Süddeutsche Zeitung

Britischer Premier stellt Bedingungen:Cameron droht mit Nein zu neuem EU-Vertrag

Bedingungen für ein Ja zum neuen EU-Vertrag: Der britische Premier David Cameron will Änderungen an den Grundlagen der EU nur zustimmen, wenn Großbritannien Absicherungen erhält. Aber müssen die Verträge überhaupt angetastet werden? EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy bezweifelt das.

Der britische Premierminister David Cameron will einem neuen EU-Vertrag zur Stützung der Euro-Zone nur dann zustimmen, wenn dieser nicht mit den Interessen seines Landes kollidiert. Wenn die Länder der Euro-Zone die EU-Institutionen nutzen wollten, um den Euro zu retten, dann müssten sie im Gegenzug eine Reihe von Absicherungen für Großbritannien unterstützen, schrieb David Cameron in einem Gastbeitrag für die Londoner Zeitung The Times. Großbritannien ist nicht Mitglied des Euro-Währungsraumes.

"Das wichtigste britische Interesse derzeit ist es, das Problem in der Euro-Zone beizulegen, das einen abkühlenden Effekt auf unsere Wirtschaft hat", erklärte Cameron. Wenn die Länder der Euro-Zone gemeinsam vorgehen und dazu den EU-Vertrag nutzen wollten, dann werde er auf die Interessen und den Schutz seines Landes pochen. Wenn es einen gesonderten EU-Vertrag geben sollte, dann müsste es die nötigen Absicherungen für Großbritannien geben.

Der Konservative Cameron steht innerparteilich unter Druck: Viele Euroskeptiker in den Reihen der Tories sehen in der Änderung der EU-Verträge die Chance, Kompetenzen zurück nach London zu verlagern. Sie fordern von Cameron eine harte Haltung auf dem EU-Gipfel, der Ende der Woche in Brüssel stattfindet. Wie feindlich manche in der britischen Regierung der Gemeinschaftswährung gegenüberstehen, zeigte erst vor wenigen Wochen Camerons Parteifreund William Hague. Der Außenminister nannte den Euro "Wahnsinn".

Vor allem Deutschland dringt nun auf eine Reform des EU-Vertrages. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte erklärt, notfalls müssten die 17 Euro-Länder mit einer eigenen Vereinbarung vorangehen, wenn sich die Vertragsänderung mit allen 27 EU-Ländern nicht durchsetzen lassen sollte. Viele Euroskeptiker in Großbritannien favorisieren diese kleine Lösung, obwohl sie bedeutet, dass London künftig weniger Mitspracherecht hätte.

Beim EU-Krisengipfel will Deutschland erreichen, dass in den EU-Verträgen ein wesentlich stärkeres europäisches Durchgriffsrecht auf die nationalen Haushalte der Euro-Staaten und ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof gegen notorische Defizitsünder festgeschrieben werden.

Van Rompuy hält Vertragsänderung nicht für notwendig

Der Weg zu mehr Haushaltsdisziplin in der Euro-Zone ist allerdings umstritten. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hält die von Deutschland und Frankreich angestrebte Änderung der EU-Verträge offenbar für nicht unbedingt notwendig. Das geht aus einem Bericht Van Rompuys zur Vorbereitung des Gipfeltreffens hervor, aus dem mehrere Medien zitieren.

Als Möglichkeit wird in dem Bericht eine stärkere Selbstverpflichtung der Staaten zu ausgeglichenen Haushalten genannt. Machbar sei dies über eine Ergänzung des Protokolls Nummer zwölf des Lissabon-Vertrags, schreibt Van Rompuy. Es befasst sich mit Verfahren bei einem übermäßigen Defizit eines Schuldenstaates.

"Diese Entscheidung benötigt keine Ratifizierung auf nationaler Ebene", heißt es in dem Bericht. "Dieses Verfahren könnte somit zu schnellen und bedeutenden Änderungen führen." Es genüge ein einstimmiger Beschluss des Rates auf Vorschlag der EU-Kommission, das Europäische Parlament und die Europäische Zentralbank müssten konsultiert werden.

Der zweite Weg laufe auf eine Vertragsänderung hinaus, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy sie vorschlagen. Sie sprechen sich für automatische Sanktionen bei Überschreitung der Defizit-Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Dafür müsste Artikel 136 des EU-Vertrages geändert oder ergänzt werden. "Diese Prozedur wäre zeitaufwendiger und müsste von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden, aber dies würde grundlegendere Änderungen am Finanzrahmen erlauben", heißt es in dem Bericht.

Van Rompuys Papier, das er in Abstimmung mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker erstellt hat, bildet die Grundlage für die Debatten auf dem EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag. Mit Blick auf die Größe des geplanten dauerhaften Eurorettungsschirms ESM, der auf Ende nächsten Jahres vorgezogen werden soll, nennt Van Rompuy als Möglichkeit, die Begrenzung auf 500 Milliarden Euro aufzuheben.

Die Klausel mit dieser Grenze könne überprüft werden, schreibt der Gipfelchef. Gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Länder könnten "in langfristiger Perspektive" entwickelt werden.

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