Süddeutsche Zeitung

Brexit:Good luck, old friends

Nach dem Wahlergebnis ist klar: Der Brexit kommt. Viele in der EU sind enttäuscht. Tatsächlich sollten sie aber erleichtert sein.

Kommentar von Björn Finke, Brüssel

Das Brexit-Drama war reich an überraschenden Wendungen, aber nach dem beeindruckenden Wahlsieg Boris Johnsons dürfte eins ziemlich klar sein: Der Austritt wird kommen, das Königreich wird die EU am 31. Januar tatsächlich verlassen. Das ist eine Enttäuschung für all jene, die gehofft hatten, die fatale Scheidung sei noch zu verhindern. Solch Enttäuschte gibt es nicht nur in Großbritannien, sondern auch im Rest Europas ­- viele Bürger und Politiker in der EU bedauern den anstehenden Abgang des langjährigen Partners.

Doch so verständlich dieser Trennungsschmerz ist: Die EU muss froh sein, dass Großbritannien den Brexit endlich vollziehen kann. Zwar wird die Scheidung beide Seiten schwächen - Großbritannien wie die EU. Und die Gespräche über die künftigen Beziehungen, über einen Handelsvertrag und die Zusammenarbeit bei Sicherheit und Verteidigung werden mühsam sein. Hier stehen wohl weitere Mini-Dramen bevor. Die Alternative wäre allerdings noch schlimmer gewesen.

Sozialistenführer Jeremy Corbyn versprach, bei einem Wahlsieg den Austrittsvertrag nachzuverhandeln und die Bürger in einem zweiten Referendum über Verbleib oder Austritt entscheiden zu lassen. Hätte seine Labour-Partei gewonnen, wäre der Brexit also abzuwenden gewesen. Aber aus Sicht der EU ist das eine schauderhafte Vorstellung. Denn nach einem abgesagten Austritt wäre Großbritannien ein fürchterlicher Partner.

Ein zweites Referendum würde wohl ähnlich knapp ausgehen wie das erste, nur hätten diesmal vielleicht die EU-Freunde die Nase vorne. Das Königreich wäre in dem Fall weiter gespalten; Brexit-Fans würden das Parlament und die neue Regierung als eine Bande von Landesverrätern ansehen. Der Vorwurf würde lauten: Das Unterhaus hat die Umsetzung des ersten Referendums-Ergebnisses solange sabotiert, bis eine Neuauflage jenes Resultat brachte, das dem verhassten Establishment passt. Ein großer Teil der Bevölkerung - und des Parlaments - würde die fortgesetzte EU-Mitgliedschaft deswegen als Fremdherrschaft begreifen. Das politische Klima wäre noch schlimmer als heute, auch wenn das schwer vorstellbar ist.

Die EU steht vor großen Herausforderungen, seien es der Klimawandel, Flüchtlingsströme oder Handelsstreitigkeiten. Mit das Letzte, was die EU gebrauchen kann, ist daher ein schwacher britischer Premier, der weiter in Brüssel mitmischt, aber aus Rücksicht auf sein zerrissenes Land nichts Ehrgeizigem zustimmen kann und sich stattdessen aufs Zaudern und Blockieren verlegt.

Der frühere Regierungschef David Cameron beging einen historischen Fehler, als er das unglückselige EU-Referendum ansetzte. Doch nun ist es zu spät, die Uhr lässt sich nicht zurückdrehen. Die Briten müssen austreten. Good luck, old friends.

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