Bruderkrieg in Gaza:Mit aller Macht für Abbas

Israel muss nun endlich den angeschlagenen Palästinenserpräsidenten stärken, um der radikalen Hamas den Boden zu entziehen.

Thorsten Schmitz

Die unentschiedene Haltung von Palästinenserpräsident und Fatah-Chef Machmud Abbas in der Vergangenheit gegenüber der Hamas rächt sich jetzt.

Abbas

Palästinenserpräsident Abbas war stets gegen die Entwaffnung und Auflösung der Hamas.

(Foto: Foto: AP)

Die Hamas nimmt sich nun die Freiheit, die Abbas ihr gelassen hat und macht aus dem Gaza-Streifen einen Gottesstaat, ein Hamastan.

Stets hat Abbas eine Entwaffnung und die Auflösung der Hamas abgelehnt mit dem Argument, die Hamas müsse in das politische System eingebunden werden.

Genutzt hat diese wachsweiche Haltung nur der 1987 gegründeten Terrorgruppe selbst.

Im Schatten der Fatah-Herrschaft hat sich die Hamas in den vergangenen Jahren zu einer potenten Miliz nach dem Vorbild der libanesischen schiitischen Hisbollah entwickelt, mit ausreichend Waffen und einem generalstabsmäßigen Plan zur Übernahme des Gaza-Streifens.

Genutzt hat den Radikalen, dass der Fatah-Führer und Abbas-Statthalter Mohammed Dachlan wegen Krankheit seit Wochen schon nicht mehr in dem Gebiet ist und Gerüchten zufolge vorerst auch nicht mehr zurückkehren möchte. Die Fatah-Sicherheitsdienste sind führerlos und können sich nur noch ergeben.

Die Idee, eine internationale Friedenstruppe unter Führung der Vereinten Nationen in den Hexenkessel am östlichen Mittelmeer zu schicken, ist naheliegend. Es darf indes bezweifelt werden, dass sich Staaten finden lassen, die freiwillig Truppen in ein Gebiet entsenden wollen, dessen neue Herrscher jeden Nicht-Islamisten als Feind und potentielles Ziel betrachten.

Palästinenserpräsident Abbas kann zwar jetzt qua Amt die Koalitionsregierung mit der Hamas auflösen und Neuwahlen anstreben. Aber erstens würden die Islamisten dabei nicht mitspielen, weil die Gruppe sich als rechtmäßige Gewinnerin des Urnengangs vor anderthalb Jahren sieht.

Und zweitens ist nicht sicher, dass Fatah bei Neuwahlen die Mehrheit erhalten würde. Die nahe Zukunft in Nahost sieht düster aus. Bei näherer Betrachtung birgt die Spaltung der Palästinenser aber auch Chancen.

Eine Bedrohung für Israel

Zum einen sind die Fronten nun klar. Die Vorstellung, die Hamas und die Mitglieder der säkularen Fatah könnten in einer Koalitionsregierung gemeinsame Politik betreiben, hat sich als Illusion erwiesen.

Es kann keinen Schmusekurs zwischen der Hamas und der moderaten Fatah geben, dafür liegen die Gesellschaftskonzepte zu weit auseinander. Die Hamas will einen islamistischen Gottesstaat errichten, weshalb sie sich jetzt den Gaza-Streifen einverleibt hat.

Für Israel stellt der gesetzlose Islamistenstaat in dem Landstrich eine Bedrohung dar. Der Raketenbeschuss auf Israel, finanziert und materiell unterstützt durch Syrien und Iran, wird zunehmen. Israels Armee unter dem neuen Verteidigungsminister Ehud Barak, der Erfolg und Stärke vorweisen möchte, wird zurückbomben und gezielte Tötungen vornehmen. Mit der Hamas reden kommt für Israel nicht in Frage.

Im Westjordanland allerdings residiert und regiert Abbas, und seine Fatah besitzt die Mehrheit, auch weil durch die israelische Besatzung dort die Hamas nur im Untergrund agieren kann. In Abbas aber hätte Israel einen Ansprechpartner, um den Friedensprozess wiederzubeleben.

Regierungschef Ehud Olmert, der unter Erfolgsdruck steht, könnte Straßensperren abbauen, palästinensische Gefangene freilassen, eingefrorene Zollrückzahlungen nach Ramallah überweisen, kurz: Abbas stärken.

Olmert könnte auch seinen Plan aus der Schublade holen, bis 2010 einen Großteil der jüdischen Siedlungen im Westjordanland aufzulösen. Das wäre die nachhaltigste Rückenstärkung für den schwachen Abbas - und eine mächtige Demonstration der Vernunft. Den Palästinensern im Gaza-Streifen und ihren islamistischen Herrschern würde dies vor Augen führen, dass man durch Verhandlungen mit Israel mehr erreicht als durch Kurzstreckenraketen, Bruderkrieg und Putsch.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: