Brexit:EU bereitet sich auch auf Scheitern der Brexit-Verhandlungen vor

  • Die Europäische Union bleibt bei ihrem Vorhaben, die Brexit-Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich in zwei Phasen zu führen.
  • Zunächst soll es um die Bedingungen der Trennung gehen - und erst danach um die künftigen Beziehungen.
  • Die britische Premierministerin May würde hingegen gerne zügig ein Freihandelsabkommen mit der EU aushandeln.

Die Europäische Union verfolgt beim Brexit eine harte Verhandlungslinie. Gegen den Wunsch von Premierministerin Theresa May beharrt EU-Ratspräsident Donald Tusk darauf, in zwei getrennten Schritten zunächst den geordneten EU-Austritt zu klären und erst danach die Grundsätze für eine künftige Partnerschaft festzulegen.

"Parallele Verhandlungen zu allen Themen zu beginnen, wie von einigen im Vereinigten Königreich vorgeschlagen, das wird nicht passieren", sagte Tusk am Freitag zu seinem Entwurf für Verhandlungsleitlinien. Der derzeitige EU-Ratsvorsitzende, Maltas Regierungschef Joseph Muscat sagte: "Es werden harte Verhandlungen, aber es wird kein Krieg." Beide Seiten hätten ein Interesse daran, Freunde zu bleiben.

Die EU will zuerst Rechtssicherheit für ihre Bürger und Unternehmen

May hatte am Mittwoch den EU-Austritt nach mehr als 40 Jahren Mitgliedschaft beantragt und damit das auf zwei Jahre angesetzte Brexit-Verfahren gestartet. Im Antrag erklärte sie, sie wolle die Trennung und die künftige Partnerschaft gleichzeitig klären. Bei dem scheinbar kleinteiligen Streit über die Reihenfolge geht es darum, in den Verhandlungen Druckmittel in der Hand zu behalten. Außerdem hat London besonderes Interesse an weiterhin engen Verbindungen zur EU.

Die EU will zuerst Rechtssicherheit für ihre Bürger und Unternehmen, wie es in Tusks neunseitigem Entwurf heißt. Insbesondere geht es um Aufenthalts- und Arbeitsrechte der rund 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien. Zweites Topthema ist die Schlussrechnung für Großbritannien wegen seiner milliardenschweren Verpflichtungen während der EU-Mitgliedschaft. Tusk nannte zudem als Priorität, eine "harte Grenze" zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland zu vermeiden.

Erst wenn die EU "ausreichenden Fortschritt" bei diesen sehr schwierigen Themen feststelle, könne in einer zweiten Phase über Grundlagen künftiger Beziehungen gesprochen werden. Ein von May gewünschtes fertiges Freihandelsabkommen schon vor dem Brexit schließt die EU aus. Tusk und Muscat betonten in einer gemeinsamen Pressekonferenz auf Malta, dass sich allein die EU vorbehält, das Startsignal für die zweite Phase der Gespräche zu geben - möglicherweise im Herbst, wie Tusk sagte.

Er betonte, obwohl die Verhandlungen schwierig und bisweilen konfliktbeladen würden, verfolge die EU keinen "bestrafenden Ansatz". "Der Brexit selbst ist schon Strafe genug", sagte Tusk. "Nach mehr als 40 Jahren zusammen schulden wir es einander, alles zu tun, diese Scheidung so glatt wie möglich zu gestalten."

Die von Tusk vorgeschlagenen Leitlinien werden mit den 27 Mitgliedsländern abgestimmt und am 29. April auf einem EU-Sondergipfel in Brüssel verabschiedet. Auf dieser Grundlage soll ein ausführliches Mandat für EU-Unterhändler Michel Barnier beschlossen werden. Voraussichtlich wird die EU-Seite am 22. Mai startklar für die Verhandlungen sein.

Den Leitlinien zufolge stellt sich die EU auch auf ein mögliches Scheitern der Verhandlungen ein: Die Union werde "hart arbeiten", um zu einer Einigung zu gelangen, "aber sie bereitet sich auch darauf vor, die Situation zu bewältigen, wenn die Verhandlungen scheitern".

May hatte in ihrem Brexit-Schreiben an Tusk auch eine weitere Sicherheitszusammenarbeit mit der EU nach dem Brexit angeboten. Dass sie damit ein günstiges Abkommen über die künftige Partnerschaft zur Voraussetzung mache, verneinte Großbritanniens Außenminister Boris Johnson am Freitag. "Ich möchte eines betonen", sagte Johnson in Brüssel, "der Einsatz des Vereinigten Königreichs für die Verteidigung und die Sicherheit dieser Region, Europas, ist bedingungslos und keine Verhandlungsmasse bei irgendwelchen Verhandlungen."

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