Vor EU-Gipfel:Johnson dringt auf Entscheidung im Brexit-Streit

Boris Johnson

Hat offenbar Sorge vor Unruhen in Nordirland: der britische Premier Boris Johnson.

(Foto: AP)
  • Kurz vor dem EU-Gipfel will der britische Premier Boris Johnson doch noch eine Lösung mit der EU finden.
  • Offenbar treibt ihn die Sorge vor Unruhen in Nordirland um, die im Fall eines No-Deal-Brexit ausbrechen könnten.
  • Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betonen derweil ihre Einigkeit.

Von Björn Finke, Nadia Pantel und Alexander Mühlauer, London

Wenige Tage vor dem entscheidenden EU-Gipfel steigt der Druck in den Brexit-Verhandlungen. London und Brüssel versuchten am Sonntag, eine Lösung zu finden, um einen ungeordneten EU-Austritt Großbritanniens am 31. Oktober abzuwenden. Im Mittelpunkt des Streits steht die Frage, wie Kontrollen an der Grenze zwischen Irland und Nordirland verhindert werden können. Brüssels Chefverhandler Michel Barnier informierte die 27 verbleibenden EU-Staaten am Abend über den Zwischenstand. Die EU-Kommission bezeichnete die Gespräche in einer Mitteilung als "konstruktiv", betonte aber, es bleibe noch viel zu tun. Die Gespräche würden an diesem Montag fortgesetzt.

Ein EU-Diplomat sagte, auch wenn es keinen Durchbruch gebe, sei es eine gute Nachricht, dass die intensiven Debatten weitergingen. Aber die britische Regierung "muss sich jetzt rasch bewegen".

In London warb unterdessen der britische Premier Boris Johnson bei Kritikern seines Brexit-Kurses um Vertrauen. Wie nötig das ist, zeigen Aussagen des Vizechefs der nordirischen DUP, Nigel Dodds. Der lehnte gegenüber der italienischen Zeitung Repubblica Johnsons Vorschlag ab, wonach Nordirland eine Zollpartnerschaft mit der EU eingehen soll, um eine harte Grenze auf der irischen Insel zu vermeiden: "Das kann nicht funktionieren, weil Nordirland gleichberechtigter Teil der britischen Zollunion bleiben muss."

Unmut unter den Tories

Johnson ist im Parlament auf die Unterstützung der DUP angewiesen. Labour-Chef Jeremy Corbyn, der Oppositionsführer, lehnte Johnsons Pläne ab. Auch bei den Brexit-Hardlinern unter den Tories regte sich Unmut. Ihre Sorge ist groß, dass Johnson sich in letzter Minute zu weitgehenden Zugeständnissen gegenüber der EU hinreißen lässt.

Nach Darstellung von Downing Street will Johnson alles dafür tun, doch noch ein Abkommen mit der EU zu erreichen. Dem Vernehmen nach soll ihn die Sorge vor Unruhen in Nordirland umtreiben, die im Fall eines No-Deal-Brexit ausbrechen könnten. Einem Bericht der Sunday Times zufolge spricht Johnson an diesem Montag mit Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, um sie von seinen Plänen zu überzeugen.

Angeblich wolle der Premier die EU vor die Wahl stellen, entweder einem Deal auf Basis seiner Vorschläge zuzustimmen oder sich auf eine einvernehmliche Trennung ohne Vertrag zum 31. Oktober zu verständigen. Gesetzlich ist Johnson zwar verpflichtet, eine weitere Verlängerung der Austrittsfrist zu beantragen, sollte es beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag keine Einigung geben; ob er sich daran halten wird, ist offen.

Bei einem Treffen in Paris am Sonntagabend betonten Merkel und Macron ihr Zusammenstehen in Brexit-Fragen. Man habe "die gleiche Einstellung", betonte die Kanzlerin. Und fügte hinzu, dass es durch den Brexit für die EU einen neuen Wettbewerber geben werde. Diese "internationale Lage rechtfertigt mehr denn je ein Europa, das stärker, vereinter und souveräner" seinen eigenen Weg verfolge, sagte Macron.

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