Großbritannien:Ein neuer Brexit-Minister auf Abruf

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Der neue Brexit-Minister Stephen Barclay vor der Downing Street in London. (Foto: dpa)

Stephen Barclay ist der dritte Brexit-Minister im Kabinett von Theresa May. Der EU-Skeptiker ist ehrgeizig und loyal. Wie lang wird er im Amt sein?

Von Cathrin Kahlweit, London

Der Posten des Brexit-Ministers in der britischen Regierung hat etwas von einem Eisberg in der Arktis: Alle paar Monate bricht wieder ein Teil ab, und wer draufsteht, hat zusehends weniger Raum zum Manövrieren. Als David Davis, bulliger Ex-Soldat und charmanter Geschichtenerzähler (seine schönsten Geschichten handelten davon, wie einfach der Brexit werden würde), ins Amt kam, war er noch für das ganze Paket zuständig gewesen: für interne Absprachen zwischen seinem Ministerium für den Austritt aus der EU und der Downing Street, und ebenso für die Verhandlungen Londons mit der EU. "Er war allerdings schwer dazu zu bewegen, auch mal nach Brüssel zu fahren", lästerte ein Mitarbeiter später.

Als Davis wegen Theresa Mays sogenannten Chequers-Plans im Sommer zurücktrat, von dem im Übrigen heute keine Rede mehr ist, übernahm der alerte Kollege Dominic Raab. Der war mit seinem Ministerium schon nur noch für die Konzeptionierung des Deals auf britischer Seite verantwortlich und durfte ab und zu auch nach Brüssel fliegen. Aber May übernahm den Löwenanteil der Verhandlungen mit Chefunterhändler Michel Barnier. De facto verhandelte damit letztlich Mays Europa-Berater, ein Downing-Street-Beamter, der am Deal maßgeblich mitschrieb.

Nun ist Stephen Barclay an der Reihe; er wurde am Freitag zum Brexitminister ernannt, nachdem mehrere hochkarätigere Kandidaten abgewunken hatten. Barclay, zuvor Staatssekretär im Gesundheits- und davor im Finanzministerium, ist ein Leaver, er hat also den Austritt aus der EU befürwortet. Der 46-Jährige darf nun die Vorbereitung der Umsetzung des Brexitvertrags in Großbritannien begleiten - aber nur innenpolitisch. Für etwaige Nachverhandlungen am vorliegenden Vertrag, umso mehr noch für die Gespräche über die künftigen Beziehungen zwischen dem Nicht-mehr-EU-Mitglied Großbritannien und der Union ab März 2019, ist er nicht zuständig.

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Ein Führungswechsel würde die Verhandlungen mit Brüssel komplizierter machen, mahnt die britische Regierungschefin. Unterdessen bringt sich der ehemalige Brexit-Minister Raab in Stellung.

Smart, technokratisch und loyal

Trotzdem hat Barclay zugegriffen; für einen ehrgeizigen Staatssekretär, dessen Namen bisher kaum jemand kannte, ist das Ministerium mit dem flotten Kürzel DexEU ein echter Aufstieg. In London wird gelästert, niemand habe sich dem Untergangskommando verschreiben wollen, weil man dort nichts zu melden habe, aber Barclay selbst sieht das offenbar anders. Der Jurist gilt als smart und technokratisch, er wurde einst von May in die Politik geholt, ist seit 2010 Abgeordneter und hat sich immer als loyal erwiesen. Nicht ein einziges Mal in seiner politischen Karriere hat er gegen die Parteilinie gestimmt - und ist nun fest entschlossen, sich nicht zur Seite drängen zu lassen wie Raab. Sein Vorgänger hatte am Sonntag in der BBC gesagt, er habe die letzten und in seinen Augen fatalen Änderungen am Vertrag, die dann im Gesamtpaket präsentiert wurden, nie mit eigenen Augen gesehen; er sei "reingelegt" worden.

Fraglich ist derzeit allerdings, wie lange Barclay im Amt sein wird; es könnte ein kurzer Höhenflug sein. Denn mindestens fünf Kabinettskollegen sollen sich am Sonntag getroffen haben, um einen politischen Aufstand gegen May zu planen. Sie wollen sie zwingen, nach Brüssel zu gehen und nachzuverhandeln - zumindest über das Recht, einseitig aus der Zollunion aussteigen zu dürfen, und über die Sonderklauseln für Nordirland. May und Barnier haben zwar signalisiert, dass da kein Weg hinführt. Dennoch wächst bei den Rebellen die Überzeugung, dass man May mit der Drohung zum Jagen tragen könne, dass sonst spätestens im Dezember eine Mehrheit des Unterhauses definitiv gegen den vorliegenden Austrittsvertrag stimmen werde. May werde, hieß es am Wochenende, also sowieso demnächst eine so krachende Niederlagen erleiden, dass dann alles auf dem Prüfstand stehe: ihre Regierung, der Brexit. Von Barclay war in all dem Wirbel bisher rein nichts zu hören. Nur sein Vorgänger meldete sich zu Wort: Er stehe treu zu May, aber der Vertrag sei Murks.

© SZ vom 19.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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