen neuen siebenjährigen Finanzrahmen einigen können.
  • Die EU-Kommission hatte 2018 eine Steigerung auf 1,14 Prozent vorgeschlagen, um den Austritt des wichtigen Beitragszahlers Großbritannien teilweise auszugleichen.
  • Deutschland, Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande waren mit der Verhandlungsposition gestartet, dass der Deckel bei einem Prozent bleiben soll.

Von Karoline Meta Beisel, Björn Finke und Matthias Kolb, Brüssel

Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU haben sich am Freitag nicht auf einen neuen siebenjährigen Finanzrahmen einigen können. Der Sondergipfel in Brüssel, der am Donnerstag begonnen hatte, endete am Freitagabend ohne Ergebnis. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, die Differenzen seien einfach zu groß gewesen: "Insofern müssen wir weiterarbeiten." Wann ein neues Spitzentreffen angesetzt werde, entscheide EU-Ratspräsident Charles Michel. Der verteidigte seinen Entschluss, den Gipfel einzuberufen, obwohl die Positionen weit auseinander lagen: "Wie meine Großmutter immer gesagt hat: Um etwas zu erreichen, muss man etwas versuchen." Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, manchmal bräuchten "Sachen Zeit, um zu reifen".

Michel hatte ursprünglich vorgeschlagen, dass die EU in den Jahren von 2021 bis 2027 bis zu 1,074 Prozent der Wirtschaftsleistung ihrer Mitglieder ausgeben darf. Dies würde bedeuten, dass die Europäische Union insgesamt fast 1,1 Billionen Euro Finanzzusagen geben könnte. Doch Deutschland und die aus Österreich, Schweden, Dänemark und den Niederlanden bestehende Gruppe der "sparsamen Vier" starteten mit der Verhandlungsposition, dass der Deckel bei einem Prozent bleiben soll - wie im aktuellen Haushaltsrahmen, der 2020 ausläuft.

Die EU-Kommission hatte eine Steigerung auf 1,14 Prozent vorgeschlagen, um den Austritt des wichtigen Beitragszahlers Großbritannien teilweise auszugleichen. Staaten, die stark von Fördergeldern für arme Regionen profitieren, unterstützen den Entwurf der Kommission. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wiederum war es wichtig, dass die Subventionen für Bauern nicht zu sehr sinken: "Die gemeinsame Agrarpolitik kann nicht für den Brexit zahlen", sagte er nach dem Gipfel - und kurz vor Beginn der Pariser Landwirtschaftsmesse.

Dass für den Sieben-Jahres-Haushalt mehr als ein Spitzentreffen nötig ist, hat eine gewisse Tradition in der EU. Aber die Regierungen sind diesmal besonders spät dran. Das Europaparlament muss einem Kompromiss am Ende zustimmen; diese Verhandlungen werden ebenfalls Zeit kosten. Danach müssen noch Gesetze verabschiedet werden, damit Förderprogramme rechtzeitig im Januar 2021 starten können.

Ratspräsident Michel führte in der Nacht zum Freitag Einzelgespräche mit den Politikern. Doch das reichte offenbar nicht, um die Differenzen zu überbrücken. Allerdings sah es im Laufe des Freitags zunächst so aus, als käme Bewegung in die Verhandlungen: Die Vertreter der sparsamen Vier kamen mit Merkel und Macron zusammen, um anschließend Michel eigene Ideen zu unterbreiten. Dem Vernehmen nach sollte das Volumen nach diesem Vorschlag auf 1,059 Prozent sinken. Später versuchten Merkel und Macron im Büro der spanischen Delegation, einige Vertreter jener Staaten zu überzeugen, die besonders von Hilfsgeldern profitieren. Michel führte ebenfalls nahezu permanent Gespräche.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte am Nachmittag, es gebe "Bewegung in die richtige Richtung" - aus seiner Sicht heißt das: hin zu einem schlankeren Etat. Am frühen Abend präsentierte Ratspräsident Michel, der bis Oktober Premier Belgiens war, einen neuen Vorschlag, der den Deckel bei 1,069 Prozent setzt. Deutschland und die sparsamen Vier sollen zudem bis 2027 ihre Rabatte auf den Beitrag behalten, und zwar in Höhe des 2020 gültigen Nachlasses. Um kurz vor 19 Uhr kamen die Staats- und Regierungschefs erneut im Plenum zusammen. Nach etwa zwanzig Minuten hieß es dann, der Gipfel werde ergebnislos beendet.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4809491
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.02.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.