Brics-Gipfel:Test trübt Feierlaune

Aktuelles Lexikon: Brics

Am Anfang stand ein Essay: "The World Needs Better Economic BRICs", so hieß der Titel des Aufsatzes, den Jim O'Neill im November 2001 veröffentlichte. O'Neill war damals Chefökonom der Investmentbank Goldman Sachs, und er hatte über Schwellenländer geschrieben, wie so viele seiner Kollegen auch. Doch O'Neill war einen Tick kreativer, er erfand ein Akronym, mit dem er die wichtigsten aufstrebenden Staaten zusammenfasste: Brasilien, Russland, Indien und China - kurz Bric. Ausgesprochen klingt das auf Englisch nach einem Ziegelstein, solide eben. Rasch etablierte sich der Begriff in der akademischen Welt. Und nicht nur dort: Was als Wortspiel eines Ökonomen begann, wurde 2006 zur Realität. In New York trafen sich damals die Außenminister der vier Länder. 2009 tagte dann die von O'Neill angeregte Staatengemeinschaft zum ersten Mal offiziell im russischen Jekaterinenburg. Seitdem kommen die Staats- und Regierungschefs jedes Jahr zusammen. In diesen Tagen findet der neunte Gipfel im chinesischen Xiamen statt. Insgesamt sind es nun fünf Teilnehmer, denn 2010 trat, auf Initiative Chinas, Südafrika dem Klub bei. Seitdem nennt sich der Verbund Brics - mit einem Plural-s. Geht es nach China, so soll das Bündnis erweitert werden. Thailand oder Mexiko, so heißen die Wunschpartner. Wie das mit O'Neills Namensschöpfung zusammenpasst, ist allerdings unklar. Christoph Giesen

Nordkorea durchkreuzt Chinas Plan, den Gipfel der Brics-Staaten als Treffen aufstrebender Mächte zu inszenieren. Dabei wäre das durch Trumps "America first"-Doktrin entstandene Vakuum ideal für selbstbewusste Politik.

Von Christoph Giesen, Peking

Es geschah zum dritten Mal in diesem Jahr: Die chinesische Führung hat hohen Besuch aus dem Ausland und kurz vor Beginn der Veranstaltung kracht es. Wenige Stunden bevor Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Sonntag in der südostchinesischen Hafenstadt Xiamen den Brics-Gipfel mit den Schwellenstaaten eröffnete, führte Nordkorea einen Nukleartest durch. Russlands Präsident Wladimir Putin war angereist, genauso wie Indiens Ministerpräsident Narendra Modi sowie die Präsidenten Brasiliens und Südafrikas, Michel Temer und Jacob Zuma.

Ein ähnliches Bild bot sich schon Mitte Mai: Xi hatte zur Seidenstraßenkonferenz nach Peking geladen. Etliche Staats- und Regierungschefs waren der Einladung gefolgt. Und dann? Raketenstart in Nordkorea. Im März wiederum hatte Nordkorea den Abschuss einer Mittelstreckenrakete gemeldet, just bevor der neue amerikanische Außenminister Rex Tillerson zum Antrittsbesuch nach Peking reiste.

Xi will vor allem das Vakuum füllen, das nach Trumps Amtsbeginn entstanden ist

Am Montag folgte das nächste Ritual: In ihrer gemeinsamen Erklärung verurteilten die Brics-Staaten Nordkoreas Atomtest. Die Staats- und Regierungschefs äußerten ihre "tiefe Sorge" und forderten, dass die Probleme durch Dialog gelöst werden sollten. Nordkorea statt Gipfel. Dabei wollte Xi mit seinen Kollegen vor allem diskutieren, wie der Einfluss der Brics-Staaten ausgeweitet werden kann.

Ein Viertel der globalen Wirtschaftsleistung und 42 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren die fünf Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika bereits. Geht es nach Xi, sollen diese Länder künftig eine aktivere Rolle in der Welt einnehmen.

Beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos hatte Xi erstmalig seine Agenda umrissen. China wolle sich auf internationaler Bühne stärker engagieren, versprach er - ein bewusster Bruch mit der bisherigen Außenpolitik Pekings. In den Schweizer Bergen hatte Xi auch einen Abbau des Protektionismus weltweit gefordert und sich als Bannerträger der Globalisierung präsentiert, und das, obwohl kein Industrieland seine eigene Wirtschaft so stark abschottet wie die Volksrepublik.

Xi möchte vor allem das Machtvakuum füllen, das nach der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump und dessen "America Frist"-Politik entstanden ist. Dazu schmiedet er neue Allianzen. Zum Teil mit Erfolg.

In einer gemeinsamen Erklärung bekannten sich die fünf Brics-Staaten zum Freihandel: "Wir unterstreichen die Bedeutung einer offenen und inklusiven Weltwirtschaft, die alle Länder und Völker in die Lage versetzt, von den Vorteilen der Globalisierung zu profitieren." Ähnliche Worte hatte Xi den Teilnehmern des Seidenstraßengipfels abgerungen. Ebenfalls einigten sich die Staats- und Regierungschefs in Xiamen auf eine engere Kooperation, um der Stimme der Brics in internationalen Foren mehr Gewicht zu geben.

Zum Staatsbankett am Montagabend wurde die fünfköpfige Runde dann erweitert, die Staats- und Regierungschefs aus Ägypten, Mexiko, Thailand, Tadschikistans und Guinea nahmen teil. "Brics-Plus" wird dieser Prozess genannt, auch das ist ein chinesischer Wunsch - mehr Länder, mehr Einfluss.

China strebt generell eine formelle Ausweitung der Gruppe an, um Institutionen jenseits der altbewährten vom Westen geprägten zu schaffen. Das aber stößt nicht bei allen Brics-Mitgliedern auf Wohlwollen. 2009 kamen Brasilien, Russland, Indien und China noch ohne Südafrika zusammen. Auf Initiative Pekings wurde die Runde 2010 erweitert. Ob neue Mitglieder folgen werden, ist allerdings fraglich, denn die Rivalitäten in der Gruppe sind groß. Ökonomisch dominiert China als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt den Klub. Dazu kommen Grenzstreitigkeiten zwischen Indien und China im Himalaja. Erst die Beilegung des Disputs hatte der Teilnahme des indischen Ministerpräsidenten an dem Gipfel den Weg geebnet.

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