Süddeutsche Zeitung

Britische Geisel David Haines:UN-Sicherheitsrat verurteilt Hinrichtung durch IS

Die Enthauptung einer weiteren Geisel durch die IS-Dschihadisten löst weltweit Entsetzen aus. Bei dem Opfer soll es sich um den britischen Entwicklungshelfer David Haines handeln. Der UN-Sicherheitsrat spricht von einem "abscheulichen und feigen Mord".

  • Der UN-Sicherheitsrat hat die Hinrichtung einer westlichen Geisel durch die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) verurteilt. Im Internet war ein Video aufgetaucht, das die Enthauptung des britischen Entwicklungshelfers David Haines durch die IS zeigen soll.
  • Der britische Premierminister David Cameron verurteilt den Mord und kündigt an, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

UN-Sicherheitsrat verurteilt Hinrichtung

Der UN-Sicherheitsrat hat die Hinrichtung des britischen Entwicklungshelfers David Haines durch die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) als "abscheulichen und feigen Mord" bezeichnet. Das Verbrechen zeige "auf tragische Weise die erhöhte Gefahr", der sich Entwicklungshelfer in Syrien jeden Tag aussetzten, hieß es in einer Erklärung, die einstimmig von alles 15 Mitgliedern des Sicherheitsrats verabschiedet wurde. Der Sicherheitsrat rief zugleich zu mehr Respekt gegenüber Entwicklungshelfern in Krisengebieten auf und betonte erneut, dass der IS bekämpft werden müsse. Die Tat löste international Entsetzen aus. Haines ist das dritte westliche Hinrichtungsopfer des IS in wenigen Wochen.

IS-Video zeigt weitere Enthauptung

Die Extremistenorganisation "Islamischer Staat" (IS) hatte ein Video veröffentlicht, auf dem die Enthauptung des 44-Jährigen zu sehen sein soll. David Haines sei als Vergeltung für die britische Beteiligung an der US-geführten Koalition gegen den IS getötet worden, hieß es in der am Samstagabend veröffentlichten Aufnahme. Das Video ist nach Angaben des britischen Außenministeriums wohl echt. "Alle Zeichen deuten darauf hin, dass es authentisch ist", teilte das Ministerium in London mit.

Haines war nach Angaben seiner Familie im März 2013 in Syrien verschleppt worden. Er arbeitete für die französische Hilfsorganisation Acted. Zuvor waren bereits die beiden US-Journalisten James Foley und Steven Sotloff vor laufender Kamera hingerichtet worden.

Das nun veröffentlichte Hinrichtungsvideo ähnelt den beiden früheren Aufnahmen. "Dieser britische Mann muss den Preis bezahlen für Ihre Ankündigung, Cameron, die Peschmerga gegen den Islamischen Staat zu bewaffnen", sagt ein hinter Haines stehender, in Schwarz gekleideter, maskierter Mann mit britischem Akzent. Der aus Schottland stammende Entwicklungshelfer, der auch Vater zweier Kinder ist, kniet auf dem Boden und trägt einen orangefarbenen Overall.

Kurz vor seiner Ermordung wendet sich Haines nach Angaben der Terror-Expertenplattform Site direkt an den britischen Premierminister Cameron. "Sie sind freiwillig in eine Koalition mit den Vereinigten Staaten gegen den Islamischen Staat eingetreten, genau wie es Ihr Vorgänger Tony Blair getan hat, einem Trend unter unseren britischen Premierministern folgend, die nicht den Mut finden können, nein zu den Amerikanern zu sagen", soll Haines sagen.

Am Ende des Videos wird eine weitere britische Geisel gezeigt. Auch dieser Mann werde getötet, wenn Cameron den Kampf gegen den IS weiter unterstützen sollte, droht der maskierte Täter.

Premierminister David Cameron will Täter zur Rechenschaft ziehen

Der britische Premierminister David Cameron verurteilte die Ermordung und kündigte an, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen: "Dies ist ein verabscheuungswürdiger und entsetzlicher Mord an einem unschuldigen Entwicklungshelfer." Seine Gedanken seien bei der Familie von Haines, die trotz monatelanger Tortur großen Mut und Stärke bewiesen habe. In einem Beitrag auf Twitter erklärt Cameron, die Ermordung sei ein "Akt des absolut Bösen".

