Alles Wichtige zum Brexit:Großbritannien verlässt die EU

Leave Means Leave Host Brexit Day Celebration Party

Brexit-Befürworter feiern den EU-Austritt Großbritanniens auf dem Parliament Square in London.

(Foto: Getty Images)
  • Der Brexit ist da: Großbritannien ist nicht mehr Teil der Europäischen Union.
  • Premierminister Boris Johnson hat das Vereinigte Königreich damit wie versprochen am 31. Januar aus der EU geführt.
  • Die Übergangsphase will er nicht über Ende 2020 hinaus verlängern.

Boris Johnson ist am Ziel: Großbritannien ist nicht mehr Teil der Europäischen Union. Nun beginnt eine elfmonatige Übergangsphase. Alle Entwicklungen im Liveblog:

Großbritannien verlässt die EU

Der Countdown an der 10 Downing Street ist runtergezählt. Seit 23 Uhr britischer Zeit und 0 Uhr mitteleuropäischer Zeit ist Großbritannien nicht mehr Teil der Europäischen Union. Der Chef der britischen Brexit-Partei, Nigel Farage, feierte mit Hunderten Anhängern vor dem britischen Parlament. Viele schwenkten Union-Jack-Flaggen oder England-Fahnen, manche trugen Sticker mit der Aufschrift "Happy Brexit Day!"

Alkohol war auf dem öffentlichen Platz nicht erlaubt, dennoch waren viele Gäste betrunken. Die Stimmung war teils aggressiv. EU-Flaggen wurden angezündet oder mit Füßen getreten. Veranstaltet wurde die Feier von der Initiative "Leave means Leave", zu der auch Farage gehört. Ein zunächst beantragtes Feuerwerk war nicht genehmigt worden. Auch Big Ben sollte nicht zum Austritt läuten. Der Uhrturm des Parlaments wird derzeit aufwendig restauriert.

Der britische Premierminister Boris Johnson will den Brexit zu einem "unfassbaren Erfolg" machen. Das sagte Johnson am Freitagabend in einer im Internet veröffentlichten Ansprache an die Nation. Der Brexit bietet laut Johnson die Chance, das "volle Potenzial Großbritanniens zu entfesseln". Gleichwohl räumte Johnson ein, dass der Weg dorthin holprig sein könnte. "Es ist ein Moment der echten nationalen Erneuerung und des Wandels", erklärte der Premier. Seine Aufgabe sei es nun, "dieses Land wieder zusammenzubringen".

An der ständigen britischen Vertretung in Brüssel weht schon seit Freitagnachmittag keine EU-Fahne mehr und auch die EU holte den britischen Union Jack beim EU-Ratsgebäude und Parlament vom Mast. (1. Februar)

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Die letzten Stunden vor dem Austritt

Dreieinhalb Jahre nach dem Referendum endet die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens um Mitternacht mitteleuropäischer Zeit, für die Briten selbst um 23 Uhr. Es soll keine großen offiziellen Feierlichkeiten geben, auch Big Ben soll - anders als gefordert - nicht läuten. An der Fassade der 10 Downing Street, dem Regierungssitz, soll ein Countdown die letzten Minuten runterzählen. Nigel Farage hingegen, der frühere Chef der UK Independence Party (UKIP) und heutiger Vorsitzender der Brexit Party, plant mit der Intitiative "Leave means Leave" eine Party vor dem Parlament.

In einer Rede, die am Abend übertragen werden soll, betont Premierminister Boris Johnson laut vorab verbreiteten Auszügen, der Brexit sei kein Ende, sondern ein Anfang. "Es ist ein Moment der echten nationalen Erneuerung und des Wandels", so der Premier. Großbritannien war 47 Jahre Mitglied der europäischen Staatengemeinschaft. (31. Januar)

