Brexit:Was zu tun ist, wenn's passiert

Brexit Großbritannien EU No Deal

Geben sich beim gemeinsamen Auftritt in Brüssel einmütig: der britische Brexit-Minister Dominic Raab (links) und Michel Barnier, Verhandlungsführer der Europäischen Union.

(Foto: REUTERS)
  • EU und Großbritannien bleibt nicht mehr viel Zeit, um einen harten Brexit zu verhindern.
  • Bis November will der Chefunterhändler Brüssels eine Austrittsvereinbarung erarbeitet haben.
  • Zugleich bereiten sich aber beide Parteien auf ein Szenario ohne Vertrag vor.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Vielleicht liegt es daran, dass er noch nicht so lange dabei ist, aber Dominic Raab versucht es wenigstens. Der Brexit-Minister, seit Juli im Amt, ist am Dienstag und Mittwoch nach Brüssel gekommen, um so etwas wie Optimismus zu verbreiten. Raab will neuen Schwung in die Austrittsverhandlungen mit der EU bringen. Mit Ehrgeiz, Pragmatismus und Flexibilität könne man wie geplant einen Deal beim EU-Gipfel im Oktober erreichen, sagt er bei einem gemeinsamen Auftritt mit EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Der wiederum hat von Raabs Vorgänger David Davis schon öfters ähnliche Worte gehört. Gut möglich, dass er deshalb nicht so recht an eine rasche Lösung glauben mag.

Barnier spricht schon gar nicht mehr von Oktober als möglichem Zeitpunkt für eine Austrittsvereinbarung. November, sagt er, "aber nicht viel später", schließlich müsse der Vertrag auch vom Europäischen Parlament ratifiziert werden - und das brauche seine Zeit. Jedenfalls beginne nun "die letzte Etappe" der Verhandlungen. Er verkneift sich diesmal seinen üblichen Hinweis, dass die Uhr laufe und die Zeit immer knapper werde. Ab jetzt, versichern Barnier und Raab einmütig, werde "ständig durchverhandelt". Das war nicht immer so, seit die britische Premierministerin Theresa May am 29. März 2017 offiziell den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union angemeldet hat. So ließ sich der ehemalige Brexit-Minister Davis gut einen Monat überhaupt nicht in Brüssel sehen. Das will und kann sich Raab auf keinen Fall erlauben, wenn er ein Scheitern der Gespräche verhindern möchte.

An diesem Donnerstag will er in London trotzdem erste Pläne für ein No-Deal-Szenario vorstellen. Insgesamt 84 technische Handreichungen sollen bis September für diesen Fall veröffentlicht werden. Das sind jeweils 2 bis 5 Seiten lange Papiere, die darstellen, was die Regierung und betroffene Wirtschaftszweige zur Vorbereitung machen müssen, sollte Großbritannien die EU im März 2019 ohne Abkommen verlassen. Jedes Papier widmet sich einer Branche oder einem Thema. Raab wird zunächst 20 Handreichungen präsentieren. Die britische Regierung will damit den Brexit-Begeisterten in den eigenen Reihen beweisen, dass sie sich auf die Möglichkeit eines No-Deals vorbereitet. Und sie sendet die Botschaft an Barnier, dass London zur Not die Gespräche platzen lassen könnte.

Gelingt es EU und Großbritannien nicht, sich zu einigen, wären die Konsequenzen wohl dramatisch

Auch die EU ist ihrerseits darauf vorbereitet. Für die Wirtschaft hat die Kommission bereits Ende Juli eine kleine Handreichung herausgegeben. "Sieben Dinge, die Unternehmen in der 27er-EU wissen müssen, um sich auf den Brexit vorzubereiten", ist das Papier überschrieben. Von Lieferketten über Zertifikate, Zölle, Herkunftsnachweise, Importbeschränkungen bis zum Datenaustausch ist aufgeführt, was alles betroffen ist, wenn sich Großbritannien über Nacht in einen Drittstaat verwandelt. Auskunft, was sich wie und wann ganz konkret ändern wird, kann das Papier freilich auch nicht geben. Alles hängt davon ab, ob sich die EU und Großbritannien rechtzeitig auf ein Austrittsabkommen verständigen. Nur dann kann sich wie geplant an den Austritt eine 21 Monate lange Übergangsfrist anschließen, in der die bisherigen Regeln im Wesentlichen erst einmal weiter gelten.

Gelingt das nicht, wären die Konsequenzen dramatisch. An den Grenzen müssten nicht nur Zölle erhoben werden; jedes Produkt, jedes Lebensmittel wäre auf Einhaltung von Standards zu überprüfen. Im Warenverkehr zwischen der EU und Britannien käme es zu "erheblichen Beeinträchtigungen und langen Wartezeiten", heißt es in der Mitteilung. Theoretisch gilt dann zwischen dem Königreich und den EU-Staaten sogar Visapflicht. Jedenfalls müssten Vorkehrungen getroffen werden, um das zu verhindern.

Hauptstreitpunkt in den Verhandlungen ist weiter die Frage, wie Kontrollen an der künftigen EU-Außengrenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden können. Beide Seiten wollen eine harte Grenze verhindern, aus Furcht vor politischen Spannungen. London lehnt aber die EU-Vorschläge ab - und umgekehrt. Ansonsten habe man bei Fragen der Sicherheit und Verteidigung schon allerlei Übereinkünfte erzielt, erklären Barnier und Raab. Jedenfalls mehr als bei der künftigen Wirtschaftsbeziehung, fügt der EU-Chefverhandler hinzu. Immerhin: Nächste Woche wollen sich die beiden wieder treffen.

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