Ab Mittwochmorgen geschah in den Büros der britischen Grünen Erstaunliches: Es gingen pausenlos Mitgliedsanträge ein, und am Donnerstagmittag konnte die Partei stolz verkünden, nun 43 829 Mitglieder zu haben - und damit einige mehr als die EU-feindliche UK Independence Party (Ukip). Mehr als 2000 Menschen waren innerhalb von 24 Stunden in die Partei eingetreten, um den Grünen ein entscheidendes Argument zu liefern: Da sie nun größer als die Ukip seien, fordern sie, an den Fernsehdebatten vor der Parlamentswahl im Mai teilnehmen zu dürfen.
Um die TV-Duelle ist ein massiver Streit zwischen den britischen Parteien entbrannt. Derzeit sind drei Gespräche geplant. In einem sollen die beiden Chefs der großen Parteien antreten, der konservative Premierminister David Cameron und sein Herausforderer Ed Miliband von der Labour-Partei. In einer weiteren Debatte soll Vize-Premier Nick Clegg von den Liberaldemokraten zu den beiden Männern stoßen. In einer dritten Runde soll schließlich Ukip-Chef Nigel Farage seine Standpunkte vortragen. Darauf hatten sich die Sender BBC, ITV, Sky News und Channel 4 in langen Verhandlungen im Oktober geeinigt.
Cameron will nur, wenn die Grünen auch mitmachen
Nun hat Premierminister Cameron den Sendern einen Strich durch die Rechnung gemacht, indem er sagte, wenn die Grünen nicht teilnehmen dürften, werde er nicht erscheinen. Er sei überdies für zwei Debatten. In einer wolle er mit Ed Miliband diskutieren, weil nur einer dieser beiden Männer im Mai Premierminister werden könne. An einer zweiten Debatte sollten alle größeren Parteien teilnehmen dürfen, also auch die Grünen.
Allerdings hat in der vergangenen Woche die Medienaufsichtsbehörde Ofcom beschlossen, dass die Grünen mit lediglich einer Abgeordneten im Parlament keine große Partei seien. Die Ukip habe zwar auch nur zwei Abgeordnete, sei aber bei der Europawahl im vergangenen Jahr stärkste Kraft gewesen. Daher sei die Zusammensetzung der Debatten angemessen.
Die übrigen Parteichefs werfen Cameron vor, er wolle sich vor den Diskussionen drücken. Ed Miliband sprach von einer "jämmerlichen Ausrede". Nick Clegg sagte am Donnerstag belustigt, Camerons Haltung sei "ein bisschen lächerlich". Miliband, Clegg und Farage haben drei gleichlautende Briefe verfasst, in denen sie den Premier zur Teilnahme auffordern. Andernfalls, so ihre Forderung, sollten die Debatten trotzdem stattfinden. Die Abwesenheit des Premiers solle durch ein leeres Pult symbolisiert werden. Das wiederum würde allerdings zu der absurden Situation führen, dass in einer der Debatten Labour-Chef Ed Miliband mit sich selbst diskutieren müsste.
Sender schließen Duelle ohne britischen Premier nicht aus
Die Grünen sind sehr ausnahmsweise vollkommen einer Meinung mit dem Premier. Sie verweisen zudem darauf, dass sie in jüngsten Umfragen besser abschneiden als die Liberaldemokraten. Einerseits ließe sich das Problem recht schnell lösen, indem die Sender die Grünen einfach zu einer der Debatten zulassen. Andererseits würde das zu Ärger mit den regionalen Parteien führen. Die Scottish National Party hat doppelt so viele Mitglieder wie die Grünen und stellt immerhin sechs Abgeordnete in Westminster. Die walisische Plaid Cymru hat drei Abgeordnete. Beide argumentieren: Wenn die Grünen mitmachen dürfen, wollen wir auch dabei sein.
In den Sendern laufen jetzt die Krisengespräche. Es wird ausdrücklich nicht ausgeschlossen, dass es Debattenformate geben könnte, an denen der Premierminister nicht teilnimmt.
Erst seit dem letzten Wahlkampf im Jahr 2010 gibt es in Großbritannien TV-Debatten. Zuvor hatten die jeweiligen Amtsinhaber entsprechende Herausforderungen stets abgelehnt. 2010 diskutierten der damalige Premier Gordon Brown, Cameron und Clegg drei Mal jeweils 90 Minuten lang. Clegg war damals überraschend als Sieger aus den Gesprächen hervorgegangen, was den Liberaldemokraten so große Gewinne bescherte, dass sie als Juniorpartner in eine Koalitionsregierung eintreten konnten.