Brenner:Wien plant Grenzkontrollen

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Österreich will verhindern, dass eine große Zahl von Flüchtlingen aus Italien nach Norden gelangt. Bayern bietet Hilfe an, Rom bestellt Wiens Botschafter ein.

Von Cathrin Kahlweit, Thomas Kirchner, Wolfgang Wittl und Sebastian Schoepp, München/Brüssel

Österreich hat am Dienstag schärfere Grenzkontrollen am Brenner vorbereitet. Grund sind die hohen Flüchtlingszahlen in Italien. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) will auch Soldaten einsetzen, um Flüchtlinge an der Weiterreise nach Norden zu hindern. Die italienische Regierung bestellte wegen der Ankündigung den österreichischen Botschafter in Rom ein. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) erneuerte am Dienstag sein Angebot, auch bayerische Polizisten an den Brenner zu schicken, falls Österreich Hilfe brauche.

Es liege im bayerischen Interesse, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederhole, sagte Seehofer. Damals kamen über Österreich täglich Tausende Flüchtlinge im Freistaat an. "Wir lechzen nicht nach Kontrollen an den Binnengrenzen", sagte Seehofer der SZ. Andererseits seien sie erforderlich, wenn der Schutz der Außengrenzen nicht funktioniere. Er "hätte volles Verständnis", sollte Österreich den Brenner dichtmachen, sagte Seehofer. Noch wichtiger aber sei, dass Italien von Europa nicht alleingelassen werde.

Österreichs Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil sagte der K ronen-Zeitung, er erwarte "sehr zeitnah" Grenzkontrollen am Brenner-Pass . Er halte dabei einen "Assistenzeinsatz" des Bundesheeres "für unabdingbar, wenn der Zustrom nach Italien nicht geringer wird". Für den Einsatz sind dem Bericht zufolge 750 Soldaten verfügbar. Einen genauen Zeitpunkt, wann die Kontrolle beginnen soll, nannte er nicht. Tirols Polizeichef Helmut Tomac sagte am Dienstag laut der Presse, Brenner-Kontrollen seien "nicht nachvollziehbar". Österreich wolle die Brenner-Grenze "schützen", sagte Außenminister Sebastian Kurz am Dienstag laut Nachrichtenagentur APA. Ziel müsse die Schließung der Mittelmeer-Route sein. Im Oktober sind Wahlen in Österreich, der 31-Jährige kann sich Hoffnungen auf die Kanzlerschaft machen. Österreich hat Italien mehrmals gedroht, Kontrollen einzuführen. Wien war 2016 auch treibende Kraft bei der Schließung der Westbalkanroute, um über Griechenland eingereiste Flüchtende an der Weiterreise zu hindern.

Die EU-Kommission legte am Dienstag einen Aktionsplan vor, mit dem "Italien geholfen und der Migrationsfluss eingedämmt" werden solle. Rom soll 35 Millionen Euro Soforthilfe erhalten, andere Staaten sollen mehr Flüchtlinge aufnehmen, künftig auch direkt aus Nordafrika. Nach Libyen, derzeit Haupttransitland, soll mehr Geld fließen, unter anderem ist geplant, möglichst schnell ein Seenotrettungszentrum zu eröffnen. Italien wird im Gegenzug aufgerufen, seine Aufnahmekapazitäten zu erhöhen und dringend 3000 Plätze für Abschiebehaft bereitzustellen.

"Italien war beispiellos solidarisch in den vergangenen Jahren", sagte EU-Kommissionsvize Frans Timmermans. "Aber angesichts des aktuellen Zustroms müssen jetzt auch andere ihre Pflicht erfüllen." Italien hat kürzlich erklärt, man sei an der Kapazitätsgrenze, die Regierung drohte sogar, die Häfen für Flüchtlingsboote zu schließen. Binnen einer Woche landeten mehr als 12 000 Flüchtlinge an. Das italienische Rote Kreuz bezeichnet die Lage in den Aufnahmezentren im Süden als kritisch.

© SZ vom 05.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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