Brexit:Johnsons Bruder tritt als Abgeordneter und Staatsminister zurück

  • Jo Johnson, der Bruder des britischen Premierministers Boris Johnson, tritt als Abgeordneter und Staatsminister zurück, weil er mit dem Kurs seines Bruders nicht einverstanden ist.
  • Großbritanniens Regierung will offenbar das am Mittwoch vom Unterhaus verabschiedete Gesetz gegen einen harten Brexit nicht blockieren.
  • Die Vorlage soll einem Bericht zufolge das Oberhaus schnell passieren und könnte dadurch auch zeitnah von Queen Elizabeth II. unterzeichnet werden.
  • In diesem Fall könnten die zuvor von der Opposition abgelehnten Neuwahlen doch zeitnah kommen.

Jo Johnson, der jüngere Bruder des britischen Premierministers Boris Johnson, saß bislang für den Bezirk Orpington in Südlondon als konservativer Abgeordneter im britischen Unterhaus. Unter seinem Bruder diente er als Staatsminister für Universitäten und Wissenschaft. Nun teilte er mit, dass er beide Ämter aufgeben wolle. Als Begründung gab er an, zwischen "Familie und nationalem Interesse" zerrissen zu sein. Er glaube nicht daran, dass die aktuelle Regierung im Sinne Großbritanniens handele, sagte Jo Johnson, der bereits aus dem Kabinett von Theresa May im Streit über ihren Umgang in der Brexit-Frage zurückgetreten war. Der Politiker hatte beim Brexit-Referendum 2016 für den Verbleib des Königreichs in der EU gestimmt.

Unterdessen will der Premierminister am kommenden Montag offenbar einen zweiten Anlauf wagen, um eine Neuwahl durchzusetzen, wie Jacob Rees-Mogg mitteilte. Der erzkonservative Tory-Abgeordnete ist als Vorsitzender des Unterhauses für den Parlamentskalender zuständig. Johnson will am 15. Oktober wählen lassen, um dann zwei Tage später beim EU-Gipfel mit einem Mandat für seinen kompromisslosen Brexit-Kurs zu erscheinen. Bei einem ersten Versuch am Mittwoch war Johnson mit seinem Antrag krachend im Parlament durchgefallen. Er hätte dafür eine Zweidrittelmehrheit benötigt, die er aber deutlich verfehlte.

Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei will einer Neuwahl erst zustimmen, wenn das Gesetz gegen den No Deal in Kraft getreten ist. Damit wird bis Montag gerechnet. Das Gesetz soll Johnson dazu zwingen, eine dreimonatige Verlängerung der am 31. Oktober auslaufenden Brexit-Frist zu beantragen, falls bis zum 19. Oktober kein Abkommen mit der EU ratifiziert ist. Der Antrag müsste dann von den übrigen 27 EU-Mitgliedstaaten einstimmig gebilligt werden.

Die britische Regierung hatte in der Nacht zum Donnerstag ihren Widerstand gegen das Gesetz aufgegeben, das einen ungeregelten Brexit verhindern soll. Das berichtete die britische Nachrichtenagentur PA. Demnach einigte sich die Regierung mit der Opposition, den Gesetzentwurf im Oberhaus nicht länger durch Verfahrenstricks aufzuhalten. Einem Bericht des Guardian zufolge kam die Einigung in den frühen Morgenstunden am Donnerstag zustande. Das Gesetz scheint damit so gut wie sicher rechtzeitig vor dem Beginn der Zwangspause des Parlaments nächste Woche in Kraft treten zu können. Der Gesetzentwurf hatte am Mittwoch gegen den Willen von Premierminister Boris Johnson alle drei Lesungen im Unterhaus passiert.

Der Gesetzentwurf soll bis Freitagabend auch von den Lords im Oberhaus gebilligt werden. Dort versuchten Brexit-Hardliner mit einer Flut von Anträgen und Dauerreden am Mittwoch zunächst das Gesetz zu stoppen. Doch am frühen Donnerstagmorgen gaben sie nach: Regierung und Opposition einigten sich darauf, die Debatte nicht ins Wochenende hineinzuschleppen. Das Gesetz, das einen Brexit ohne Abkommen verhindern soll, scheint damit so gut wie sicher rechtzeitig vor der Zwangspause des Parlaments in Kraft treten zu können.

Was den Sinneswandel bei der Regierung ausgelöst hat, war zunächst unklar. Nach der ersten Abstimmungsniederlage hatte Johnson 21 Tory-Rebellen aus der Unterhaus-Fraktion geworfen, die gegen die eigene Regierung gestimmt hatten. Darunter so prominente Mitglieder wie den Alterspräsidenten und ehemaligen Schatzkanzler Ken Clarke und den Enkel des Kriegspremiers Winston Churchill, Nicholas Soames. Offenbar gibt es innerhalb der Tories aber wachsenden Widerstand und die Forderung, die Verstoßenen wieder aufzunehmen. Einem Bericht zufolge droht auch die Stimmung in Johnsons Kabinett zu kippen.

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