Brüderles Rede auf dem FDP-Parteitag:Rückkehr des kalten Kriegers

FDP-Bundesparteitag

Beschränkt sich auf Altherren-Sprüche und Brachial-Angriffe auf Rot-Grün: FDP-Spitzenmann Rainer Brüderle.

(Foto: dpa)

Nur noch Steuererhöhungsverhinderungspartei: Der FDP fehlt eine gute Begründung, warum sie eigentlich noch einmal in die Regierung gewählt werden soll. Keines ihrer Kernversprechen von 2009 hat sie halten können. Jetzt begnügt sich ihr Spitzenmann Brüderle mit Angriffen auf die Opposition auf Fips-Asmussen-Niveau.

Von Thorsten Denkler, Nürnberg

Manchmal scheint es Brüderle selbst völlig wurscht zu sein, was er den Delegierten vor sich da entgegenbrüllt. Die applaudieren, johlen. Er brüllt einfach irgendwas weiter. Hauptsache laut. Verstehen kann das keiner mehr. Nicht weil der Beifall so kräftig wäre. Brüderle gibt sich dann einfach gar keine Mühe mehr, auch nur ein Wort noch halbwegs ordentlich zu artikulieren.

Brüderle ist jetzt Spitzenmann der FDP für den Bundestagswahlkampf. Er soll die Partei des Liberalismus zu einem Sieg führen am 22. September. Soll sie herausholen aus dem Jammertal der Umfragen. Vier Prozent - diese Marke lastet wie ein Granitfels auf der Partei.

Noch hat nichts geholfen. Nicht der Wechsel im Parteivorsitz von Guido Westerwelle zu Philipp Rösler. Nicht die Installation dieser merkwürdigen Doppelspitze aus Brüderle und Rösler.

Brüderle wähnt Sozialismus überall

Es wäre vielleicht ganz gut, wenn die FDP den Wählern etwas anzubieten hätte, etwas Eigenes. Rösler und Brüderle aber setzen darauf, sich als Steuererhöhungsverhinderungspartei zu profilieren. Immerhin: Rösler machte das in seiner Rede am Samstag noch halbwegs elegant. An diesem Sonntag aber betritt der Brachial-Rhetoriker der FDP die blau-gelbe Bühne in der Nürnberger Messehalle.

Hier mal eine kleine Kostprobe, wie er gedenkt, die Wähler zu überzeugen: Er spricht vom rot-grünen "Schuldensozialismus", vom "Zinssozialismus" in Europa, vom "Staatssozialismus" in Frankreich. Der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, sei ein "sozialistischer Zauberlehrling". Weil die saarländische CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer sich auch einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent vorstellen kann, regiere in dem kleinen Bundesland ein "schwarz lackierter Sozialismus". Die Grünen sind natürlich dem "Ökosozialismus" verfallen.

Es ist die Rhetorik eines kalten Kriegers, der, völlig aus der Zeit gefallen, plötzlich auf einer Parteitagsbühne im Jahr 2013 steht.

Was Brüderle den Delegierten anbietet sind Kalauer auf Fips-Asmussen-Niveau. CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen? "Das Röschen hat viele Dornen und tanzt der der Union auf der Nas' herum." Die Union? Die mache die FDP "immer besser. Wir sind das Upgrade der Unionsparteien!" Und nochmal zu Steinbrück: "Kanzlerkandidat der Schmerzen." Oder auch gerne "Der Peer tut weh." Was wohl ein Reim sein soll.

Ein "Meer von Fettnäpfchen" stünde zwischen Steinbrück und Altkanzler Helmut Schmidt. "Pleiten, Peer und Pannen" sei in Berlin eine stehende Redewendung. Kein Bild scheint schwach genug, als dass es Brüderle nicht in seine Rede einbauen könnte.

Das Verrückte ist: Die Delegierten schunkeln bierselig mit, völlig trunken vom klebrig-süßen Wein der Hoffnung, den Brüderle ihnen versucht einzuträufeln. Da kann das, was er da oben macht, noch so absurd erscheinen.

