Union:CDU und CSU streiten offen über Wahlrechtsreform

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(Foto: dpa)

Die Zeit für eine Wahlrechtsreform wird immer knapper. Nun schlägt Unionsfraktionschef Brinkhaus einen Kompromiss vor. Doch die CSU reagiert sofort.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus ist mit einem Kompromissvorschlag für eine Wahlrechtsreform auf deutliche Ablehnung in den eigenen Reihen gestoßen. Sein Modell einer Begrenzung auf 750 Mandate sei verfassungswidrig, erklärten der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU, Stefan Müller, und der CDU-Abgeordnete Axel Fischer.

Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) warnte vor einem Scheitern der Wahlrechtsreform, die ein weiteres Anwachsen des Bundestags verhindern soll. "Es wäre ein fatales Signal für unsere Demokratie und das Parlament, wenn eine Einigung nicht gelänge - wonach es leider derzeit aussieht", sagte Kubicki.

Die Fraktionen im Bundestag hatten sich bereits in der vergangenen Wahlperiode nicht auf eine Wahlrechtsreform einigen können. Die Folge war, dass das Parlament bei der Wahl 2017 mit 709 Abgeordneten so groß wurde wie nie zuvor. Für die kommende Bundestagswahl 2021 wird ein weiteres Anwachsen auf möglicherweise mehr als 800 Abgeordnete befürchtet, wenn das Wahlrecht zuvor nicht geändert wird.

Einen konkreten Gesetzentwurf gibt es bislang nur von FDP, Grünen und Linken. Wegen der darin vorgesehenen Reduzierung der Zahl der Wahlkreise lehnt besonders die CSU diesen Vorstoß kategorisch ab. Die drei Oppositionsfraktionen bestehen aber darauf, dass der Bundestag darüber am kommenden Freitag, dem letzten Sitzungstag vor der Sommerpause, abschließend berät und abstimmt.

Der Vorschlag von Brinkhaus sieht ab einer Zahl von 750 Abgeordneten eine Kappung vor. Danach soll im Wechsel jeweils ein Überhangmandat nicht durch Ausgleichsmandate kompensiert und ein Direktmandat gestrichen werden, falls die Zahl der Abgeordneten höher ansteigen sollte. Die Direktmandate sollen in den Wahlkreisen mit den schwächsten Erststimmergebnissen nicht zugeteilt werden. Das hätte - gemessen an den Wahlumfragen vom Dezember/Januar - zur Folge, dass die CSU keines ihrer Direktmandate verlieren würde, hieß es.

Gleichwohl reagierte die CSU ablehnend: "Der Vorschlag ist mit uns nicht abgesprochen", sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Müller. Eine Wahlrechtsreform entspreche zwar den Ideen seiner Partei. "Einen Vorschlag allerdings, der Gewinnern von Wahlkreisen den Einzug in den Deutschen Bundestag verweigert, halten wir für verfassungswidrig."

Ähnlich argumentierte der CDU-Abgeordnete Fischer: "Der Vorschlag mit einer Kappung von Wahlkreisen ist verfassungswidrig und damit inakzeptabel." Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, begrüßte zwar die vorgesehen Deckelung der Mandate als "geeignete Grundlage für einen Kompromiss". "Allerdings sollte die Obergrenze, ab der Mandate nicht mehr zugeteilt werden, nicht über der derzeitigen Bundestagsgröße liegen."

"Dies ist alles in allem enttäuschend"

Die SPD hatte selbst eine Begrenzung bei 690 Mandaten vorgeschlagen. Ein solcher "Notfallmechanismus" für die nächste Bundestagswahl komme mit kleinen rechtlichen Änderungen aus und könne nach einer politischen Einigung in der kommenden Woche auch noch Anfang September gesetzlich verankert werden, sagte Schneider.

Dagegen hält Bundestags-Vizepräsident Kubicki eine Einigung noch vor der Sommerpause für erforderlich: "Gelingt dies nicht in dieser Sitzungswoche, wird das nichts mehr zur kommenden Bundestagswahl", sagte er. "Schon jetzt ist der Zeitplan für alles, was daran hängt, also der Zuschnitt der Wahlkreise, die Kandidatenaufstellung und so weiter eine riesige Zumutung."

Kubicki, der auch stellvertretender FDP-Vorsitzender ist, wies darauf hin, dass es für die von den Fraktionen der FDP, Linken und Grünen vorgeschlagene Lösung sogar eine rechnerische Mehrheit im Parlament geben würde. Allerdings seien die Sozialdemokraten in dieser Frage an ihren Koalitionspartner CDU/CSU gekettet. "Dies ist alles in allem enttäuschend. Denn hier geht es schlicht nicht um eine politische Richtungsfrage, sondern um die Arbeitsfähigkeit des höchsten deutschen Parlaments." Kubicki antwortete auf die Frage, ob für die Abstimmung über den FDP/Grünen/Linke-Gesetzentwurf der Fraktionszwang aufgehoben werden sollte: "Definitiv ja. Dann kann sich die beste Lösung am Ende durchsetzen."

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