EU-Parlament stimmt für Brexit-Vertrag

Die Parlamentarier genehmigen das Austrittsabkommen mit großer Mehrheit. Für viele britische Abgeordnete sind die letzten Tage im EU-Parlament "herzzerreißend". Nun sind die Koffer gepackt und die Briten verlassen Brüssel. Es gibt viele Emotionen, und manche glauben sogar an eine Rückkehr, schreiben Björn Finke und Matthias Kolb. In Großbritannien gab es in der EU lange Zeit einen dritten großen Machtfaktor neben Frankreich und Deutschland. Nun ist die Frage, wer diese Rolle übernimmt. (29. Januar)

Von der Leyen und Michel unterschreiben Brexit-Abkommen

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen schreibt auf Twitter: "Charles Michel und ich haben gerade das Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU unterzeichnet und damit den Weg für seine Ratifizierung durch das Europäische Parlament frei gemacht." Die Vorbereitungen für die Trennung Großbritanniens von der Europäischen Union nach 47 Jahren Mitgliedschaft gehen damit in die letzte Runde. "Die Dinge werden sich zwangsläufig ändern, aber unsere Freundschaft bleibt", schrieb Michel. "Wir öffnen ein neues Kapitel als Partner und Verbündete." Nun muss noch der britische Premierminister Boris Johnson das Gesetz unterzeichnen. Das Europaparlament soll das Vertragswerk am 29. Januar ratifizieren. (24. Januar)

Queen billigt Ratifizierungsgesetz für Brexit-Abkommen

Königin Elizabeth II. hat den Gesetz für den Brexit-Deal gebilligt. Damit kann der Vertrag über den EU-Austritt nun in Großbritannien in Kraft treten. Nach dem Unterhaus hatte am Mittwoch auch das Oberhaus dem Gesetzentwurf zugestimmt. Mehrere Änderungen, die von den Lords vorgeschlagen wurden, hatten die Abgeordneten im Unterhaus zuvor abgewiesen.

"Zeitweise hat es sich so angefühlt, als würden wir die Brexit-Ziellinie nie erreichen, aber wir haben's geschafft", sagte Premierminister Boris Johnson nach der Verabschiedung des Gesetzes und fügte hinzu: "Jetzt können wir Groll und Zwist der vergangenen drei Jahre hinter uns lassen und uns darauf fokussieren, eine heitere, aufregende Zukunft zu gestalten". (23. Januar)

Britisches Oberhaus stimmt für Änderungen an Brexit-Gesetz

Das House of Lords hat zugunsten von EU-Bürgern in Großbritannien für Änderungen am Brexit-Gesetz von Premierminister Boris Johnson gestimmt. Mit 270 zu 229 Stimmen votierte das Oberhaus für eine Änderung, die Großbritannien verpflichten soll, dort lebenden EU-Bürgern schriftlich ihr Wohnrecht zu bestätigen. Derzeit können EU-Bürger sich online anmelden, um ihren Wohnstatus zu bestätigen, erhalten aber keinen Beleg.

Die Änderung der Lords vom Montag wird die Gesetzesvorlage nicht aufhalten, da das Unterhaus (House of Commons) sie bereits abgesegnet hat. Die Parlamentarier können außerdem Entscheidungen des Oberhauses kippen. Trotzdem bedeutet das Votum, dass der Entwurf in dieser Woche noch einmal zurück in das Unterhaus muss - statt automatisch in Kraft zu treten, wenn er am 21. Januar von den Lords abgesegnet wird. (20. Januar)

Britisches Parlament stimmt für Brexit-Gesetz

Mehr als drei Jahre nach dem Brexit-Referendum hat das Londoner Unterhaus den mit Brüssel ausgehandelten Vertrag für den EU-Ausstieg gebilligt. 330 Abgeordnete votierten für die Gesetzesvorlage, 213 dagegen. Brexit-Minister Steve Barclay sagte während der Debatte, die Verabschiedung des Gesetzes werde das Vertrauen in das Parlament und in die Demokratie wieder herstellen. Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss der Entwurf aber noch mehrere Stufen im Oberhaus durchlaufen. Die Ratifizierung ist Voraussetzung für einen geordneten Austritt am 31. Januar. (9. Januar)

Popo, der Todesclown

Die schottische Autorin A.L. Kennedy berichtet ab sofort wöchentlich aus dem Seelenleben des Brexit. Diesmal geht es um einen Premierminister mit fragwürdigen Stärken, ein Weltbild aus dem 18. Jahrhundert und KGB-Propagandatechniken. Die Brexit-Kolumne

Von der Leyen trifft Johnson

Die EU-Kommissionspräsidentin legt in London dar, wie sie sich die Zukunft der Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien vorstellt. Man werde Partner und Freund bleiben, doch könne die Zusammenarbeit nicht mehr so eng wie bisher sein. Der Brexit werde Folgen haben. Sie stellt den Briten Wirtschaftsbeziehungen "ohne Zölle, ohne Quoten, ohne Dumping" in Aussicht. Thomas Kirchner hat mehr Informationen zu von der Leyens Besuch bei Johnson in London. (8. Januar)

Was die Brexit-Wirren für Briten in Deutschland bedeuten

Das Austrittsabkommen mit der EU sollte eigentlich alle Fragen klären. Doch viele Briten tun sich in Deutschland trotzdem schwer bei der Suche nach Jobs, Wohnungen oder Bankkrediten. Thomas Hummel hat mit Briten in Deutschland gesprochen.

Brexit - aber wann?

Der neue EU-Kommissar für Handel, Phil Hogan, hält die Absage des britischen Premierministers Boris Johnson an eine Verlängerung der Übergangsphase nach dem EU-Austritt Großbritanniens für unglaubwürdig. "Wir haben gesehen, wie der Premierminister versprochen hat, eher tot im Graben zu liegen, als die Brexit-Frist zu verlängern, um dann genau das zu tun", sagte der Ire der Tageszeitung Irish Times. Johnson werde auch dieses Mal nicht in einem Graben sein Ende finden, so Hogan. Großbritannien soll am 31. Januar aus der EU austreten. In einer Übergangsphase bis Ende 2020, während der so gut wie Alles beim Alten bleibt, wollen beide Seiten dann ein Abkommen über die künftigen Beziehungen aushandeln. Doch die Zeit dafür gilt als denkbar knapp. Eine noch bis Juli mögliche Verlängerungsoption um bis zu zwei Jahre hat Johnson jedoch bislang ausgeschlossen. Die Absage an eine Verlängerung soll sogar im Ratifizierungsgesetz für den Brexit-Deal festgelegt werden. Ein Schritt, den Hogan als "sehr merkwürdig" und als politischen "Stunt" bezeichnete. Für Johnson, der bei der Parlamentswahl eine stabile Mehrheit gewonnen hat, wäre es ohnehin jederzeit möglich, das Gesetz wieder zu ändern. (31. Dezember)

Unterhaus besiegelt Brexit-Deal

Das britische Parlament stimmt am Freitag für das Brexit-Abkommen von Premierminister Boris Johnson. Der Entwurf für das entsprechende Ratifizierungsgesetz wird von der neuen Regierungsmehrheit der Konservativen in zweiter Lesung mit 358 zu 234 Stimmen angenommen. Großbritannien ist damit einem EU-Austritt am 31. Januar einen großen Schritt näher gekommen. Johnsons Vorgängerin Theresa May war mit ihrem Abkommen drei Mal gescheitert. Endgültig in Kraft treten wird das Gesetz zum Brexit-Vertrag aber erst nach Weihnachten.

Queen's Speech: Elizabeth II. verliest Johnsons Regierungsprogramm

Eine Woche nach der Unterhauswahl eröffnet Queen Elizabeth II. das britische Parlament in einer feierlichen Zeremonie. Vor den frisch gewählten Abgeordneten in London hält sie eine Rede, die sogenannte Queen's Speech, die sie allerdings nicht selbst geschrieben hat. Vielmehr verliest die Queen das Regierungsprogramm von Premier Johnson. (19. Dezember)

Johnson will Zeit für Brexit-Übergangsphase gesetzlich festschreiben

Premierminister Johnson will Medienberichten zufolge eine Verlängerung der Übergangsphase nach dem Brexit gesetzlich blockieren. Damit würde sich Johnson selbst unter Druck setzen, nach dem voraussichtlichen EU-Austritt Großbritanniens zum 31. Januar innerhalb von elf Monaten ein Handelsabkommen mit der Staatengemeinschaft auszuhandeln.

Eine Verlängerung über Ende 2020 hinaus wäre den Plänen zufolge dann rechtswidrig. Mehrere Medien wie der TV-Sender ITV und die Zeitungen The Times und die Financial Times berichten übereinstimmend über Johnsons Vorhaben. EU-Unterhändler Michel Barnier hat bereits davor gewarnt, dass elf Monate nicht ausreichten, um ein umfassendes Abkommen auszuhandeln. Während der Übergangsphase unterliegt das Land aber noch EU-Regeln. (17. Dezember)

Johnson drückt beim Brexit aufs Gaspedal

Boris Johnson will beim Brexit nach seinem Wahlsieg aufs Tempo drücken. Am Dienstag soll das neue Parlament zusammentreten, bereits am Freitag soll das Unterhaus über das Austrittsabkommen mit der EU abstimmen. Angesichts der neuen Mehrheiten im Unterhaus gilt grünes Licht für den Vertrag als sicher.

Darüber hinaus treibt Johnson weitere Reformvorhaben voran: Neben einer schlankeren Bürokratie und der Zusammenlegung von Ministerien plant die neue Regierung auch milliardenschwere Investitionen in die Gesundheitsversorgung. (16. Dezember)

Abgeordnete sollen vor Weihnachten über Brexit abstimmen

Nach dem Sieg der Konservativen steht den Abgeordneten eine baldige Abstimmung über die Austrittsvereinbarung mit der EU bevor. Die Gesetzesvorlage für das zwischen Premierminister Boris Johnsons bisheriger Regierung und der EU ausgehandelte Abkommen werde "vor Weihnachten" dem Parlament vorgelegt werden, sagte der konservative Abgeordnete Rishi Sunak am Sonntag der BBC. Nach dem Austritt stehen die offiziellen Verhandlungen über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union an.

Für diese Zeit plant Johnson einer Zeitung zufolge einen massiven Umbau der Regierung. Nach dem geplanten EU-Austritt am 31. Januar könnte bis zu einem Drittel der Minister ausgetauscht werden, berichtet die Sunday Times unter Berufung auf Regierungsvertreter. (15. Dezember)

Das Wochenende nach der Wahl: Johnson triumphiert, Sturgeon eskaliert

Das Wochenende verbrachte Wahlsieger Johnson damit, seinen Triumph in einstigen Labour-Hochburgen zu feiern. Unterdessen leckten die Labour-Leute ihre Wunden, vielerorts wurde Ärger über Parteichef Jeremy Corbyn laut. Für Corbyns Nachfolge als Labour-Chef bringen sich bereits die ersten Kandidaten und Kandidatinnen in Stellung.

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon begab sich derweil auf Kollisionskurs mit Premier Johnson. Sie kündigte einen formellen Antrag auf ein neues Referendum an; Premierminister Boris Johnson machte seine Ablehnung in einem Telefongespräch mit Sturgeon deutlich. (15. Dezember)

Labour verliert wichtige Wahlkreise

Mit nur 203 Abgeordneten holt Labour das schlechteste Ergebnis seit 1935. Besonders im Norden Englands verlor die Arbeiterpartei zahlreiche Wahlkreise, die traditionell eine Hochburg darstellten. Bei genauerer Betrachtung gibt es allerdings keine Mehrheit für den Brexit: Labour, Liberaldemokraten, Schottische Nationalpartei und Grüne kommen auf 50,3 Prozent, Konservative und die Brexit Partei von Nigel Farage holen gemeinsam nur 45,6 Prozent. Die Datenanalyse zur Wahl in Großbritannien.

