Brenner:Vorbereitung auf den Tag X - nördlich und südlich des Brenner

A sign reading 'Brenner - Brennero' is pictured at the train station on the Italian-Austrian borde

Die Menschen in der Brenner-Region bereiten sich auf den Tag X vor.

(Foto: REUTERS)

Wenn zu viele Flüchtlinge kommen, will Österreich den wichtigsten Übergang von Nord- nach Südeuropa dichtmachen. Wie finden das eigentlich die Menschen in der Region?

Von Cathrin Kahlweit

Vieles liegt noch im Dunkeln: Startschuss, Dauer, Intensität. Wird Österreich, wie Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil ankündigt, den Brenner "im Extremfall" wirklich dichtmachen, wenn Italien in den Augen der Wiener Regierung zu viele Flüchtlinge "durchwinkt" und auch Deutschland diese zurückweist? Wenn Tirol zum "Warteraum Europas" wird?

Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher bezeichnet die Drohgebärden der Wiener als "Kampfrhetorik". Aber ungeachtet des Austausches von Unfreundlichkeiten gilt: Nördlich und südlich des Brenners, des strategischen Alpenübergangs nach Süden, sitzen Task Forces und Bürgermeister, Hilfsorganisationen und Polizisten in den Startlöchern, alles soll möglichst gut vorbereitet sein für den Tag X.

Der könnte, wie die Regierung in Wien angekündigt hat, schon im Mai kommen - wenn tatsächlich, wie vorhergesagt, 300 000 Flüchtlinge oder mehr über das Mittelmeer nach Italien übersetzen, weil ihnen der Weg über die Balkanroute mittlerweile versperrt ist und mit dem EU-Türkei-Deal auch Griechenland ein frustrierendes Ziel geworden ist.

Die "Migrantenflut" müsse eingedämmt werden, heißt es allerorten

Neue Leitplanken sind auf österreichischer Seite auf der Brenner-Autobahn schon eingezogen worden, ein Flugdach quer über die Straße wird gerade gebaut, auf zwei Fahrspuren für Pkw und einer für Lkw soll demnächst heruntergebremst, kontrolliert und im Zweifel herausgewunken werden.

Auf der Tiroler Seite sind viele Menschen mit den Plänen aus der Hauptstadt durchaus einverstanden. Schließlich müsse die "Migrantenflut" ja eingedämmt werden, heißt es allerorten entlang der alten Brennerstraße; und den Italienern traut hier kaum jemand zu, die Flüchtlinge zu registrieren und zu versorgen, zumal eine "europäische Lösung", also eine Umverteilung, in weiter Ferne steht. Worst-Case-Szenario - so nennen die Tiroler die geplanten Kontrollen am wohl wichtigsten Übergang von Nord- nach Südeuropa. Aber sie rechnen stark damit, dass dieser schlechteste aller möglichen Fälle auch eintritt.

Südlich des Brenner, auf Südtiroler Seite, sind naturgemäß ganz andere Stimmen zu hören. Die Kritik an Rom ist auch hier laut, schließlich haben die Südtiroler aufgrund ihrer mehr als schwierigen Geschichte seit der Teilung des historischen Tirol nach dem Ersten Weltkrieg ein höchst problematisches Verhältnis zu ihrem Staat; kaum ein deutschsprachiger Südtiroler in Bozen, Brixen oder Meran, der sich gern als "Italiener" bezeichnen lässt. Trotzdem findet man es in Bozen eher unerträglich, dass Rom mit Zehntausenden oder gar Hunderttausenden Flüchtlingen alleingelassen werden soll.

Eine besondere Rolle spielen dabei die Nationalisten und Südtiroler Rechtsparteien, die durch die aktuelle Politik Auftrieb haben: Weil die Grenze zu Österreich von vielen bis heute als "Unrechtsgrenze" verstanden wird, hatten auch die Rechtspopulisten und Revisionisten die europäische Einigung, die sich am Brenner im Abbau von Grenzbarrieren manifestierte, gutgeheißen. Jetzt aber sind auch die Südtiroler Rechten plötzlich für eine neue Grenze, schließlich müsse Österreich seine nationalen Interessen wahren dürfen - und alles, was Italien schadet, wird prinzipiell begrüßt.

Nur dass sie, die Südtiroler Streiter für einen "Freistaat", auf der "falschen" Seite der alten, neuen Grenze sitzen, das bedauern sie sehr.

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