Bremen-Reaktionen aus Berlin:Stunde der Sprechknechte

Nach der Wahl in Bremen fallen Sozialdemokraten und Grünen die erfreulichen Aspekte nur so aus dem Mund - das Wort vom Seriensieger geht um. Die CDU hingegen bemüht vor allem ein Wort, um das Ergebnis zu beschreiben. FDP-Chef Rösler erscheint gar nicht. Die liberale Sprachregelung ist offenbar schlicht: Klappe halten.

Nico Fried

Die sogenannte Sprachregelung ist ganz wichtig an so einem Wahlabend. Die Sprachregelung entsteht, wenn in den Berliner Parteizentralen am Nachmittag die Spitzenleute beisammen sitzen oder miteinander telefonieren. Sie kennen dann erste Prognosen über den Wahlausgang und legen fest, wie die Wahl zu sehen ist, damit nicht ein jeder später vor den Mikrofonen erzählt, was ihm gerade so einfällt. Die Sprachregelung ist das politische Libretto, das für Gleichklang sorgen soll. Vor allem bei den Verlierern.

Die sitzen an diesem Abend bei der CDU. Mal wieder. Die CDU hat in letzter Zeit einige Wahlen verloren und ist deswegen recht geübt in der Vereinheitlichung schlechter Botschaften. Es soll nichts beschönigt werden, höchstens so, dass es keiner merkt. Auf dem Libretto der Christdemokraten steht an diesem Sonntagabend ein Wort: Schmerzhaft. Es sei ein "schmerzhaftes Ergebnis", sagt der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier. Es sei eine "schmerzhafte Niederlage" und eine herbe Enttäuschung, nur auf Platz drei zu landen, sagt später auch der Generalsekretär Hermann Gröhe.

Schmerzhaft ist ok, aber damit ist die Aufgabe der Sprechknechte noch nicht erledigt. Es ist vielmehr besonders wichtig für die Partei der Bundeskanzlerin, dass Angela Merkel mit so einer Niederlage möglichst nicht in Verbindung gebracht wird. Zu sehen ist sie an diesen Abenden sowieso meistens nicht, das hat ihr Vorgänger Gerhard Schröder von der SPD freilich nicht anders gehalten. Aber gesprochen wird schon über sie und ihre Politik und welchen Anteil beides zusammen an so einer Niederlage hat.

Peter Altmaier sagt, die Bundesregierung bewege sich insgesamt in einem "sehr schwierigen Umfeld": Da sei die Reaktorkatastrophe von Fukushima, da sei aber auch die schwierige Situation Griechenlands und des Euro. Damit es wirklich dramatisch klingt, nimmt Altmaier auch noch ein, zwei Krisen dazu, von denen die Regierung an anderer Stelle auch schon mal erzählt hat, sie seien überwunden: die Wirtschaftskrise, zum Beispiel, oder die Banken-Krise. Das alles, sagt Altmaier, "verlangt einer Regierungspartei viel ab".

Gröhe kommt sogar zu dem Ergebnis, dass "wohl kaum je eine Regierung vor so großen Herausforderungen stand". Was das mit der Wahl in Bremen zu tun hat, wird nicht ganz klar. Man könnte es vielleicht auf die Formel bringen, die Kanzlerin habe so viel zu tun, da könne sie nicht auch noch die Verantwortung für diese Niederlage tragen.

Wie viel leichter haben es da die Sieger? Jürgen Trittin, Fraktionschef der Grünen und gebürtiger Bremer, fallen die erfreulichen Aspekte nur so aus dem Mund: Die Grünen hätten bei allen Wahlen der letzten Jahre zugelegt, sagt Trittin, vor und nach Fukushima, fügt er hinzu, um gleich dem Eindruck entgegenzuwirken, seine Partei profitiere nur von dem Atom-Unglück in Japan.

Eine rot-grüne Koalition werde als Alternative zu Schwarz-Gelb "in immer mehr Ländern mehrheitsfähig", sagt Trittin. Selbst auf die Frage, ob die Grünen nun nicht mal ernsthaft einen Kanzlerkandidaten in Erwägung ziehen müssten, reagiert der potentielle Kanzlerkandidat gelassen und fröhlich. "Wir freuen uns über Erfolge, aber wir sind bodenständig genug, um nicht abzuheben", womit Trittin nicht Ja gesagt hat, aber auch nicht Nein.

Interessant freilich ist, dass auch bei den Grünen, einst als Sponti-Partei verschrien, eine gewisse Orchestrierung ebenfalls längst dazu gehört. Trittin nämlich sagt, es sei besonders erfreulich, dass in Bremen auch die Übernahme des Finanzressorts belohnt worden sei, bekanntermaßen ein schwieriges Ministerium, erst recht in einem Bundesland, in dem das Finanzielle in erster Linie aus der Schuldenverwaltung besteht. Auch die Parteivorsitzende Claudia Roth hebt mit Blick auf Ressortchefin Karoline Linnert hervor, "dass eine Finanzsenatorin so hohes Ansehen genießt". In den jüngst eingegangenen Koalitionen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben die grünen Minister eher das genommen, was gerne als Wohlfühlministerien verulkt wird. Offenbar ist es Roth und Trittin ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass grüne Politiker auch harte Posten übernehmen können.

Wenn man nicht in der Regierung ist, dann dürfte der härteste Posten der des SPD-Chefs sein. Sigmar Gabriel ist zufrieden. Die eigentliche Botschaft ist nämlich ganz simpel: "Wir haben sechs Wahlen gehabt und nach vier den Ministerpräsidenten gestellt", sagt Sigmar Gabriel. "Das ist eine schöne Serie in den letzten Monaten." Auch Manuela Schwesig hat mal durchgezählt und kommt zu dem Ergebnis, dass "in allen Wahlen seit der Bundestagswahl Schwarz-Gelb abgewählt" worden sei, was nicht ganz stimmt, weshalb Schwesig statt abgewählt dann lieber abgestraft sagt.

Schwesig, die stellvertretende Parteivorsitzende, findet, die Erkenntnis aus den Wahlen in Hamburg und Bremen sei, dass der Norden rot wähle und die SPD stark in den Städten sei. Das eine sei ein gutes Zeichen für Mecklenburg-Vorpommern, Schwesigs Heimatland, wo als Nächstes gewählt wird, das andere sei ein gutes Zeichen für Berlin, wo im Herbst Klaus Wowereit sein Amt als Regierender Bürgermeister zu verteidigen hat. Auch Andrea Nahles, die Generalsekretärin, sagt, es sei ein Markenzeichen der SPD, "dass wir stark in den Städten sind". Sigmar Gabriel aber findet diese einschränkende Analyse erkennbar doof. Immerhin stelle man ja in Nordrhein-Westfalen auch die Ministerpräsidentin. "Ich weiß nicht, warum das ein Stadt-Land-Problem sein soll."

Die Sorgen hätte Christian Lindner gerne. Der FDP-Generalsekretär muss diese Wahl für die Liberalen bewerten. Raus aus der Bürgerschaft, nur noch um die drei Prozent. Es sei keine Wahl, die den Neuanfang bewerte, sagt Lindner. "Aber es zeigt schon, dass wir noch einen weiten Weg haben." Die FDP müsse über Themen punkten. Außerdem habe die verjüngte Parteispitze ja gerade erst angefangen. "Viele kennen die neue Parteiführung noch nicht", sagt Lindner. Daran wird sich wohl an diesem Abend auch nichts ändern. Der neue Parteivorsitzende Philipp Rösler erscheint nicht. Die liberale Sprachregelung für ihn ist offenbar denkbar simpel: Klappe halten.

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