"Wir werden jeden notwendigen Schritt unternehmen", sagte Cameron am Sonntag in London nach der Sitzung seines Sicherheitskabinetts. "Wir werden die Verantwortlichen jagen und zur Verantwortung ziehen, egal, wie lange es dauert." Er machte jedoch keine Aussage darüber, ob sich Großbritannien an Luftschlägen der USA gegen den IS beteiligen wird.

Im Gegensatz zu anderen EU-Ländern lehnt die britische Regierung bei Geiselnahmen die Zahlung eines Lösegeld kategorisch ab, um nicht eine Motivation für weitere Entführungen zu geben (mehr über das damit verbundene moralische Dilemma in diesem SZ-Kommentar). Recherchen der New York Times haben ergeben, dass al-Qaida und andere dem Terrornetzwerk nahestehende Gruppen zwischen 2008 und 2013 mindestens 125 Millionen Dollar durch Lösegeld-Zahlungen eingenommen haben.

Familie des Opfers: "Er wird schrecklich vermisst werden"

Die Familie des Opfers erklärte in der Nacht in einer vom britischen Außenministerium verbreiten Stellungnahme: "Er wurde und wird von seiner ganzen Familie geliebt und wird schrecklich vermisst werden." Mike Haines sagte, sein Bruder sei "kaltblütig" ermordet worden. "Sein Glück und seine Vorfreude auf die Arbeit, die er in Syrien leisten wollte, sind für mich und meine Familie die wichtigsten Elemente in dieser ganzen traurigen Angelegenheit."

Wenige Tage vor der Ermordung hatte die Familie von Haines über das britische Außenministerium eine kurze Botschaft an die Entführer des 44-Jährigen gerichtet und die Dschihadisten aufgefordert, sie zu kontaktieren. Haines war 2013 in der Nähe eines Flüchtlingslagers im syrischen Atmeh entführt worden. Der zweifache Vater hatte die Auslieferung von Hilfsgütern für Menschen in dem Lager koordinieren sollen.

Merkel und Steinmeier verurteilen die Tat

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Tötung Haines' als menschenverachtende Tat von Terroristen bezeichnet, über die sie entsetzt sei. Solch ein Vorgehen sei durch nichts zu rechtfertigen und müsse geahndet werden, schrieb die Kanzlerin an den britischen Premierminister David Cameron. Zugleich sprach sie ihm ihre Anteilnahme aus und bat den Premier, ihr Mitgefühl auch an die Familie des Getöteten auszurichten, die unendliches Leid ertragen müsse.

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einem abscheulichen Akt barbarischer Gewalt jenseits aller Grenzen menschlicher Zivilisation. Die Veröffentlichung und Verbreitung der Aufnahmen der Tötung im Internet sei ein weiterer inakzeptabler Tabubruch. Die internationale Gemeinschaft müsse sich dieser Bedrohung für den Irak, die ganze Region und auch uns entschlossen entgegenstellen.

US-Präsident Obama erklärt Großbritannien Solidarität

"Wir werden alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um diese Mörder zur Strecke zu bringen und sicherzustellen, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt - wie lange es auch dauern möge", sagte Cameron. Obama erklärte, die USA stünden Seite an Seite mit Großbritannien und seien entschlossen, die Täter dieses "abscheulichen Verbrechens" zur Rechenschaft zu ziehen. Dazu hätten die USA eine breite Koalition an Partnern geschmiedet, um "diese Bedrohung für unsere Länder, die Region und die Welt zu zerstören".

Nach der Ermordung der beiden US-Journalisten Foley und Sotloff hatte Obama sich für eine Kehrtwende in seiner Syrien-Politik entschieden und Luftangriffe auf Stellungen der Islamisten auch auf syrischem Boden angekündigt. Zudem rief er eine internationale Koalition zur Bekämpfung der IS-Miliz aus, an der sich neben Großbritannien auch Deutschland beteiligt.

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