Brüderle-Rede auf FDP-Parteitag:Fehlprogrammierter Mittelstürmer

Rainer Brüderle macht ab sofort den Miro Klose der FDP. Doch auf dem Parteitag der Liberalen in Berlin präsentiert sich ein müder, abgekämpfter Stürmer, der nur selten seine Fähigkeiten durchblitzen lässt - und so redet, als stünden die Russen noch vor der Tür.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Es dauert eine Stunde und sechs Minuten bis Brüderle mal etwas lauter wird. Da hebt er seinen rechten Arm und lässt seinen Zeigefinger wie Gummi durch die Luft sausen, dass einem Angst und Bange wird um das wichtige Gliedmaß. Er regt sich über Gewerkschafter auf, die in Aufsichtsräten säßen und dort hohe Managergehälter abgsegneten. Und sich dann "vom Acker machen, wenn es heiß wird in den Diskussionen!"

Er brüllt das in den Saal hinein, als wolle er ganz Neukölln mit seiner Stimme beglücken. So kennt die Partei Brüderle. Wenn er redet, dann dampft es, dann kocht es, dann ist, naja, Stimmung in der Bude.

Brüderle kann zuspitzen wie nur wenig andere. Oft überdreht, oft unfair. Aber immer auch unterhaltsam. Weil er das kann, weil er ein Kämpfer ist, ist Brüderle jetzt Spitzenmann der FDP für die Bundestagswahl.

"Uns hat der Himmel geschickt."

An diesem Sonntag im Berliner Hotel Estrel aber ist alles ganz anders. Es präsentiert sich ein müder, abgekämpft wirkender Brüderle, der nur selten seine Fähigkeiten durchblitzen lässt.

Um so seltsamer wirkt, was Brüderle zu sagen hat. Da spricht er von der FDP, als "Fels in der Brandung", verspricht einen Wahlkampf, "dass der Baum brennt", nennt den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück eine "Fettnapf-Suchmaschine".

Breit widmet er sich den tatsächlichen und vermeintlichen Erfolgen der FDP in der Bundesregierung: Das deutsche Exportwunder sei auch "ein Erfolg unserer politischen Arbeit". Die FDP habe das Kindergeld, das Schonvermögen verdreifacht und 13 Milliarden Euro mehr in Bildung gesteckt. Und das ganz ohne den "Staatshaushalt aufzublähen".

Dass die massiven Steuermehreinnahmen das erst möglich gemacht haben, erwähnt er nicht. Merkels Wort, die FDP sei zuweilen eine Prüfung Gottes, verkehrt er ins Gegenteil. "Uns hat der Himmel geschickt."

Der Fips Asmussen der Liberalen

Die Rede plätschert vor sich hin. Hin und wieder Applaus, hin und wieder eine Spitze, die aber wegen Brüderles Zurückhaltung nicht trifft. Was ist in ihn gefahren? Manche glauben, er sei noch so getroffen von der Sexismus-Debatte, dass er noch nicht alles geben könne. Andere sagen, er habe nur seine seriöse und staatsmännische Seite zeigen wollen.

Zumindest letzteres erscheint fragwürdig. Zuweilen verfällt Brüderle in seine bekannte Terminologie des Kalten Krieges. Kämpft gegen Sozialisten, Marxisten, Maoisten und Kommunisten aller Art. Gegen Planwirtschaft und Gleichmacherei. Als wenn der Russe noch immer vor der Tür steht. Seriös geht wohl anders.

Der alte Dampfredner Brüderle vermochte damit bisher seinen Reden eine folkloristische Würze zu geben. Jetzt aber wirkt das alles, als würde Fips Asmussen nicht mal mehr über seine eigenen Witze lachen.

Manche Scherze verunglücken irgendwie

Müde schleppt Brüderle sich und die Delegierten durch seine Rede, spricht von "rot-grünen Verelendungstheoretikern" die Deutschland zum Kranken Mann in Europa gemacht hätten. Was zum zehnten Jahrestag der Agenda 2010 etwas seltsam klingt.

Seine Lösung für alle Krisen: "Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit." Dann ein paar Sätze zu Währungsstabilität, zur Homo-Ehe, zum NPD-Verbot, zu Europa und zu Mindestlöhnen, zur Rente. Nichts, was nicht jeder von ihm kennen würde, der seine Reden in den vergangenen Jahren verfolgt hat.

Manche Scherze verunglücken irgendwie: "Ich mache für die FDP die Sturmspitze wie Miro Klose", sagt er und redet danach davon, dass der jetzt in anderen Ländern aushelfe. Will Brüderle auswandern?

Erst in den letzten Minuten fängt er plötzlich nochmal aus dem Nichts heraus an, den Saal niederzubrüllen: "Wir überlassen diesen Fuzzis, diesen fehlprogrammierten Typen nicht unser Land!" Da war er wieder, der kalauernde Bierzeltrhetoriker Brüderle. Der, der einen Marktplatz in eine liberale Kampfarena verwandeln kann.

An diesem Tag seiner Kür zum Spitzenmann aber wirkte nur einer völlig fehlprogrammiert: Rainer Brüderle.

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