Brexit:"Die am wenigsten schlechte Version des Brexits, die eben möglich war"

Lesezeit: 3 min

Einen "guten Brexit" gab es für Irlands Premier Micheál Martin ohnehin nicht. (Foto: TOM HONAN/AFP)

Der irische Premier bringt die Haltung vieler EU-Staaten auf den Punkt. Man ist erleichtert über die Einigung und froh, dass die Verhandlungen endlich vorbei sind.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Einigung zwischen EU und Großbritannien auf einen Brexit-Handelspakt als historisch gewürdigt. "Mit dem Abkommen schaffen wir die Grundlage für ein neues Kapitel in unseren Beziehungen", sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag. "Großbritannien wird auch außerhalb der Europäischen Union weiterhin ein wichtiger Partner für Deutschland und für die Europäische Union sein." Die Einigung sei "von historischer Bedeutung".

Merkel sagte zu, den Text nun zügig zu prüfen. Das Bundeskabinett werde sich am kommenden Montag telefonisch über die deutsche Position verständigen. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir hier ein gutes Resultat vorliegen haben", sagte die Kanzlerin. Alle Mitgliedstaaten und das EU-Parlament müssen der Einigung zustimmen.

Brexit
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Der Deal zwischen London und Brüssel kommt doch noch zustande - ein "Hard-Brexit" ist abgewendet. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und der britische Premier Johnson sprechen beide von einem guten Ergebnis. Allerdings steht noch die Ratifizierung aus.

Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat sich erleichtert über die Einigung zwischen der EU und Großbritannien über einen Brexit-Handelspakt gezeigt. "Es war ein Verhandlungsmarathon, aber in Weltrekordzeit und mit einem langen Endspurt. Es hat sich gelohnt, die vielzitierte Extrameile zu gehen", sagte Maas. "Wir werden uns den Entwurf in den EU-Mitgliedsstaaten jetzt natürlich genau ansehen. Denn es müssen alle 27 EU-Mitgliedstaaten und später auch das Europäische Parlament zustimmen."

Deutschland werde als EU-Ratspräsidentschaft alles dafür tun, damit das Abkommen zum 1. Januar 2021 vorläufig in Kraft treten könne. "Das wird sehr herausfordernd und allen Seiten viel Flexibilität abfordern. Ich bin aber zuversichtlich, dass es gelingt." Man sei jetzt ganz kurz davor, ein neues Kapitel mit Großbritannien aufschlagen zu können. "Und früh im neuen Jahr werden wir dann hoffentlich das endgültige Inkrafttreten haben nach der Abstimmung im Europäischen Parlament."

Auch die frühere britische Premierministerin Theresa May zeigte sich erfreut über die Einigung. Das Abkommen werde dazu beitragen, den Handel am Laufen zu halten, schrieb sie auf Twitter. "Ich freue mich darauf, die Details in den kommenden Tagen zu erfahren."

Ihr Vorgänger David Cameron gratulierte dem britischen Verhandlungsteam auf Twitter. Es sei gut, ein schwieriges Jahr mit positiven Nachrichten zu beenden. "Handelsabkommen sind sehr willkommen - und ein wichtiger Schritt beim Aufbau einer neuen Beziehung zur EU als Freunde, Nachbarn und Partner."

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Die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon von der Schottischen Nationalpartei (SNP) äußerte sich dagegen reserviert. "Es gibt keinen Deal, der jemals wieder wettmachen könnte, was der Brexit uns wegnimmt. Es ist Zeit, unsere eigene Zukunft als unabhängige europäische Nation zu planen." Anders als in England und Wales stimmte eine Mehrheit der Schotten bei der Volksabstimmung 2016 für die weitere EU-Mitgliedschaft Großbritanniens. Regierungschefin Sturgeon fordert ein zweites Unabhängigkeitsreferendum, nachdem eine Volksabstimmung 2014 gescheitert war. Die Regierung in London müsste zustimmen, sagt aber nein.

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Die Einheit und die Stärke der Europäischen Union haben sich nach den Worten des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in den Verhandlungen mit Großbritannien ausgezahlt. Das zeige sich zum Beispiel am Kompromiss um die Fischfangquoten, die vor allem für französische Fischer wichtig sind und bis zuletzt umstritten waren. Die Vereinbarung sei der Schlüssel, um die französischen Bürger, Fischer und Produzenten zu schützen, schreibt Macron auf Twitter. "Frankreich wird sicherstellen, dass dies auch geschehen wird."

Die britische Fischerei-Industrie zeigt sich hingegen wenig erfreut vom Abkommen. Es gebe keinen definitiven Bruch, so Verbandschef Barrie Deas. "Es hat ein bisschen was von Schummelei." Johnson habe seinen "Ted-Heath-Moment" gehabt, sagte der Verbandschef und spielte damit auf den damaligen britischen Premierminister Edward Heath an, der 1973 die Fischereiquoten mit der EU ausgehandelt und nach Meinung der Fischereiindustrie zu freigiebig gewesen war. Jetzt habe auch Johnson es versäumt, für die britischen Fischer eine Zwölf-Meilen-Zone vor der eigenen Küste zu sichern, in der sie exklusiv agieren könnten. Die Mitglieder seines Verbandes seien deshalb "bitter enttäuscht".

Aus Europas Hauptstädten kommt mehrheitlich eine vorsichtig positive Bewertung des Deals. "Es ist nicht alles perfekt, aber ein Deal ist besser als kein Deal", sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez, begrüßte die Vereinbarung ebenfalls. Allerdings würde jeder Mitgliedsstaat den Text des Abkommens genau prüfen. Und es seien noch weitere Punkte offen, etwa wie sich der Brexit auf das britische Überseeterritorium Gibraltar auswirke, das an der Südspitze der iberischen Halbinsel liegt.

Ähnlich wie die spanische äußerten sich die belgische, die niederländische und die österreichische Regierung. Und der irische Premier Micheál Martin brachte seine Stimmung mit folgenden Worten auf den Punkt: "So etwas wie einen 'guten Brexit' hätte es für Irland ohnehin nicht geben können." Die jetzt erzielte Einigung sei "die am wenigsten schlechte Version des Brexits, die eben möglich war."

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