Brexit:Johnson will sich offenbar über No-Deal-Gesetz hinwegsetzen

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Auch das Parlament würde Premier Johnson bisweilen gern am Strick durch die Manege führen, so scheint es.

(Foto: Getty Images)
  • Einem Pressebericht zufolge will sich der britische Premier vom Gesetz gegen den No Deal nicht von seinem harten Brexit-Kurs abbringen lassen.
  • Notfalls will sich Johnson offenbar über das Gesetz hinwegsetzen, das am Montag in Kraft treten soll.
  • Aus Protest gegen Johnsons Politik hat am Wochenende auch Amber Rudd, Tory-Politikerin und Arbeitsministerin, Kabinett und Fraktion verlassen.

Von Alexander Mühlauer, London

Premierminister Boris Johnson treibt den Brexit-Streit mit dem britischen Parlament weiter auf die Spitze. Medienberichten zufolge ist er dazu bereit, sich über das vom Unterhaus verabschiedete Gesetz hinwegzusetzen, das einen No-Deal-Brexit verhindern soll. Nach dem Willen des Parlaments muss die britische Regierung die EU um eine Verlängerung der Austrittsfrist bitten, sollte es beim EU-Gipfel am 17./18. Oktober keine Einigung auf einen Brexit-Vertrag geben. Aus Downing Street verlautete nun jedoch, dass Johnson dieses Gesetz "sabotieren" wolle. Im engsten Umfeld des Premierministers sei man darauf vorbereitet, "die Kettensäge an alles anzulegen", was Johnsons Brexit-Kurs im Weg stehe, berichtete die Sunday Times.

Johnson ist noch immer fest entschlossen, Großbritannien am 31. Oktober, dem bisherigen Austrittstermin, aus der Europäischen Union zu führen - und sei es ohne Abkommen. Sollte die Opposition ihn dann wegen Missachtung des Gesetzes vor dem Obersten Gerichtshof verklagen, spekuliert der Premierminister darauf, dass die Richter in der knappen Zeit bis Ende Oktober zu keinem Urteil kommen.

Ein ungeordneter Brexit wäre damit wohl nicht mehr zu verhindern. Um im Parlament eine Mehrheit für seinen Brexit-Kurs zu bekommen, will Johnson Neuwahlen am 15. Oktober durchsetzen. An diesem Montag möchte er im Unterhaus erneut darüber abstimmen lassen. Doch die Opposition dürfte sich weiter gegen Neuwahlen aussprechen und Johnson die nötige Mehrheit verwehren. Im Fall von Neuwahlen lägen Johnsons konservative Tories laut einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage unverändert bei 35 Prozent der Stimmen - und damit deutlich vor der Opposition. Die Labour-Partei ist binnen weniger Tage in der Wählergunst um vier Punkte gefallen und erreicht nur noch 21 Prozent. Die Liberaldemokraten liegen bei 19 Prozent, die Brexit-Partei von Nigel Farage erreicht 12 Prozent. Angesichts dieser Werte hofft Johnson auf einen Wahlsieg und damit auf ein klares Votum für seinen Brexit-Kurs. Farage hat Johnson bereits einen Pakt angeboten. Beide wollen alles dafür tun, damit das Vereinigte Königreich die EU am 31. Oktober verlässt.

Aus Protest gegen die Brexit-Politik der Regierung legte die britische Arbeitsministerin Amber Rudd am Wochenende ihr Amt nieder. Sie glaube nicht mehr daran, dass ein geordneter EU-Austritt das Hauptziel der Regierung sei, schrieb die konservative Politikerin in ihrem Rücktrittsschreiben an Johnson. "Die Regierung steckt viel Energie in die Vorbereitungen für einen No Deal, aber ich habe nicht das gleiche Maß an Intensität in den Gesprächen mit der Europäischen Union gesehen", so Rudd.

Sie verurteilte auch den Rauswurf von Abgeordnetenkollegen durch Johnson aus der Tory-Fraktion. "Ich kann nicht zusehen, wie gute, loyale, moderate Konservative ausgeschlossen werden", schrieb Rudd. "Ich kann diesen politischen Vandalismus nicht mittragen." Deshalb trete sie auch aus der Fraktion aus. Johnson hatte vergangene Woche 21 Tories aus der Fraktion geworfen, die im Streit um den Brexit-Kurs des Premierministers gegen die eigene Regierung gestimmt hatten.

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