Briten in Afghanistan:Den Kampf an der Heimatfront verloren

Mittlerweile sind in Afghanistan mehr britische Soldaten gefallen als im Irak. Premier Brown kommt immer mehr in Zugzwang.

Andreas Oldag, London

In Afghanistan sind mittlerweile mehr Soldaten aus Großbritannien ums Leben gekommen als im Irak. So stieg die Zahl der gefallenen Soldaten seit Beginn des Einsatzes vor fast acht Jahren auf 184. Allein in der vergangenen Woche haben innerhalb von nur 24 Stunden acht britische Soldaten ihr Leben in Afghanistan verloren. Die meisten von ihnen waren in der umkämpften Provinz Helmand in Hinterhalte geraten. Beim sechs Jahre langen Irak-Einsatz waren 179 Soldaten gestorben.

Briten in Afghanistan: Acht Jahr Kampf gegen die Taliban: Britische Soldaten in Afghanistan (Archivaufnahme aus dem Jahr 2007)

Acht Jahr Kampf gegen die Taliban: Britische Soldaten in Afghanistan (Archivaufnahme aus dem Jahr 2007)

(Foto: Foto: dpa)

Premierminister Gordon Brown sprach von einem "sehr harten Sommer", der den britischen Streitkräften im Kampf gegen die afghanischen Taliban bevorstehe. Dennoch will die Regierung an dem Einsatz festhalten. Es gehe darum, ein Erstarken der Terrorgruppe al-Qaida zu verhindern, hieß es in London. Die Briten sind mit etwa 9000 Mann im gefährlichen Süden des Landes im Einsatz.

Aber die Labour-Regierung von Premier Brown gerät innenpolitisch zunehmend unter Druck. Es sei "ein Skandal", dass dem Militär nicht genug Mittel zur Verfügung gestellt würden, kritisierte der konservative Oppositionschef David Cameron. Der Kampf gegen die Taliban solle entweder "ganz oder gar nicht" geführt werden, erklärten auch die Liberaldemokraten im Unterhaus. Rückendeckung bekommt die Opposition aus höheren Kreisen des britischen Militärs. Nach Medienberichten habe Generalstabschef Sir Richard Danatt in Gesprächen mit den konservativen Tories deutlich gemacht, dass 2000 zusätzlich Soldaten nach Afghanistan geschickt werden müssten.

Nach Meinung von Militär-Experten fehlen zudem insbesondere Hubschrauber, um die Streitkräfte sicherer zu transportieren. Bei Märschen über Land oder bei Autofahrten geraten Soldaten immer wieder in Sprengstoff-Fallen der gegnerischen Taliban. Fachleute im britischen Geheimdienst weisen zudem darauf hin, dass die Kriegsführung der Taliban immer professioneller werde. Während die radikalen Islamisten die Nato-Truppen zu Beginn der Kämpfe noch unkoordiniert angegriffen hätten, nähmen sie neuerdings gezielt Transportfahrzeuge oder auch Kommunikationsanlagen unter Feuer. Die Truppen der westlichen Allianz hätten erhebliche Probleme, ihre dünnbesetzten Außenpositionen angesichts von "ständigen Nadelstichen" der Taliban zu halten.

Für diesen Montag kündigten Kriegsgegner eine Demonstration in London an. Sie halten den Kampf für einen "Albtraum für Großbritannien" und wollen den Abzug der Truppen. Die Regierung habe die Schlacht "an der Heimatfront" verloren, kritisierte die britische Presse am Wochenende einstimmig. Sie habe es verpasst, den Menschen den Einsatz zu erklären und dem Militär die nötige finanzielle Unterstützung zuzusagen.

Nur auf den amerikanischen Präsidenten Barack Obama kann Brown derzeit noch bauen: "Großbritannien hat eine außerordentliche Rolle gespielt. Wir können weder Afghanistan noch Pakistan erlauben, ein Rückzugsgebiet für al-Qaida zu sein", erklärte Obama in einem Interview mit dem britischen Fernsehsender Sky News. Schließlich habe das Terrornetzwerk sowohl in New York als auch in London Anschläge verübt.

Der britische Premier Brown bezeichnete den Einsatz in Afghanistan als "patriotische Pflicht". Wenn er nicht geführt werde, käme der Terror zurück "auf die Straßen Großbritanniens". Doch der Öffentlichkeit ist der Einsatz, der ursprünglich mehr Unterstützung hatte als der im Irak, immer schlechter zu vermitteln - da hilft es auch wenig, dass Obama seinem britischen Partner Brown zur Seite sprang.

Am Sonntag machten Spekulationen die Runde, Brown erwäge, die Truppen in Afghanistan um bis zu 2000 Mann aufzustocken, zumal die Truppen aus dem Irak abgezogen wurden. Doch bislang schickte die Regierung nur einige hundert Soldaten mehr für die anstehenden Wahlen nach Afghanistan.

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