Britische Medien:"Die EU ist obskur und verknöchert"

Britische Medien: Bloß raus aus Europa: Brexit-Befürworter Nigel Farage

Bloß raus aus Europa: Brexit-Befürworter Nigel Farage

(Foto: AP)

Kann Cameron nun die Wähler überzeugen? Die britischen Medien reagieren meist skeptisch auf den Deal.

Für die Befürworter eines Brexit stand gleich fest, was der britsche Premier David Cameron beim EU-Gipfel in Belgien erreicht hat: gar nichts. "Ein wahrhaft armseliger Deal", erklärte Nigel Farage, Chef der anti-europäischen United Kingdom Independent Party (UKIP). "Lasst uns die EU verlassen, die Grenzen kontrollieren, unser eigenes Land führen und aufhören, jeden Tag 55 Millionen Pfund nach Brüssel zu überweisen."

Die konfliktfreudige britische Presse reagierte differenzierter auf die Beschlüsse des Europäischen Rats in Brüssel. Die Einigung soll es Großbritannien im Vorfeld eines Referendums schmackhaft machen, Teil der EU zu bleiben. Einige Medien loben den persönlichen Einsatz Camerons, andere sehen sich hauptsächlich in ihren bisherigen Urteilen über die EU bestätigt. Konsens besteht nur in einem Punkt: Jetzt sei das britische Volk gefragt, über die weitere Mitgliedschaft zu entscheiden.

The Guardian

Rund die Hälfte aller Bürger in Großbritannien sei unentschlossen, ob ihr Land in der EU bleiben solle oder nicht, stellt der links-liberale Guardian fest. "Das sind die Wähler, auf die Herrn Camerons mitternächtliches Gezänk abzielte. Diese Wähler tun gut daran, sich den Deal von Freitagnacht genau anzusehen und die Entschlüsse auf ihre Praxistauglichkeit hin abzuwägen." So könnten sie am besten beurteilen, ob die Ergebnisse für ein Europa stehen, in dem sie einen Platz für sich sehen.

Die Beschlüsse machten einen Unterschied, betont der Guardian: "Sie nehmen das Königreich von jedem politischen Druck hin zu einer 'immer engeren Union' aus. Das mag größtenteils symbolisch erscheinen, aber es kommt nicht zuletzt im europäischen Recht auf Symbole an. Eine Nation, die mit Recht niemals wollte, dass sie in einem europäischen Superstaat aufgeht, kann mit diesem Punkt nun leichter fertigwerden." Das Gesamtpaket, das Cameron heimgebracht habe, müsse man sehr ernst nehmen, findet die Zeitung.

Daily Mail

"All der verloren gegangene Schlaf, und wofür?" fragt hingegen die Daily Mail. "Wenn man einen Augenöffner braucht, warum die EU nicht funktioniert, muss man nur das Marathon-Affentheater ansehen, das sich diese Woche in Brüssel ereignete." Man habe eine Institution beobachten können, die "unfähig zur Reform" sei, meint das euroskeptische Blatt. "28 ungleiche Nationen, jeder mit ihrer eigenen Agenda, die sich über Klauseln und Unterklauseln in den Haaren liegen, die so kleinlich sind, dass sie ehrlich gesagt wenig oder gar nichts bedeuten".

Mit der Leistung von Premier David Cameron ist die Zeitung unzufrieden: Cameron habe seine Kampfansagen gegen die Bürokratie oder für die Rückkehr zu Grenzkontrollen nicht einlösen können und es versäumt, den Europäischen Gerichtshof in die Schranken zu weisen. "Er sollte den Wählern offen und ehrlich sagen, dass er dabei gescheitert ist, einen würdigen Deal zu erreichen."

The Times

"Ein Europa des 'Leben und leben lassen' hat Herr Cameron mitsamt einem Referendum versprochen", schreibt die Times. "Sein und Großbritanniens Problem ist, dass er das nicht geliefert hat." Stattdessen habe er einen "dünnen Haferbrei" aus Brüssel heimgebracht und sich an ein Europa gekettet, "dessen östliche Mitglieder entschlossen bleiben, zu günstigen Konditionen den Zugang zum britischen Arbeitsmarkt zu erhalten, und in dem Frankreich die Dominanz der City (des Finanzzentrums London, Anmerkung d. Red.) verabscheut und brechen will."

The Telegraph

"Die EU ist obskur und verknöchert", findet der Telegraph, und der EU-Gipfel habe das erneut unter Beweis gestellt. Die EU "kann sich nicht an veränderte Gegebenheiten anpassen oder die Herausforderungen politischer Krisen meistern. Jetzt haben die britischen Wähler die Chance, ihr Urteil nicht nur über diesen Deal, sondern über das gesamte europäische Projekt zu fällen." Großbritannien habe nun endlich die Gelegenheit, "sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen", schreibt der Telegraph. Man müsse Cameron zumindest zugestehen, dass er dies ermöglicht habe.

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