Der Brexit rückt näher

Im Unterhaus hat Johnson durch den deutlichen Sieg nun freie Hand. Aller Voraussicht nach wird der Brexit bis zum 31. Januar 2020 über die Bühne gehen. Spannend dürften die im Anschluss folgenden Verhandlungen mit der EU werden, in denen es um die zukünftigen Beziehungen gehen wird. Johnson muss zeigen, wie er sich das Verhältnis mit der Europäischen Union nach dem Brexit vorstellt. Und er wird um die Zukunft Großbritanniens kämpfen müssen, wie Alexander Mühlauer analysiert.

"Der Albtraum ist geschehen"

Die Reaktionen der internationalen Presse reichen von beeindruckt bis zu schockiert. Der Daily Mirror überschreibt seine Titelseite mit der Zeile "Albtraum kurz vor Weihnachten", der Guardian sieht es ähnlich: "Der Albtraum ist geschehen." Die Times hingegen ist beeindruckt von Johnsons Sieg und auch die französische Tageszeitung Le Monde zollt der Leistung Johnsons Respekt. Die Presseschau zur Wahl in Großbritannien und zum Brexit.

Jeremy Corbyn kündigt Rückzug an

Nach dem Debakel bei der Unterhauswahl hat Labour-Chef Jeremy Corbyn seinen Rücktritt angekündigt. Corbyn will sein Amt aber nicht sofort abgeben, vielmehr brauche die Partei einen "Prozess der Reflexion", den er als Parteivorsitzender noch begleiten möchte. Für die Tories war Jeremy Corbyn der beste Wahlkampfhelfer, wie Stefan Kornelius kommentiert.

Tories holen absolute Mehrheit

Riesenerfolg für die Konservativen: Die Partei um Premierminister Boris Johnson gewinnt bei der Parlamentswahl in Großbritannien die absolute Mehrheit im Unterhaus. Johnson sprach von einem "historischen" Ergebnis. Seine Partei hätte ein "machtvolles neues Mandat" erhalten, "den Brexit zu erledigen", so der Premier. Die Arbeit am Brexit beginne sobald die Ergebnisse der Auszählung da seien. (13. Dezember)

Das Ergebnis der Wahl in Großbritannien

Wen wählt Großbritannien?

Es ist soweit: Die Briten haben die Wahl. Von 7 Uhr bis 22 Uhr britischer Zeit (also 8 bis 23 Uhr deutscher Zeit) sind die Wahllokale in den 650 Wahlkreisen geöffnet. Danach gibt es die ersten Prognosen. Der Kandidat oder die Kandidatin mit den meisten Stimmen in einem Wahlkreis zieht direkt in das Unterhaus ein. Das Mehrheitswahlrecht sieht ein "winner-takes-it-all"-Prinzip vor. In den letzten Umfragen vor der Wahl lagen die Tories mit um die 43 Prozent noch deutlich vor Labour mit etwa 34 Prozent. Allerdings sind diese aufgrund des britischen Wahlrechts durchaus mit Vorsicht zu genießen. Alle aktuellen Ereignisse und die Ergebnisse finden Sie in unserem Live-Ticker zur Wahl in Großbritannien. (12. Dezember)

Aufbruch in eine düsterere Ära

Premier Johnson wird bei der Wahl wohl eine satte Mehrheit im Parlament bekommen, obwohl er Fakten verschweigt oder lügt. Die Folgen? Die Briten werden sich mehr abschotten - und die Tories das Land nach ihrem Geschmack umkrempeln, kommentiert Cathrin Kahlweit. (11. Dezember)

Streit um britischen Gesundheitsdienst - Johnson kassiert Handy ein

Ein stundenlang auf dem Fußboden eines britischen Krankenhauses liegendes Kind befeuert die Debatte um den maroden Gesundheitsdienst NHS kurz vor der Parlamentswahl. Als ein Reporter des Fernsehsenders ITV ein Bild vom Jungen dem Premier Boris Johnson zeigt und um Stellungnahme bittet, kassiert der kurzerhand das Handy ein. Erst auf Protest des Journalisten gibt Johnson das Handy wieder zurück und spricht von einem "schrecklichen, schrecklichen Bild".

