Brexit:Neuwahlen, No-Deal oder eine vierte Abstimmung?

Brexit

Einige Schilder der Anti-Brexit-Demonstranten vom gestrigen Abend

(Foto: dpa)

Wieder gibt es keine Einigkeit im Unterhaus, ein harter Brexit scheint immer wahrscheinlicher. Was passiert jetzt? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

An diesem Dienstag kommt die britische Regierung auf Betreiben von Premierministerin Theresa May zu Marathonberatungen zusammen. Es wird ein Ausweg aus dem Brexit-Dilemma gesucht, nachdem das Unterhaus am Montagabend abermals vier Alternativen zu Mays umstrittenem Brexit-Deal mit der EU abgelehnt hat. Großbritannien droht in knapp zwei Wochen der Austritt aus dem Staatenbund ohne jedes Abkommen - mit ernsten Folgen für Wirtschaft, Verwaltung und Bürger. Die EU drängt London zur Eile.

Was ist zuletzt passiert?

Am Montag scheiterten im britischen Parlament erneut alle Alternativen zum Brexit-Abkommen der May-Regierung mit der EU. Mehrere Abstimmungen im britischen Unterhaus ließen zwar eine Tendenz für eine weiche Scheidung von der EU erkennen. Trotzdem lehnten die Parlamentarier einen Antrag auf Verbleib in der Zollunion mit einer knappen Differenz von drei Stimmen (276 zu 273 Stimmen) ab. Gegen den Verbleib im Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen sowie Personenfreizügigkeit sprachen sich die Abgeordneten mit 282 zu 261 Stimmen aus. Ebenfalls scheiterte der Vorstoß, einen etwaigen Brexit-Deal noch einmal zur Volksabstimmung zu stellen oder den Austritt ganz abzublasen.

Was sind Mays nächste Schritte?

Die Premierministerin hat für Dienstag eine mehr als fünfstündige Sitzung ihres Kabinetts einberufen - in unterschiedlicher Besetzung. Normalerweise dauert eine Sitzung des Kabinetts etwa 90 Minuten. Medienberichten zufolge machen einige Minister Stimmung für einen No-Deal-Brexit, andere fordern, eine engere Anbindung an die EU zur Regierungslinie zu machen. Der Vorschlag, in der Europäischen Zollunion zu bleiben, kam zwar am Montag bei der Abstimmung einer Mehrheit noch am nächsten, allerdings gegen den Widerstand eines großen Teils der konservativen Regierungspartei.

Könnte es Neuwahlen geben?

Neuwahlen wären denkbar, um das Kräfteverhältnis im Parlament zu ändern - doch davon würden nicht die Tories, sondern eher die oppositionelle Labour-Partei profitieren. Auch darüber will May heute mit ihren Ministern sprechen. Für die Auflösung des Parlaments und die Ausrufung von Neuwahlen bräuchte sie eine Zweidrittelmehrheit im Unterhaus. Dann müssten mindestens fünf Wochen verstreichen, bevor gewählt werden kann. Damit wäre eine lange Verschiebung des Brexit unumgänglich und Großbritannien müsste an der Europawahl Ende Mai teilnehmen.

Legt May ihren Deal jetzt ein viertes Mal vor?

Das ist durchaus wahrscheinlich, auch wenn die Premierministerin damit bereits drei Mal gescheitert ist. Die Differenz zwischen Befürwortern und Gegenstimmen wurde bei jeder Abstimmung weniger: 230, 149, 58. Womöglich könnte das Unterhaus schon am Mittwochabend ein viertes Mal über Mays Deal abstimmen. Fraglich ist, ob Parlamentssprecher John Bercow dies zulässt.

Was sagt die EU?

Brüssel drängt angesichts der Drohkulisse eines harten Brexit zur Eile. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mahnt, es sei an der Zeit, dass das britische Parlament sage, was es wolle.

Ein "No-Deal"-Brexit werde "von Tag zu Tag wahrscheinlicher", beklagt EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Die Europäische Union sei bereit, Großbritannien in der Zollunion zu halten oder eine ähnliche Beziehung wie die zwischen der EU und Norwegen zu akzeptieren. Allerdings gab es auch dafür bisher keine Mehrheit im Unterhaus. Im Fall einer längeren Verschiebung des Brexit-Termins werde das ausgehandelte Austrittsabkommen nicht neuverhandelt, so Barnier.

Und jetzt?

Die EU wird am 10. April einen Sondergipfel abhalten, um über eine mögliche Bitte Londons um einen längeren Brexit-Aufschub zu beraten - oder letzte Vorbereitungen für einen britischen Austritt ohne Deal zu treffen. Heikel wäre eine weitere Gnadenfrist für Großbritannien auch, weil es dann wohl an der Wahl zum Europaparlament Ende Mai teilnehmen müsste. Zwei Termine stehen im Raum, wenn die Briten nicht verlängern sollten: der 12. April als Austrittsdatum im Falle eines harten Brexits, der 22. Mai für den Fall, dass das Parlament ihren Pakt doch noch billigen sollte.

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