Süddeutsche Zeitung

Brexit:Die britischen Lords stellen sich quer

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Von Christian Zaschke, London

Wie sehr das britische Oberhaus Theresa May gerade erzürnt, zeigt sich daran, dass sie kurzerhand Michael Heseltine aus ihrem Beraterstab geworfen hat. Der 83 Jahre alte Lord Heseltine trägt den Spitznamen Tarzan, was an seinem kompromisslosen Debattierstil und seinen immer etwas zu langen Haaren liegt. In der Oberhaus-Debatte über das Brexit-Gesetz gehörte er zu den wenigen Konservativen, die es wagten, sich gegen die Regierung von Premierministerin May zu stellen. Heseltine stimmte am Dienstagabend dafür, dass das Brexit-Gesetz mit einem Zusatz versehen wird, der sicherstellt, dass das Parlament über das Ergebnis der Austrittsverhandlungen mit der EU abstimmen kann. 366 Abgeordnete stimmten dafür, 268 dagegen. Es hätte also keinen Unterschied gemacht, wenn Heseltine anders gestimmt hätte, doch es war er, den der Zorn der Premierministerin traf.

Das kurze Gesetz soll es May erlauben, den Scheidungsprozess von der EU offiziell einzuleiten. Das Unterhaus hat es bereits verabschiedet. Das Oberhaus hat nun zwei Änderungen gefordert; neben der parlamentarischen Abstimmung über das Verhandlungsergebnis soll auch eine Sicherung der Rechte von im Vereinigten Königreich lebenden EU-Bürgern festgeschrieben werden.

In der kommenden Woche wandert das Gesetz zurück ins Unterhaus, wo die Änderungswünsche wohl von der Regierungsmehrheit abgelehnt werden. May will die Rechte von EU-Bürgern erst garantieren, wenn sie Zusicherungen für die permanent auf dem Kontinent lebenden Briten erhält. Ein Vetorecht des Parlaments über das Ergebnis der Verhandlungen mit Brüssel unterminiere ihre Position, argumentiert sie. Obwohl sie mit absoluter Mehrheit regiert, kann sie sich nicht ganz sicher sein, dass all ihre Abgeordneten gegen die Wünsche des House of Lords stimmen, weshalb dessen Votum ein Ärgernis für sie ist. Noch am Abend der Abstimmung erfuhr Heseltine, dass er seinen Berater-Posten los ist. Die Maßnahme wird als Zeichen gewertet, May wolle zeigen: Wer illoyal ist, der fliegt.

Pingpong zwischen Ober- und Unterhaus

Falls das Unterhaus die Änderungswünsche ablehnt, geht das Gesetz erneut ins Oberhaus. Theoretisch könnte sich dann ein Hin und Her entwickeln, das im Jargon von Westminster als Pingpong bekannt ist. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass das ungewählte Oberhaus ein neuerliches Votum des Unterhauses akzeptieren würde.

810 Abgeordnete hat das House of Lords, die meisten von ihnen sind auf Lebenszeit ernannt. Das Durchschnittsalter beträgt 69 Jahre. Immer wieder einmal gibt es Pläne für eine Reform, doch diese verlaufen regelmäßig im Sande. Normalerweise stellen sich die Abgeordneten des Oberhauses nicht gegen das Unterhaus und arbeiten eher unauffällig vor sich hin. Dass sie nun in der Brexit-Debatte eine so prominente Rolle spielen, hat auch wieder zu Diskussionen darüber geführt, wie man die Kammer modernisieren könnte. Einige wütende Brexit-Anhänger haben halblaut gefordert, man solle das Oberhaus einfach abschaffen, wenn es nicht spure.

Voraussichtlich kommende Woche wird sich das Unterhaus erneut mit dem Brexit-Gesetz beschäftigen. Lehnt es die Wünsche des Oberhauses erwartungsgemäß ab und beharrt dieses nicht auf den Änderungen, kann Theresa May den Austrittsprozess aus der EU wie geplant noch in diesem März beginnen.

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SZ vom 09.03.2017
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