Süddeutsche Zeitung

Brexit:Johnson stellt der EU ein Ultimatum

Großbritanniens Premier verlangt eine Einigung bis zum 15. Oktober. Sollte dies nicht gelingen, werde es kein Freihandelsabkommen geben.

Von Björn Finke, Brüssel, und Alexander Mühlauer, London

Im Brexit-Streit hat der britische Premierminister Boris Johnson die Spannungen mit der EU durch ein Ultimatum verschärft. Kurz vor Beginn der nächsten Verhandlungsrunde an diesem Dienstag forderte Johnson eine Einigung über die künftigen Beziehungen bis zum 15. Oktober, dem Tag des nächsten regulären EU-Gipfels. Sollte dies nicht gelingen, werde es kein Freihandelsabkommen geben, warnte der Premierminister am Montag in London.

Für Empörung in Brüssel sorgte zudem ein Bericht der Financial Times, demzufolge die britische Regierung Teile des bereits gültigen Austrittsvertrags mit einem nationalen Gesetz aushebeln wolle. Es geht dabei um Zusagen im Protokoll über Irland und Nordirland: Demnach muss sich das Vereinigte Königreich bei staatlichen Beihilfen weitgehend an EU-Regeln halten.

Um das zu verhindern, will die britische Regierung laut dem Zeitungsbericht noch in dieser Woche ein neues Binnenmarktgesetz vorlegen. Aus Downing Street verlautete am Montag, dass lediglich "geringfügige Klarstellungen in extrem spezifischen Bereichen" vorgenommen werden sollen. In einer Stellungnahme der Regierung hieß es, dass man den Abmachungen über das Ausscheiden aus der EU sowie den Festlegungen bezüglich Irlands verpflichtet sei.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnte Großbritannien auf Twitter, sich an seine Zusagen zu halten. Irlands Außenminister Simon Coveney sagte dem Sender RTÉ, man müsse abwarten, ob es wirklich ein britisches Gesetz geben werde oder ob es sich um "politische Spielereien" handle. EU-Diplomaten warnten die Regierung in London, dass eine Abkehr von vertraglichen Zusagen weltweit zu einem Vertrauensverlust führen und die Chancen Großbritanniens auf weitere Abkommen schmälern würde.

Britische Logistikunternehmen warnen vor Blockaden an Häfen

Der CDU-Europaabgeordnete David McAllister bezeichnete die vollständige Umsetzung des Austrittsabkommens als "Lackmustest für eine vertrauensvolle Partnerschaft". McAllister leitet die für die Brexit-Gespräche zuständige Parlamentsgruppe. Das Europaparlament müsste einem Freihandelsabkommen zustimmen, genau wie alle 27 EU-Regierungen und viele nationale Parlamente. Damit das bis Jahresende gelinge, müsse solch ein Vertrag spätestens Ende Oktober vorliegen, heißt es in Brüssel.

Das Vereinigte Königreich hat die Europäische Union schon am 31. Januar verlassen, bis Jahresende ist das Land aber noch Teil des EU-Binnenmarktes und der Zollunion. Sollten die Verhandlungen zwischen London und Brüssel scheitern, würden vom 1. Januar an Zölle und Zollkontrollen eingeführt - mit schweren wirtschaftlichen Folgen.

Britische Logistikunternehmen warnen bereits vor Blockaden an Häfen und Lieferengpässen bei Lebensmitteln und anderen Gütern. Johnson wiederum betonte am Montag, dass Großbritannien "mächtig florieren" werde, selbst wenn es mit der EU nur "eine Handelsvereinbarung wie Australien" hätte: Australien hat kein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union.

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SZ vom 08.09.2020/dit
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