Reaktionen auf Brexit-Sondersitzung:"Wieder nur Verschiebung und Verwirrung"

Manfred Weber

Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, zeigt sich ernüchtert. (Archivbild)

(Foto: dpa)

Aus Sicht der anderen EU-Mitglieder geht das Warten weiter. Abgeordnete hoffen auf ein letztes Wort aus London. Handel und Banken warnen vor einem "lähmenden Schwebezustand". Die Reaktionen.

Es hätte ein Tag mit einer historisch weitreichenden Entscheidung im britischen Unterhaus werden sollen. Doch die Abgeordneten votierten dafür, ihre Zustimmung zum Brexit-Deal solange zurückzuhalten, bis der gesamte Gesetzgebungsprozess abgeschlossen ist.

Die EU zeigt sich darüber am Abend weitestgehend ratlos. Man habe die Ereignisse zur Kenntnis genommen, teilt eine Sprecherin von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit. Jetzt sei es an der britischen Regierung, "uns so bald wie möglich über die nächsten Schritte zu informieren".

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki rief zur Besonnenheit auf. Sein Land unterstütze auf EU-Ebene einen positiven Ansatz, twitterte er. Für die verbleibenden 27 EU-Staats- und Regierungschefs habe höchste Priorität, einen chaotischen No-Deal-Brexit zu vermeiden. Die Entscheidung der britischen Parlamentarier sei keine Ablehnung des Brexit-Abkommens gewesen, sondern es handele sich lediglich um eine Vertagung des Votums.

Ernüchterung bei deutschen Abgeordneten

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber zeigt sich ernüchtert. "Was eigentlich ein Tag der Klärung im Unterhaus hätte sein sollen, hat im Ergebnis wieder nur Verschiebung und Verwirrung gebracht", schrieb der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament auf Twitter. "Jetzt müssen wir wieder darauf warten, dass uns die britische Regierung sagt, was sie jetzt tun wollen."

Jens Geier, der Vorsitzende der Europa-SPD, teilt in einem Statement mit, es sei für das Europäische Parlament jetzt wichtig, "dass in Straßburg erst über das Brexit-Abkommen entschieden wird, wenn in London das letzte Wort gesprochen ist." Johnson habe "einen Teilerfolg erzielt", sagt er. "Vor dem Hintergrund der tiefen Spaltung der britischen Gesellschaft und des Misstrauens zwischen den Mitgliedern des Unterhauses ist das Ergebnis des heutigen 'Super-Samstag' in Westminster nachvollziehbar."

Handel und Banken sehen Wirtschaft als Leidtragende

Der deutsche Handelsverband BGA fordert einen langen Atem. "Obwohl das Verhalten Großbritanniens extrem nervt, gilt es nun auf europäischer Seite auf die Zähne zu beißen und nicht die Geduld zu verlieren", erklärt BGA-Präsident Holger Bingmann. "Leidtragende sind einmal mehr die Menschen, aber natürlich auch die Unternehmen. Denn damit verlängert sich der lähmende Schwebezustand mit seinen negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft dies- und jenseits des Kanals."

Nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) muss Großbritannien nun besonnen handeln. Nur so könne ein geregelter Austritt aus der EU gelingen, erklärte BVR-Präsidentin Marija Kolak. "Der Brexit-Prozess ist bereits jetzt eine der größten politischen Krisen in der Geschichte Großbritanniens." Wirtschaftlich würde ein ungeregelter Brexit das Vereinigte Königreich in eine schwere Rezession führen, so Kolak. "Aufgrund der großen Unsicherheit dürfte die Bereitschaft, in Großbritannien zu investieren, nochmals weiter sinken."

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