Der formale Weg zum Unabhängigkeitsreferendum beginnt mit der heutigen Abstimmung im schottischen Parlament. Setzen sich die Unabhängigkeitsbefürworter heute durch, dann wird die Regierung in Edinburgh beauftragt, beim britischen Parlament in London die Erlaubnis für ein weiteres Referendum einzuholen. Diese Ermächtigung müsste dann nach Absatz 30 des "Scotland Act 1998" erfolgen: Auf Grundlage dieses Gesetzes kann das Vereinigte Königreich seine alleinige Befugnis, Referenden abzuhalten, temporär auf das schottische Parlament übertragen.
Der Ermächtigung müssen allerdings neben dem britischen Unterhaus auch das Oberhaus zustimmen, ebenso der Privy Council, ein königliches Beratungsgremium aus führenden Politikern und Bischöfen.
Sind alle einverstanden, wird die weitere Gestaltung des Referendums dem schottischen Parlament überlassen. Schottische Abgeordnete arbeiten dann ein Gesetz aus, das die Formalitäten des Referendums festlegt: Dazu gehören die Frage, über die abgestimmt werden soll, der Zeitplan und das Stimmrecht, das unter anderem das Mindestalter der Wahlberechtigten festlegt.
Stimmt das schottische Parlament zu, kann die Regierung das Gesetz zur Überprüfung an die Wahlkommission des Landes übergeben. Diese kann Verbesserungsvorschläge einbringen, die allerdings nicht bindend sind.
Bis die Schotten Wahlurnen aufstellen können, um erneut über die Unabhängigkeit ihres Landes abzustimmen, müssen also noch einige Hürden überwunden werden. Es wird erwartet, dass das schottische Parlament zustimmt. Doch das größe Hindernis ist die ebenfalls notwendige Zustimmung aus London.
Die Bereitschaft dazu ist gegenwärtig offenbar nicht vorhanden. Premierministerin Theresa May hat sich wiederholt gegen ein Referendum ausgesprochen. Sie will zuerst den Brexit über die Bühne bringen - gemeinsam mit den Schotten. Für die Zeit danach hat sie ein Unabhängigkeitsreferendum zumindest nicht ausgeschlossen. Gerade wenn Großbritannien nach dem Brexit eine neue Rolle in der Welt übernehmen werde, sei eine stabile Union wichtig, sagte sie der BBC.
Wäre ein unabhängiges Schottland EU-Mitglied?
Es gibt in den EU-Verträgen keine Regelungen für den Umgang mit einem Staat, der sich von einem (ehemaligen) EU-Mitglied abtrennt und unabhängig macht. Experten gehen davon aus, dass Schottland in diesem Fall gemäß Artikel 49 EUV der Europäischen Union einfach neu beitreten müsste.
So hatte 2012 der damalige Präsident der EU-Kommission José Manuel Barroso erklärt: "Ein neuer Staat, der Mitglied der EU werden möchte, muss dies wie jeder andere Staat beantragen." Andere Verträge fänden auf diesem Gebiet keine weitere Anwendung. Und 2014 informierte die EU die katalanische Regierung in Barcelona, sollte sich die Region unabhängig machen, müsste sie neue Beitrittsverhandlungen führen.
Allerdings gilt es als möglich, dass das Verfahren im Falle Schottlands deutlich schneller als üblich ablaufen könnte - niemand zweifelt ernsthaft daran, dass das Land, das bisher schon voll integrierter Teil der EU war, die Kriterien für eine Mitgliedschaft erfüllt.
Die Schotten selbst hoffen, ohne Unterbrechung im Binnenmarkt bleiben zu können - erst einmal wie Norwegen, das auch kein EU-Mitglied ist. Dann soll möglichst bald die volle EU-Mitgliedschaft (wieder-) hergestellt werden.
Aus der Sicht der EU ist es allerdings auch problematisch, wenn Schottland sich von Großbritannien unabhängig macht, um Mitglied zu werden. Insbesondere Spanien fürchtet, dass die Separatisten in Katalonien oder im Baskenland sich dadurch bestärkt fühlen würden. Madrid dürfte deshalb kaum Interesse haben an einer Unabhängigkeit Schottlands oder einer raschen EU-Mitgliedschaft des Landes. Im Gegenteil: Ein Schottland mit wirtschaftlichen Problemen könnte den Wunsch der Katalanen nach eigener Unabhängigkeit dämpfen.