Britischer Abhörskandal:Brian Leveson - ein Mann gegen die Revolverblätter

Der Jurist Sir Brian Leveson wird die Ermittlungen um den Abhörskandal bei der eingestellten Zeitung "News of the World" leiten. Der Mann mit dem Titel "Lord Justice" hat nun das Privileg, Politiker und Polizisten unter Eid zu befragen. Dabei begann Levesons juristische Karriere gar nicht rühmlich, sondern mit viel Häme.

Christian Zaschke, London

Den erstaunlichsten Kommentar über den Mann, der für Aufklärung sorgen soll, hielt der Daily Telegraph bereit. "Lord Justice Who?", fragte eine politische Kolumnistin, als wäre der 62 Jahre alte Lord Justice Leveson ein Mann, von dem noch nie jemand etwas gehört hat. Den Mitgliedern des britischen Unterhauses dürfte der Name jedoch ein Begriff gewesen sein, als Premier David Cameron am Mittwoch verkündete, dass nämlich Lord Justice Leveson die Untersuchung des phonehacking scandal, des Abhörskandals, leiten werde.

Britischer Abhörskandal: Der oberste Ermittler in der Affäre um die eingestellte Zeitung News of the World: Lord Justice Leveson.

Der oberste Ermittler in der Affäre um die eingestellte Zeitung News of the World: Lord Justice Leveson.

(Foto: AP)

Sir Brian Leveson hat das Recht, im Zuge seiner Ermittlungen Zeitungsleute, Polizisten und Politiker unter Eid aussagen zu lassen. Die Untersuchung der Affäre, in der Journalisten der jüngst eingestellten Zeitung News of the World Tausende Telefone von Privatleuten abgehört sowie Polizisten bestochen haben, soll ein Jahr dauern.

Brian Leveson ist in Großbritannien alles andere als ein Unbekannter. Eine größere Öffentlichkeit wurde erstmals 1989 auf Leveson aufmerksam, als der damalige Staatsanwalt die undankbare Aufgabe hatte, den im ganzen Land bekannten und beliebten Komiker Ken Dodd wegen Steuerhinterziehung anzuklagen. Drei Wochen dauerte das Verfahren, dann wurde Dodd freigesprochen, und Leveson musste sich einige hämische Kommentare gefallen lassen.

Über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde er 1995. Damals klagte er die Serienmörderin Rosemary West an. Die Geschichte wurde weltweit verfolgt, da West mit ihrem Mann Frederick mindestens zehn Menschen ermordet und verscharrt hatte. Frederick erhängte sich, Rosemary wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

"Wer bewacht die Wächter?"

Als Richter saß Leveson unter anderem dem Verfahren gegen Toby Studebaker vor, den US Marine, der 2003 ein zwölf Jahre altes englisches Mädchen entführt hatte, um es sexuell zu missbrauchen. Studebaker wurde damals in Frankfurt am Main gefasst.

Nun ist es Levesons Aufgabe, die "Kultur, Praktiken und die Ethik der Presse" zu untersuchen. In einem Statement teilte er mit: "Die Presse stellt die Kontrolle aller Aspekte des öffentlichen Lebens sicher. Deshalb betrifft eine Fehlfunktion in den Medien uns alle. Im Herzen dieser Untersuchung steht deshalb eine einfache Frage: Wer bewacht die Wächter?"

Leveson soll sich mit der Beziehung von nationalen Zeitungen und Politikern ebenso beschäftigen wie mit der Beziehung von Polizei und Presse. Zudem soll er klären, inwieweit derzeit geltende Richtlinien ausreichen. Bei dieser Arbeit werden ihm Experten helfen. Die Aufgabe ist groß, sie wird noch größer dadurch, dass Leveson und sein Team nebenbei Grundsätzliches leisten sollen: nämlich Empfehlungen erarbeiten für ein Regelwerk, "das die Integrität und Freiheit der Presse unterstützt, ebenso die Vielfalt der Medien und ihre Unabhängigkeit von der Regierung, und das zugleich die höchsten ethischen und beruflichen Standards fordert".

Lord Justice Leveson hat einen der schwierigsten Jobs übernommen, die in Großbritannien derzeit zu vergeben sind. Wenn er ihn meistert, wenn er also die Affäre umfassend aufklärt und daraus Lehren für die Zukunft ableiten kann, wird er nicht nur wirklich im ganzen Land bekannt sein - dieses Land wird ihm auch danken dafür.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: