Brexit:Großbritannien stehen laute Wochen bevor

Brexit: "Starke und stabile Führung": Premier Theresa May wiederholt diesen Slogan derzeit, bis es nicht mehr geht.

"Starke und stabile Führung": Premier Theresa May wiederholt diesen Slogan derzeit, bis es nicht mehr geht.

(Foto: AFP)
  • Vor den Parlamentswahlen am 8. Juni ist ein kurzer, lauter Wahlkampf in Großbritannien angelaufen.
  • Die Conservative Party setzt auf eine Strategie aus gebetsmühlenartig wiederholten Doktrinen und persönlichen Angriffen.
  • Labour-Chef Jeremy Corbyn lässt sich darauf - bislang - nicht ein.

Von Christian Zaschke, London

In Großbritannien hat der Wahlkampf begonnen, und es ist jetzt schon klar, dass dem Land bis zur Abstimmung am 8. Juni laute und enervierende Wochen bevorstehen. Premierministerin Theresa May hat sich dazu entschieden, auf jede Frage mit dem Hinweis zu antworten, man brauche jetzt eine "starke und stabile Führung". Mit einer bemerkenswerten Disziplin wiederholt sie diese Worte unentwegt, gemäß der alten Doktrin, dass man einen Slogan bis zum Erbrechen benutzen muss, damit er bei den Wählern ankommt.

Darin ist Theresa May eine Meisterin. Monatelang wiederholte sie ungerührt den sinnfreien Satz "Brexit heißt Brexit", und dass sich das politische London offen darüber lustig machte, ließ sie kalt. Ihr nächster Dauerbrenner lautete: "Die Wähler wollen ein Land, das für alle funktioniert, nicht nur für die wenigen Privilegierten." Ungefähr alle fünf Minuten flocht sie diesen Satz in ihre Reden ein, und stets so, als sei ihr das gerade eben eingefallen. Nun also wird sie das Land mit der Formel von der "starken und stabilen Führung" bearbeiten.

Das Rezept: Wiederholen einer Kernbotschaft plus persönliche Attacken

Entworfen hat diese Strategie Lynton Crosby, der australische Wahlkampfmanager der Konservativen. Crosby war auch der Kopf hinter der siegreichen Kampagne von David Cameron, der 2015 überraschend die absolute Mehrheit errungen hatte. Zudem zeichnete er 2008 und 2012 für die Wahlkämpfe von Boris Johnson verantwortlich, der als Konservativer zweimal im Labour-freundlichen London zum Bürgermeister gewählt wurde. Crosby wird wahlweise als "australischer Rottweiler", "böses Genie" oder "Rasputin aus dem Outback" bezeichnet. Sein Rezept lautet stets: Penetrantes Wiederholen einer Kernbotschaft und direkte persönliche Attacken.

Da May sich möglichst souverän beziehungsweise "stark und stabil" präsentieren soll, kümmern sich andere um die Attacken. Boris Johnson, mittlerweile Außenminister, übernahm den Part am Donnerstag. In einem Zeitungsartikel bezeichnete er Labour-Chef Jeremy Corbyn als "hammelköpfigen, alten, unsicheren Kantonisten". Wörtlich sagte er "mutton-headed, old mugwump", was dazu führte, dass halb Westminster zunächst einmal das Internet anwarf, um zu schauen, was das klangvolle Wort "mugwump" wohl bedeuten könnte. Es ist eine typische Johnson-Beleidigung. Der klassisch gebildete Minister liebt es, sich blumig auszudrücken. In anderen Einlassungen nannte er den Vegetarier Corbyn einen "Pflanzenfresser aus Islington" (Islingtonian herbivore).

Außenminister Johnson bringt das Thema Syrien ungefragt auf

Inhaltlich hatte Johnson auch etwas mitzuteilen. In mehreren Interviews sagte er am Donnerstag, dass Großbritannien kaum Nein sagen könne, falls die USA um Hilfe bei Militärschlägen in Syrien bäten, zum Beispiel nach einem weiteren Angriff mit Giftgas. Ob in einem solchen Fall das Parlament um Zustimmung gefragt werden müsse, sei offen. Das ist insoweit kontrovers, als die Regierung zwar rechtlich nicht verpflichtet ist, das Parlament vor einem Einsatz des Militärs zu konsultieren, das jedoch seit 2003 grundsätzlich tut. Als der damalige Premierminister David Cameron 2013 militärisch gegen den syrischen Machthaber Baschar al-Assad vorgehen wollte, verweigerte das Parlament ihm in einer historischen Wahl die Zustimmung.

Dass Außenminister Johnson das Thema Syrien mehr oder weniger ungefragt aufbrachte, dürfte ebenfalls auf Wahlkampfmanager Crosby zurückgehen. Labour ist in der Frage gespalten. Während Jeremy Corbyn den jüngsten amerikanischen Angriff auf Assad strikt ablehnte, war sein Stellvertreter Tom Watson dafür. Indem sie das Thema wieder in die Debatte bringen, hoffen Crosby und Johnson, die Differenzen innerhalb der Labour-Partei zum Vorschein zu bringen.

Corbyn reagierte auf die Angriffe Johnsons, wie er auf alles reagiert: ruhig. Er sagte, er werde einen sachlichen Wahlkampf führen und sich nicht auf das Niveau der persönlichen Attacke begeben. In einer Rede in Harlow nordöstlich von London stellte er in Aussicht, dass eine Labour-Regierung pro Jahr 100 000 Sozialwohnungen bauen würde. Zu Johnsons Äußerungen über Syrien befragt, sagte Corbyn: "Ich sehe nicht, wie noch mehr Bomben helfen würden."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: