Die britische Regierung verstärkt ihre Vorbereitungen für einen EU-Austritt ohne Abkommen. Am Donnerstag veröffentlichte sie 25 Dokumente mit Ratschlägen für Bürger und Unternehmen. Die sogenannten technischen Bekanntmachungen informieren über die Folgen, die so ein ungeordneter Brexit im März 2019 für bestimmte Branchen und Bereiche hätte, und darüber, wie sich Betroffene wappnen können. Brexit-Minister Dominic Raab sagte, ein Austritt ohne Einigung mit Brüssel sei sehr unwahrscheinlich, "aber wir müssen bereit sein".
Bis Ende September will London weitere Ratgeber herausgeben, insgesamt etwa 80. Die EU-Kommission begann bereits Ende vergangenen Jahres damit, inzwischen 68 solcher Handreichungen für Mitgliedstaaten und Firmen zu veröffentlichen.
In seiner Rede in London gab Raab der EU die Schuld für den Fall, dass sich seine Regierung und Brüssel nicht auf ein Austrittsabkommen einigen können. Die Gefahr dieses unerwünschten Ergebnisses bestehe, wenn die EU nicht den gleichen "Ehrgeiz und Pragmatismus" wie London zeige. Allerdings hätten sich beide Seiten bereits "auf 80 Prozent" des Vertrags geeinigt, sagte der Konservative, und er erkenne Fortschritte bei den offenen Themen.
Chronologie:Der Brexit auf einen Blick
Großbritannien will raus aus der EU - aber wie? Wer die Protagonisten sind, was bisher geschah und was noch kommt.
Der Vertrag regelt die Bedingungen der Scheidung und legt etwa fest, dass Großbritannien nach der Trennung gut 40 Milliarden Euro an die EU überweist. Außerdem soll sich in einer Übergangsphase bis Ende 2020 erst einmal nicht viel für Bürger und Unternehmen ändern. Es war geplant, dass dieses Abkommen beim EU-Gipfel Mitte Oktober verabschiedet wird, zusammen mit einer Erklärung, wie die künftigen Beziehungen im Groben aussehen sollen. Doch weil die Diskussionen so zäh verlaufen, spricht EU-Chefunterhändler Michel Barnier jetzt von November. Nach dem Gipfeltreffen müssen noch die Parlamente den Vertrag absegnen, bevor die Briten dann am 29. März austreten.
Scheitern die Verhandlungen und verlässt das Königreich die EU ohne Abkommen, gibt es auch keine Übergangsphase. Dann würden vom 30. März an Zölle Geschäfte über den Ärmelkanal belasten, die EU würde britische Produktzulassungen nicht mehr anerkennen, Zöllner müssten in Häfen oder an der inneririschen Grenze die Ladung von Lastern kontrollieren. Unternehmen in der EU, vor allem aber in Großbritannien, würden leiden. Minister Raab rief EU und Mitgliedstaaten dazu auf, bei den Planungen für so einen Brexit ohne Abkommen mit den Briten zusammenzuarbeiten, um den Schaden zu mindern.
In einigen Bereichen geschehe das bereits, in anderen, zum Beispiel beim Thema Datenschutz oder Frachtverkehr in den Häfen, noch nicht, klagte der Politiker, der den Posten im Juli von David Davis übernommen hatte. Das sei unverantwortlich.
Davis war zurückgetreten, weil er einen Kompromissvorschlag von Premierministerin Theresa May zu den künftigen Wirtschaftsbeziehungen nicht mittragen wollte. Es ist unklar, ob Brüssel dieses Modell akzeptieren wird - und ob es dafür eine Mehrheit im britischen Parlament gibt. Falls nein, würde die Gefahr eines Brexit ohne Abkommen kräftig steigen.