Eine neue Studie enthüllt zudem, dass die Engpässe im Gesundheitsdienst zu Tausenden Todesopfern führen. Nach der Untersuchung, über die der Guardian in Auszügen berichtet, starben insgesamt 5449 Menschen seit 2016 in England, nur weil sie zu lange in Notfallaufnahmen warten mussten. Die Wartezeiten betrugen demnach zwischen sechs und elf Stunden. Eine Patientenorganisation spricht von "sehr besorgniserregenden Ergebnissen". (10. Dezember)

Bericht: Regierungsdokument weckt Zweifel an Johnsons Brexit-Plänen

Der britische Premierminister Boris Johnson wirbt damit, das Thema EU-Austritt im kommenden Jahr ein für alle Mal zu erledigen. Doch ein an die Presse gelangtes Regierungsdokument lässt Zweifel daran aufkommen, ob das in der veranschlagten Zeit überhaupt machbar ist. Wie die Financial Times unter Berufung auf ein Dokument des Brexit-Ministeriums in London berichtet, sehen Regierungsbeamte vor allem in der Umsetzung der Vereinbarung zu Nordirland eine "große Herausforderung".

Bis zum Ende der elfmonatigen Übergangsphase nach dem Brexit soll sichergestellt werden, dass keine Warenkontrollen zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland notwendig werden. "Die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur, dazugehöriger Systeme und Mitarbeiter, um die Vorgaben des Protokolls bis Dezember 2020 umzusetzen, stellt eine große strategische, politische und organisatorische Herausforderung dar", heißt es nach Angaben der Financial Times in dem Regierungsdokument. (9. Dezember)

TV-Duell zwischen Johnson und Corbyn: Letzte Chance verpasst

Jeremy Corbyn ist zu anständig, zu handzahm, um Premier Johnson im letzten Fernsehduell vor der Wahl wirklich gefährlich zu werden. Johnson hingegen spielt seine Lieblingsrolle: sich selbst. Cathrin Kahlweit hat sich das Duell der beiden Kandidaten angeschaut. (7. Dezember)

Tories in Umfragen deutlich vor Labour

Zehn Tage vor der Wahl halten die Tories einen Vorsprung von sieben Prozentpunkten vor der Labour-Partei. Die Konservativen liegen einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts ICM bei 42 Prozent, die größte Oppositionspartei bei 35 Prozent, wie am Montag bekannt wurde. Beide Parteien legten im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt zu. Die pro-europäischen Liberaldemokraten kamen demnach unverändert auf 13 Prozent, während die Brexit-Partei einen Punkt auf drei Prozent verlor. Umfragen, die auf die Gesamtbevölkerung und nicht auf einzelne Wahlkreise abzielen, sind bei einem Wahlsystem wie dem britischen allerdings eher mit Vorsicht zu genießen. (3. Dezember)

Nach der Messerattacke auf der London Bridge hat Großbritannien ein neues Wahlkampfthema

Bisher hat der Brexit den Wahlkampf dominiert. Doch nach der Messerattacke eines verurteilten Terroristen mit zwei Todesopfern beginnt eine Debatte über vorzeitige Haftentlassungen. Viele Briten fragen sich, warum das offenbar gängige Praxis in ihrem Land ist. Neben der Ausstattung von Polizei und Terrorabwehr, dürfte auch die Frage, warum Innenministerin Priti Patel die Terrorbedrohungsstufe vor wenigen Wochen zum ersten Mal seit zwei Jahren gesenkt hatte, das Land weiter umtreiben, schreibt Alexander Mühlauer. (30. November)

Johnson: Trump soll sich aus britischem Wahlkampf heraushalten

Boris Johnson hat US-Präsident Donald Trump wenige Tage vor dessen Besuch in London aufgefordert, sich aus dem laufenden Wahlkampf herauszuhalten. "Was wir üblicherweise als sich liebende Verbündete und Freunde nicht machen, (...) ist, sich in den Wahlkampf des anderen einzumischen", sagte Johnson am Freitag dem LBC Radio. Trump wird kommende Woche in London zum Nato-Gipfel erwartet. Hochrangige Vertreter der Tories fürchten, dass er dabei vor der für den 12. Dezember angesetzten Parlamentswahl für Aufregung sorgen wird. Umfragen deuten derzeit auf einen Wahlsieg Johnsons hin.

