Süddeutsche Zeitung

Brexit:Ein schwerer Schlag für May

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Tory-Hardliner machen der britischen Premierministerin einen Strich durch ihren Brexit-Plan. Sie halten einen vertragslosen EU-Austritt für unproblematisch - und verpassen May erneut eine Niederlage im Parlament.

Von Cathrin Kahlweit, London

Am Donnerstagabend um sieben Uhr britischer Zeit war das Unterhaus weitgehend leer: Das Match des Fußballclubs Arsenal gegen die weißrussische Mannschaft von Bate Borisov hatte gerade begonnen - und Parlamentssprecher John Bercow hatte mit launigen Worten einer Unterbrechung der Brexit-Debatte zugestimmt. Dabei war es am Nachmittag - und damit etwa 40 Tage vor dem geplanten Brexit-Termin am 29. März - wieder einmal zu heftigen Auseinandersetzungen und zu einer Abstimmungsniederlage für die Premierministerin gekommen.

Zahlreiche Konservative halten einen harten, vertragslosen Brexit nicht für problematisch

Mit einer Mehrheit von 303 zu 258 Stimmen hatte das Parlament gegen eine Regierungsvorlage gestimmt, in der nicht wörtlich, aber doch implizit angeregt wird, einen No Deal, also einen vertragslosen Austritt aus der Europäischen Union, um jeden Preis zu vermeiden. Beigebracht hat Theresa May diese Niederlage die Gruppe von Tory-Abgeordneten, die sich in der "European Research Group" (ERG) organisiert haben. Die Hardliner stimmten mithin gegen die eigene Regierung, weil sie nicht wollen, dass May in den Verhandlungen mit Brüssel die Möglichkeit eines No Deal von vornherein ausschließt.

Zahlreiche Mitglieder der ERG halten einen harten, vertragslosen Brexit nicht für problematisch. Die Opposition stimmt wiederum gegen Mays Vorlage, weil sie den Versuch, den Backstop wegzuverhandeln, für so ausweglos wie falsch hält. Labour unter Parteichef Jeremy Corbyn fordert einen weichen Brexit und einen permanenten Verbleib Großbritanniens in der Zollunion.

Die Premierministerin hatte für den Valentinstag, an dem die Parlamentarier erneut ihre Meinung zu den Brexit-Verhandlungen darlegen durften, einen sogenannten neutralen Antrag vorgelegt - einen Text also, in dem der aktuelle Stand festgehalten war und den das Unterhaus einfach hätte zur Kenntnis nehmen können. Neues stand nicht darin; seit der letzten Debatte samt Abstimmung vor zwei Wochen, als das Parlament Theresa May den Auftrag erteilt hatte, nach Brüssel zurückzugehen und ein weiteres Mal über den Backstop zu verhandeln, hat sich inhaltlich nicht viel getan. Der Backstop legt fest, dass Nordirland, falls sich London und Brüssel nicht fristgerecht auf einen Handelsvertrag einigen, weiter im Binnenmarkt bleibt. Die Brexiteers und die Unionisten von der nordirischen DUP lehnen das vehement ab.

Das Parlament hatte, unterstützt von einigen Labour-Abgeordneten, Ende Januar mehrheitlich für einen Antrag von Tory-Abgeordneten gestimmt, der verlangt, dass May alternative Lösungen sucht. Das könnte die einseitige Aufkündigung der Notfalllösung sein, eine zeitliche Befristung - oder aber ein neues technisches Modell für Zollkontrollen. Zudem aber hatte sich das Haus, unterstützt von einigen liberalen Tory-Abgeordneten, für einen Antrag ausgesprochen, der den No Deal ablehnt. Der neutrale Antrag von May am Mittwoch lautete nun, das hohe Haus solle die Rede der Premierministerin vom 12. Februar begrüßen, in welcher der Wille bekundet wurde, die EU pünktlich zu verlassen, wie es bereits am 29. Januar vom Parlament beschlossen worden war, und zugleich befürworten, dass es weitere Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien über den Backstop gebe. Banaler ging es nicht. Aber die ERG spielte nicht mit, weil das Parlament eben am 29. Januar auch für die Vermeidung eines vertragslosen Austritts gestimmt hatte.

Hinter den Kulissen wurden viele Kompromisse ausgelotet, um May zu helfen, das Gesicht zu wahren

Für May ist diese Abstimmungsniederlage ein schwerer Schlag - zeigt sie doch, dass sie sich auf die etwa 80 konservativen Abgeordneten von der ERG nicht verlassen kann, weil diese ihre harte, kompromisslose Linie weiter durchdrücken.

Das wird auch Brüssel registrieren, wo in den vergangenen Tagen hinter den Kulissen zahlreiche Kompromisse ausgelotet wurden, um May zu helfen, das Gesicht zu wahren. Vor allem aber, um den gemeinsamen Vertrag doch noch fristgemäß durch das britische Parlament zu bringen. Wenn May aber nicht garantieren kann, dass ein Teil ihrer Fraktion in wenigen Wochen, wenn sie den Vertrag erneut dem Unterhaus vorlegen will, für einen aufgeweichten Backstop stimmt, wird sich auch die Bereitschaft der Kommission, London entgegenzukommen, schnell wieder stark vermindern.

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Quelle:
SZ vom 15.02.2019
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