Keines ihrer Kernversprechen hat die FDP eingelöst

Grundgesetzänderungen, Vollbeschäftigung, alles natürlich kein Problem für eine Partei wie die FDP. "Wer wird's machen?", beginnt Brüderle. "Wir werden's machen!", so macht er es erst vor, dann stimmen alle mit ein. Bis alle ganz außer sich vor Glück, dass sie irgendetwas machen sollen.

Denn wirklich geklärt ist nicht, warum sich die FDP eigentlich für vier weitere Jahre in die Regierung wiederwählen lassen will. Keines ihrer Kernversprechen von 2009 konnte sie in den vergangenen Jahren einlösen. Keine erkennbaren Steuersenkungen, keine Steuererleichterungen, keine Mehrwertsteuerreform. Nada, niente, nichts.

Und doch schaut Brüderle nach hinten, erklärt die guten Arbeitsmarkdaten, den akzeptablen Zustand der Wirtschaft zum expliziten Erfolg der FDP und auch ein bisschen der CDU. Dabei ist die Wahrnehmung vieler Menschen ein völlig andere: Union und FDP haben ihre Chance gehabt, mit klaren Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat. Und haben es schlicht vermasselt. Wohlwollende mögen jetzt die Euro-Krise anführen, die doch ganz gut gemanagt werde von der Regierung.

Mag sein, aber die FDP profitiert nicht davon: Kanzleramt und Finanzministerium sind in CDU-Hand. Einzig Außenminister Guido Westerwelle hätte sich noch als Euro-Politiker profilieren können. Aber er hat nach seinem unfreiwilligen Abgang als Chef der Liberaten erst mal so gut wie gar nichts auf Parteiebene mehr gemacht. Stattdessen fiel die FDP mit Streit um den Euro-Kurs auf, der in einem Mitgliederentscheid gipfelte. Geholfen hat auch das der FDP nicht.

Zwei Drittel der Rede ist Eindreschen auf den Gegner

Brüderles Botschaft ist dennoch: Weiter so. Und nicht vom Kurs abweichen. Ohne erkennbar eigenes Angebot bleibt der FDP nur, auf den politischen Gegner einzuprügeln. Damit beschäftigt sich Brüderle in seiner Rede fast zwei Drittel der Zeit.

Die Grünen etwa lieferten mit ihrem Programm eine "Anleitung zum Unglücklichsein". Deren Spitzenkandidat Jürgen Trittin wolle der Mitte "die Gurgel aussaugen". Trittin sei der "Graf Dracula für die deutsche Mitte". Und das sei natürlich, wie gesagt, "ökosozialistische Spinnerei". Das Altherren-Niveau erreicht er spätestens mit diesen Sätzen: Was die Grünen wollten, dass "riecht nach Mittelalter! Ohne Wasserspülung!" Das lassen wir jetzt einfach mal so stehen.

Ganz gut zusammengefasst hat das Problem der FDP-Nachwuchspolitiker Oliver Olpen aus Osnabrück. Er hat das angebliche "Redemanuskript" von Brüderle aufgemalt und über seinen Twitter-Account @olpen verbreitet. Das Werk verdient einen Ehrenplatz in der Hall of Fame der wirrsten Grafiken der Welt. Von Gauck zur CDU zur SPD zum Sozialismus und den Grünen und wieder zurück, dann drei Mal ums Carrée, und dann auf Freiheit enden.

Die FDP hat gerade einfach nicht mehr zu sagen. Sie kann allein darauf hoffen, dass die Wähler die alte Funktionspartei FDP wiederentdecken, um eine große Koalition zu verhindern. Unter anderem diese vage Aussicht hat zuletzt in Nordrhein-Westfalen und Niedersachen die Liberalen wieder hochgespült. Für Schwarz-Gelb hat es dennoch nicht gereicht.

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