Großbritannien:Sturgeon fordert Wiedereinberufung des Unterhauses

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Nicola Sturgeon verlangt, dass die britische Regierung auf das Urteil eines schottischen Berufungsgerichts reagiert - und das Parlament wieder einberuft. (Archivbild)

(Foto: AP)
  • Ein schottisches Gericht hält die von Premier Boris Johnson verfügte Schließung des Parlaments für fünf Wochen für unrechtmäßig.
  • Die schottische Regierungschefin Sturgeon und Oppositionspolitiker in London fordern nun dessen Wiedereinberufung.
  • Zuvor hatten andere Gerichte die Klage von 75 Parlamentariern abgewiesen.
  • Eine endgültige Entscheidung dürfte nun das oberste Gericht im Vereinigten Königreich, der Supreme Court, treffen.

Ein schottisches Berufungsgericht hat die von Premierminister Boris Johnson auferlegte Zwangspause des britischen Parlaments für unrechtmäßig erklärt. Die Zwangspause sei illegal, weil sie das Ziel habe, das Parlament kaltzustellen. Sie sei nichtig und unwirksam.

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon forderte, als Konsequenz aus dem Urteil müsse das Parlament wieder einberufen werden. Die unmittelbaren politschen Implikationen seien klar, schrieb die Politikerin der Schottischen Nationalpartei (SNP) im Kurznachrichtendienst Twitter: "Das Parlament muss sofort wieder einberufen werden ..."

Auch Oppositionspolitiker in London forderten die Regierung auf, die Zwangspause aufzuheben und die Abgeordneten wieder ins Parlament einzubestellen. SNP-Fraktionschef Ian Blackford schrieb auf Twitter an den britischen Premier Boris Johnson gerichtet: "Sie haben undemokratisch gehandelt und müssen das Parlament (aus der Zwangspause) zurückrufen."

Der Brexit-Experte der Labour-Partei, Keir Starmer, sagte auf einem Kongress im südenglischen Brighton: "Ich muss zurück zu den anderen, um zu sehen, ob wir die Türen (des Parlaments) wieder öffnen und Boris Johnson zur Verantwortung ziehen können." Luciana Berger von den proeuropäischen Liberaldemokraten schrieb auf Twitter von einer "bedeutenden Entscheidung".

Die Regierung in London wies die Forderungen der Opposition zurück, wie britische Medien berichten.

Geklagt hatten etwa 75 Parlamentarier. Sie sehen in der von Johnson erwirkten wochenlangen Schließung des Unterhauses vor dem am 31. Oktober anstehenden EU-Austritt des Landes eine unzulässige Einschränkung des Parlaments. Ähnliche Klagen wurden auch vor Gerichten im nordirischen Belfast und in London eingereicht.

Eine Klage in erster Instanz vor dem Court of Session in Schottland war zunächst gescheitert. Auch der High Court in London hatte eine ähnliche Klage zunächst abgewiesen. Eine endgültige Entscheidung dürfte nun das oberste Gericht in Großbritannien, der Supreme Court, treffen.

Die Parlamentsschließung war in der Nacht zum Dienstag wirksam geworden, bei der Zeremonie war es zu tumultartigen Szenen im Unterhaus gekommen. Abgeordnete der Opposition hielten Protestnoten mit der Aufschrift "Zum Schweigen gebracht" hoch und skandierten "Schande über euch" in Richtung der Regierungsfraktion.

Parlaments-Speaker John Bercow sprach von einem "Akt exekutiver Ermächtigung". Labour-Chef Jeremy Corbyn warf Premier Johnson vor, er schließe das Parlament, um keine Rechenschaft mehr ablegen zu müssen. Die Abgeordneten sollten erst am 14. Oktober wieder zusammentreten.

Damit setzt sich Johnsons Niederlagen-Serie fort. Zuvor war er unter anderem zwei Mal mit einem Antrag auf Neuwahl gescheitert. Es gibt damit keine Möglichkeit mehr für eine Neuwahl vor dem geplanten Brexit-Datum. An ihrem letzten Sitzungstag vor der fünfwöchigen Sitzungspause hatten die Abgeordneten unter anderem für die Herausgabe von Regierungsdokumenten und interner Kommunikation zu der von Johnson auferlegten Zwangspause gestimmt.

An diesem Donnerstag wollte EU-Chefunterhändler Michel Barnier die Fraktionsvorsitzenden des Europaparlaments über den Stand der Gespräche mit London informieren.

Auch Labour streitet über Brexit

Derweil steuert nach der Konservativen Partei von Premier Johnson auch die oppositionelle Labour-Partei auf einen Streit über den Brexit zu. Der stellvertretende Labour-Chef Tom Watson lehnt nach einem BBC-Bericht vom Mittwoch den Brexit ab und fordert ein neues Referendum zum Austritt Großbritanniens aus der EU. Zudem spreche sich Watson gegen Neuwahlen zur Lösung der politischen Blockade im Vereinigten Königreich aus. Das steht im Widerspruch zu Parteichef Corbyn, der Neuwahlen verlangt und sich offen für einen Brexit zeigt.

"Es gibt nicht so etwas wie einen guten Brexit-Vertrag, weswegen ich glaube, wir sollten für einen Verbleib werben", wird Watson dem BBC-Bericht zufolge in einer Rede an diesem Mittwoch fordern. Zudem seien vorgezogene Neuwahlen ungeeignet, um die Brexit-Blockade zu lösen. Corbyn lehnt einen Brexit nicht grundsätzlich ab, fordert aber einen Vertrag über den Ausstieg.

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