Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:Verhofstadt: Harter Brexit ist "fast unausweichlich"

  • Der Brexit-Beauftrage des EU-Parlaments Verhofstadt sieht einen harten Brexit als "fast unausweichlich" an.
  • Das britische Parlament hat am Montagabend über vier Anträge zum weiteren Vorgehen beim Brexit abgestimmt. Keiner der Vorschläge bekam eine Mehrheit.
  • Die Regierung von Premierministerin May sucht weiter nach Zustimmung für ihren Deal. Am Mittwoch soll das Unterhaus erneut beraten.

Nachdem sich das britische Parlament erneut nicht auf eine Alternative zum EU-Austrittsabkommen von Premierministerin Theresa May einigen konnte, sieht Guy Verhofstadt, der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, einen harten Brexit als "fast unausweichlich" an, wie er auf Twitter schrieb. Der EU-Chefunterhändler Michel Barnier schließt sich dieser Auffassung an, obgleich er betont, dass man ein No-Deal-Szenario noch verhindern könne. Die Europäische Union sei bereit, Großbritannien in der Zollunion zu halten oder eine ähnliche Beziehung wie die zwischen der EU und Norwegen zu akzeptieren.

Von der britischen Regierung hieß es nach der Abstimmung, sie werde weiterhin versuchen, Unterstützung für den Deal zusammen zu bekommen. Brexit-Minister Stephen Barclay sagte, Mays Deal sei der einzige Weg nach vorne, angesichts des Unvermögens, eine klare Mehrheit für eine Alternative zu finden. Das Kabinett will an diesem Dienstag zu neuen Marathonberatungen zusammenkommen und über weitere Brexit-Optionen sprechen.

Im Unterhaus dürfte die Suche nach einem Ausweg aus dem Brexit-Dilemma am Mittwoch weitergehen. Für diesen Tag sind weitere Abstimmungen zu Brexit-Optionen vorgesehen. Verhofstadt schrieb dazu: "Am Mittwoch hat Großbritannien die letzte Chance, die Blockade zu durchbrechen oder in den Abgrund zu blicken." Kommt das völlig zerstrittene Parlament nicht bald zu einer Einigung, drohen ein Austritt aus der Europäischen Union ohne Abkommen am 12. April oder eine erneute Verschiebung des EU-Austritts - mit einer Teilnahme der Briten an der Europawahl Ende Mai als Folge.

Die Mitglieder des Unterhauses hatten am Montagabend alle vier zur Abstimmung vorliegenden Optionen abgelehnt. Weder der Verbleib in einer Zollunion mit der EU nach dem Brexit, die weitere Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt noch der Vorschlag für ein zweites Brexit-Referendum fanden genügend Zustimmung. Allerdings fehlten dem Vorschlag zum Verbleib in einer Zollunion nur vier Stimmen - 276 Abgeordnete stimmten dagegen, 273 dafür.

Am deutlichsten war das Nein zur Option, den Brexit ganz abzusagen, sollte zwei Tage vor dem Stichtag eines ungeordneten Ausstiegs am 12. April keine Option gefunden worden sein. Dagegen votierten 292 Abgeordnete, 191 waren dafür. Der Vorschlag, zu jeglichem Brexit-Deal mit der EU eine weitere Volksabstimmung abzuhalten, fiel mit 292 zu 280 Stimmen durch.

Auch der Vorschlag, dass Großbritannien im Binnenmarkt der EU bleiben soll, fand mit 261 zu 282 Stimmen keine Mehrheit. Der konservative Abgeordnete Nick Boles, der den Vorschlag eingebracht hatte, kündigte daraufhin an, aus der Regierungspartei auszutreten. Er warf den Tories mangelnde Kompromissbereitschaft vor. Die Partei von Regierungschefin May verliert damit einen weiteren Abgeordneten, nachdem in den vergangenen Wochen bereits einige Parlamentarier ausgetreten waren und eine unabhängige Gruppe im Parlament gegründet hatten.

May hat sich seit Langem darauf festgelegt, sowohl Zollunion als auch Binnenmarkt zu verlassen. Die Mitgliedschaft in der Zollunion würde es London unmöglich machen, Freihandelsverträge mit Drittländern auszuhandeln. Der Binnenmarkt ist nicht ohne die Personenfreizügigkeit für EU-Bürger zu haben.

Am Rande der Abstimmung hatte es einen Protest von Aktivisten gegeben, allerdings nicht wegen des Brexits sondern wegen des Klimawandels. Ein Dutzend Demonstranten entledigte sich seiner Kleidung bis auf die Unterhosen und zeigte dadurch auf die Körper gemalte Slogans wie "SOS" und "Hört auf, unsere Zeit zu verschwenden."

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