In der Vergangenheit hatte sich Trump wiederholt in britische Themen eingemischt. So hatte er Johnsons Herausforderer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei als "ganz schlecht" für Großbritannien bezeichnet. Zudem hatte er Johnson und den Vorsitzenden der Brexit-Partei, Nigel Farage, zu einem Schulterschluss aufgefordert. 2018 hatte Trump offen die Brexit-Pläne von Theresa May kritisiert, der damals regierenden Vorgängerin Johnsons. "Ich habe Theresa May gesagt, wie sie es machen soll, aber sie hat nicht auf mich gehört", hatte er dem britischen Blatt Sun unmittelbar vor einem Besuch in Großbritannien gesagt. (29. November)

Oberrabbiner wirft Labour Antisemitismus vor

Der Oberrabbiner für Großbritannien und Nordirland bezieht vor den Wahlen ungewöhnlich deutlich politisch Stellung. Labour-Chef Jeremy Corbyn sei nicht für den Job als Premierminister geeignet, seine Partei positioniere sich nicht deutlich genug gegen Antisemitismus, schreibt Ephraim Mirvis in einem Beitrag für die Times. Mit der Wahl stehe "die Seele der Nation auf dem Spiel". Eine "überwältigende Mehrheit" britischer Juden sei angesichts eines möglichen Wahlsiegs Corbyns "von Furcht gepackt", so Mirvis.

Die Behauptungen der Labour-Partei und ihrer Führung, sie unternehme alles, um gegen anti-jüdische Tendenzen vorzugehen, seien eine "verlogene Fiktion", schreibt Mirvis weiter. Vielmehr sehe er in Labour eine Partei, die von einem "neuen Gift" ergriffen sei. Er stelle sich die Frage, was aus Juden und dem Judentum in Großbritannien werde, sollte die Labour-Partei die neue Regierungspartei werden. (26. November)

Wie die Brexit-Gegner gewinnen wollen

Liberaldemokraten, Grüne und die walisische Plaid Cymru haben eines gemeinsam: Sie wollen das Großbritannien in der EU bleibt und der Brexit gestoppt wird. Um dieses Ziel zu erreichen, werden sie in 60 von insgesamt 650 Wahlkreisen darauf verzichten, gegeneinander anzutreten - und jeweils einen gemeinsamen Kandidaten unterstützen. "Unite to Remain" - vereinen um drinzubleiben - heißt das Bündnis.

Im britischen Mehrheitswahlrecht gewinnt immer der Kandidat mit den meisten Stimmen eines Wahlkreises den Sitz im Unterhaus. Dieses System benachteiligt kleinere Parteien und nützte bislang vor allem Labour und den Tories. Nun sei die Gelegenheit, die Machtbalance zugunsten der Kleineren zu verschieben, sagte Heidi Allen, Initiatorin des Bündnisses. Sie wurde 2015 für die Tories ins Unterhaus gewählt, im Laufe des Brexit-Streits wechselte sie jedoch zu den Liberaldemokraten. Bei dieser Wahl tritt sie nicht mehr an. Der Labour-Partei sei auch ein Beitritt zu "Unite to Remain" angeboten worden, sie habe aber abgelehnt, berichtet der Guardian - die Zeitung hat auch eine Übersicht über die von dem Bündnis betroffenen Wahlkreise. (7. November)

