Verkleinerung des Bundestags:Brinkhaus' Vorstoß ist untauglich

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Für seinen Vorschlag zur Reform des Wahlrechts bekommt Unionsfraktionschef Brinkhaus Kritik von vielen Seiten. (Foto: imago images/Christian Spicker)

Mit seinem Vorschlag zur Änderung des Wahlrechts verlangt der Unionsfraktionschef dem eigenen Lager einiges ab. Das ist gut. Doch das eigentliche Ziel der Reformbestrebungen hat er aufgegeben.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Wer in einem Streit vermitteln will, gerät schnell zwischen die Fronten. Das hat an diesem Wochenende Ralph Brinkhaus erleben müssen. Seit einem halben Jahrzehnt wird über eine Verkleinerung des Bundestags debattiert. Die Normgröße des Parlaments liegt bei 598 Abgeordneten, derzeit gibt es aber 709 - und nach der nächsten Wahl könnten es sogar mehr als 800 sein. Trotz des offenkundigen Problems haben sich die Koalitionsfraktionen immer noch nicht auf eine Reform des Wahlrechts verständigen können.

Dieses Unvermögen schadet der Akzeptanz des Parlaments, die meisten Bürger empfinden die zusätzlichen Mandate als Selbstbedienung der Parteien. Brinkhaus treibt das schon länger um. Im Januar hat der Unionsfraktionschef auf einer CDU-Klausur von seiner Partei mehr Kompromissbereitschaft verlangt. Und am Wochenende präsentierte er nun einen Vorschlag, der auch dem eigenen Lager einiges abverlangt. Das ist prinzipiell zu begrüßen. Doch leider ist der Vorschlag unzureichend.

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Im Kern geht es wieder einmal um die Überhangmandate. Die entstehen, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach dem Zweitstimmen-Ergebnis Sitze zustehen. Seit 2013 werden Überhangmandate für eine Partei durch Ausgleichsmandate für die anderen Parteien kompensiert. Dadurch wächst der Bundestag, theoretisch unbegrenzt.

Brinkhaus will vermitteln. Aber der Preis ist zu hoch

SPD und CSU plädieren deshalb für eine Obergrenze von 690 Mandaten. Um diese auch einhalten zu können, will die CSU, dass künftig nicht mehr alle Überhangmandate ausgeglichen werden müssen. Davon würde vor allem die CSU profitieren, deren Bundestagsabgeordnete alle direkt gewählt worden sind. Die SPD möchte die 690-Mandate-Grenze dagegen dadurch einhalten, dass nicht mehr alle Überhangmandate zugeteilt werden müssen. Das heißt, dass nicht mehr automatisch jeder Wahlkreissieger ein Mandat bekommt - die Sieger mit den schwächsten Ergebnissen gingen leer aus. Dadurch würde es weniger Überhang- und damit auch weniger Ausgleichsmandate geben - der Bundestag würde ebenfalls kleiner. Und die Sitzverteilung entsprechend dem Zweitstimmenergebnis bliebe, anders als im CSU-Modell, gewahrt.

Zwischen CSU und SPD gibt es bisher keinerlei Signale der Verständigung. Im Gegenteil: Die beiden Parteien halten das Modell der jeweils anderen Seite sogar für verfassungswidrig. Um diese Blockade zu lösen, hat Brinkhaus nun einfach beide Modelle kombiniert. Um die Größe des Bundestags zu beschränken, soll von einer bestimmten Grenze an abwechselnd ein Überhangmandat ohne Ausgleich bleiben und ein Überhangmandat nicht zugeteilt werden. Warum Brinkhaus glaubt, dass die Kombination von zwei angeblich verfassungswidrigen Vorschlägen auf einmal verfassungsgemäß sein soll, dazu sagt er allerdings nichts.

Die Bundestagsabgeordneten der CSU und mehrere CDU-Abgeordnete haben den Vorschlag ihres gemeinsamen Fraktionschefs sofort heftig kritisiert. Auch aus der SPD gab es keine begeisterten Reaktionen. Und das ist auch richtig so - allerdings aus einem anderen Grund. Denn Brinkhaus schlägt, um einen Kompromiss zwischen den Fraktionen zu erleichtern, eine Obergrenze von 750 Abgeordneten vor. Damit hat er aber das eigentliche Ziel der Reformbestrebungen aufgegeben: die Verkleinerung des Bundestags.

© SZ vom 29.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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