Brexit:Darum geht es heute im britischen Parlament

Brexit-Debatte im britischen Unterhaus

Täglich grüßt der Brexit - Geoffrey Cox, Rechtsberater der britischen Regierung, spricht im Unterhaus.

(Foto: AFP)
  • Bei Probeabstimmungen im Unterhaus werden besonders Anträgen zu einer Zollunion und zu einem Referendum über einen Austrittsvertrag Chancen eingeräumt.
  • Die Parlamentarier sprechen auch über eine Absage des Brexit. Eine entsprechende Petition hatten mehr als sechs Millionen Briten unterzeichnet.
  • Premierminister May will angeblich im Laufe der Woche erneut über ihren Deal mit der EU abstimmen lassen.

Das britische Parlament sucht am Montag mit Hochdruck weiter nach Alternativen zum Brexit-Kurs von Premierministerin Theresa May. Ab dem Nachmittag debattieren die Abgeordneten über verschiedene Optionen, bevor sie gegen 21 Uhr deutscher Zeit abstimmen. Finden sie keine Lösung, drohen ein Austritt ohne Abkommen am 12. April oder eine erneute Verschiebung des EU-Austritts.

Bereits am Mittwoch hatten die Abgeordneten in Probeabstimmungen über acht Vorschläge abgestimmt, von denen aber kein einziger eine Mehrheit bekam. Beobachter halten es allerdings für möglich, dass sich die Abgeordneten nun auf eine der Varianten einigen könnten, die am besten abgeschnitten hatten.

Die Vorschläge, die die Abgeordneten eingereicht haben, ähneln denen vom vergangenen Mittwoch. Für den Abend wird damit gerechnet, dass Unterhaus-Sprecher John Bercow bekanntgibt, welche drei bis vier Anträge für die Debatte und die Abstimmung ausgewählt wurden. Die eingereichten Anträge zielen in verschiedene Richtungen:

1) Einseitiges Recht zur Aufhebung des "Backstop"

Damit soll Großbritannien die EU bis 22. Mai verlassen können. Zugleich soll es den sogenannten Backstop aufheben können. Es gilt allerdings als unwahrscheinlich, dass die EU den Briten ein einseitiges Recht zur Aufkündigung des Backstop einräumen könnte. Mit dem Backstop soll eine harte EU-Außengrenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland verhindert werden.

Der Vorschlag beinhaltet zugleich die Forderung, dass Großbritannien in der Zollunion bleibt, bis ein Handelsabkommen mit der EU geschlossen wird. Solange die Briten aber in der Zollunion sind, dürfen sie keine Handelsverträge mit anderen Staaten schließen, was Befürworter eines schnellen Brexit ablehnen.

2) Ausscheiden ohne Abkommen

Ein No Deal ist der Wunschtraum vieler Hardliner. Das Vereinigte Königreich soll am 12. April ausscheiden, wenn ein Abkommen bis dahin keine Mehrheit im Unterhaus findet. Ein ähnlicher Antrag wurde in der letzten Runde aber schon mit großer Mehrheit abgelehnt.

3) Die Zollunion

Gefordert wird, dass ein Austrittsabkommen nur geschlossen wird, wenn das Land in der Zollunion bleibt. Das müsste aber mit der EU verhandelt werden, die bisher substanzielle Ergänzungen am Vertrag ablehnt. Ein ähnlicher Vorstoß scheiterte zuletzt im Parlament nur knapp. Er zählt deshalb am Montag zu den aussichtsreichsten Vorschlägen.

4) Gemeinsamer Markt

Dieser Antrag verlangt ein Abkommen mit der EU nach dem Vorbild von Norwegen. Man bliebe in einem gemeinsamen Markt einschließlich von gesonderten Zoll-Regelungen.

5) Referendum zu Vertrag mit der EU

Hier wird zunächst eine Volksabstimmung über einen Vertrag mit der EU verlangt. Danach soll er vom Parlament ratifiziert werden. Dieser Vorstoß scheiterte beim letzten Mal recht knapp. Er könnte diesmal gute Chancen haben.

6) Volksabstimmung gegen einen No-Deal-Austritt

Es gibt noch einen weiteren Antrag, der die Bevölkerung an die Wahlurnen rufen will. In einer Volksabstimmung soll entschieden werden, dass das Land die EU nicht ohne Vertrag verlassen darf. Einen solchen Antrag gab es bisher noch nicht.

7) Austritt nur mit Ja des Parlaments

Sollte auch zwei Tage vor dem Austritts-Termin noch kein Vertrag mit der EU im Parlament gebilligt worden sein, müsse die Regierung sich nach diesem Antrag um eine weitere Verschiebung des Austritts bemühen. Sollte eine solche Verlängerung nicht zustande kommen, müsse noch kurz vor dem Austritt eine Zustimmung des Parlaments für einen Exit ohne Vertrag eingeholt werden. Gebe es diese nicht, müsse der Brexit ganz abgeblasen werden. Ein ähnlicher Vorstoß fand beim letzten Mal keine Mehrheit.

8) Großbritannien in Handelszonen mit EU belassen

Der Vorschlag zielt darauf, dass das Land in verschiedenen Handelsabkommen mit EU-Staaten bleiben soll. Der Antrag traf zuletzt schon auf große Ablehnung.

Die größten Chancen haben wohl die Vorschläge, dass Großbritannien dauerhaft in einer Zollunion mit der Europäischen Union bleibt oder dass die Briten in einem neuen Referendum über den Deal entscheiden. Die EU sieht eine Zollunion positiv. Der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, sagt dazu: "Wir verhindern einen harten Brexit und lösen das Problem an der irischen Grenze."

Vorausgesetzt es gibt für einen oder mehrere Anträge eine Mehrheit, so ist die Regierung formal dennoch nicht daran gebunden, diese umzusetzen. Regierungsmitglieder haben aber bereits zu verstehen gegeben, dass man den Willen des Parlaments sehr ernst nehme.

Am späten Nachmittag soll außerdem in der Westminster Hall über eine Online-Petition für den Verbleib Großbritanniens in der EU beraten werden. Sechs Millionen Briten haben die Petition schon unterzeichnet. Die Regierung teilte mit, dass sie eine Rücknahme der Austrittserklärung ablehnt und sich an das Referendum von 2016 gebunden fühlt. Damals hatte eine knappe Mehrheit für die Scheidung von der Staatengemeinschaft gestimmt.

May hatte am Freitag bereits zum dritten Mal keine Mehrheit für den von ihr ausgehandelten Brexit-Vertrag mit der Europäischen Union gefunden. Angeblich will sie in dieser Woche aber noch einen weiteren Anlauf starten. Wie die britische Nachrichtenagentur PA meldet, könnte May am Dienstag oder Mittwoch zum vierten Mal im Parlament über den Deal abstimmen lassen.

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