Erstes Fazit: Fehlstart für die Tories

Es waren vor allem Boris Johnson und seine konservative Partei, die sich für Neuwahlen eingesetzt haben. Die Umfragen sahen günstig aus. Der Plan war einfach: Wahl gewinnen, Mehrheit im Unterhaus sichern, Brexit vollziehen. Schon in den ersten Tagen des Wahlkampfes zeigt sich: So einfach wird es wohl nicht. Die Tories starten mit einer Pannenserie. Premier Boris Johnson muss Kritik einstecken, weil er in einem Interview seinen Labour-Rivalen Jeremy Corbyn mit Stalin verglichen hat. Außerdem gibt es Streit um einen Bericht des Geheimdienst- und Sicherheitsausschuss des Parlaments. Darin geht es um den Einfluss Russlands auf das Brexit-Referendum und die Wahl 2017 - Johnsons Regierung weigert sich, den Bericht zu veröffentlichen, was umgehend von Parlamentariern kritisiert wurde. Schließlich sorgte noch Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg mit einer unsensiblen Äußerung zur Brandkatastrophe im Grenfell-Hochhaus für Schlagzeilen. Und der Minister für Wales, Alun Cairns, musste wegen eines Vergewaltigungsprozesses zurücktreten, in dem einer seiner früheren Mitarbeiter eine Rolle spielt. "Kein guter Start für die Tories", schreibt Cathrin Kahlweit. (7. November)

Was die Parteien wollen

Bereits zu Beginn des Wahlkampfes zeichnen sich klare Linien zwischen den Parteien ab, insbesondere in Bezug auf das zentrale Thema: den Brexit. Die konservativen Tories von Boris Johnson kämpfen mit dem Slogan "Get Brexit done" - sie wollen den EU-Austritt schnellstmöglich vollziehen und wünschen sich ein klares Mandat der Wähler, damit sie das Abkommen mit der EU verabschieden können. Labour mit Spitzenkandidat Jeremy Corbyn ist dagegen uneins: In der Partei gibt es sowohl Befürworter wie auch Gegner des Brexits. Die Partei verspricht im Wahlkampf: Es wird ein zweites Referendum geben, in dem die Wähler noch einmal über den Austritt und den Austrittsvertrag abstimmen sollen. Die Liberaldemokraten unter Jo Swinson haben sich klar gegen einen Brexit positioniert und versprechen, ihn rückgängig zu machen, sollten sie nach der Wahl eine Mehrheit im Unterhaus haben. Die schottische SNP - eigentlich auch gegen den Austritt - setzt sich für ein zweites Referendum ein. Eigentlich wünscht sich die Partei Unabhängigkeit für Schottland. Die Brexit-Party von Nigel Farage, dem ehemaligen Ukip-Chef, kämpft für einen harten EU-Austritt ohne Vertrag. Christian Simon hat die Positionen der Parteien ausführlich analysiert.

Was im Streit um den Brexit bisher geschah

Bei einem Referendum am 23. Juni 2016 haben die Briten mehrheitlich für einen Austritt aus der Europäischen Union gestimmt. Seitdem sucht das Land nach einem Weg, den Brexit zu vollziehen. Die Regierung unter Führung der konservativen Tories hat ein Austrittsabkommen mit der EU verhandelt - dieses scheiterte jedoch mehrfach im Unterhaus. Premierministerin Theresa May war zu Beginn des Jahres 2019 mit ihrem Abkommen dreimal hintereinander im Parlament gescheitert. Sie trat daraufhin zurück, ihr Nachfolger wurde Boris Johnson. Er einigte sich mit der EU auf eine veränderte Version des Abkommens, die aber im Oktober 2019 ebenfalls im Unterhaus scheiterte. Daraufhin einigte sich eine Mehrheit des Parlaments aus Neuwahlen.

Das Austrittsdatum wurde wegen der komplizierten Verhandlungen bereits mehrfach nach hinten verschoben. Zunächst sollte der Brexit im März 2019 stattfinden. Derzeit ist als Austrittstermin der 31.Januar 2020 vorgesehen. Nach diesem Datum soll es noch eine Übergangsphase geben, bis Großbritannien endgültig die EU verlassen hat - so zumindest ist es im Abkommen vorgesehen. Möglich wäre aber auch ein so genannter harter Brexit - also ein direkter Austritt ohne Abkommen und Übergangsphase. Sowohl die EU als auch eine Mehrheit in Großbritannien will dieses Szenario unbedingt vermeiden.

Dieser Newsblog bildet die aktuellsten Entwicklungen zur Unterhauswahl ab. Ältere Ereignisse zum Nachlesen finden Sie hier.

Mit Material von AP, dpa und Reuters

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