Bremen:Das Experiment kann beginnen

Parteitag SPD Bremen

Andreas Bovenschulte, 54, genannt "Bovi", führt jetzt die rot-grün-rote Koalition Bremen, wo er von 2010 bis 2013 SPD-Chef war. Vorgänger Carsten Sieling hatte sich zurückgezogen.

(Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa)

Die Bürgerschaft wählt einen rot-grün-roten Senat. Auf bundespolitischer Ebene sei das aber vorerst keine Option.

Von Peter Burghardt, Bremen

Das Bremer Rathaus hat ja allerhand erlebt, es steht schon ein paar Jahrhunderte lang, seit mehr als 70 Jahren führt die SPD hinter der Renaissancefassade das Wort. Eine rot-grün-rote Regierung allerdings ist nicht nur in diesem steinernen Weltkulturerbe neu, sondern im gesamten deutschen Westen, da war der Festsaal mit seinen holzgetäfelten Wänden und hohen Decken am Donnerstag der angemessene Rahmen für den Start. Gegen Mittag wählten die Abgeordneten der Bürgerschaft den Sozialdemokraten Andreas Bovenschulte zum Bürgermeister und Senatspräsidenten - SPD, Grüne und Linke können ihr Experiment beginnen.

Die Wahl am 26. Mai hatte die SPD (24,9 Prozent) in ihrer Hochburg an der Weser zwar erstmals gegen die CDU (26,7 Prozent) verloren, die Union mit ihrem Spitzenmann Carsten Meyer-Heder ist die stärkste Fraktion im kleinsten Bundesland. Doch nach den Sondierungen entschieden sich die Grünen dafür, mit den Genossen weiterzumachen und die Linke ins Boot zu holen, statt mit CDU und FDP zu verhandeln. Das Mitte-Links-Trio hat eine stabile Mehrheit. 47 der 82 Mandatsträger stimmten für Bovenschulte, 35 gegen ihn. Zwei Oppositionelle waren verhindert, zwei Stimmen aus seinem Lager blieben ihm verwehrt.

So beerbt dieser 54 Jahre alte Jurist seinen Parteifreund Carsten Sieling, ein rasanter Aufstieg. Vor wenigen Wochen war Bovenschulte noch Bürgermeister der niedersächsischen Gemeinde Weyhe am Rande der Hansestadt. Nebenbei wurde er zunächst zum Abgeordneten der Bürgerschaft gewählt und von der SPD zum Fraktionschef gekürt, ehe Sieling im Juli seinen Rücktritt ankündigte und ein Nachfolger gebraucht wurde.

Vier der neun Posten im Senat bekam nun die SPD, Ulrich Mäurer bleibt Innensenator. Drei Ämter gehen an die Grünen, ihre Anführerin Maike Schaefer ist Senatorin für Umwelt, Bau und Verkehr, Dietmar Strehl befasst sich mit den etwas komplizierten Bremer Finanzen. Zwei Ressorts übernehmen die Linken, um die Wirtschaft kümmert sich ihre Spitzenfrau Kristina Vogt.

Jetzt dürfen die drei Parteien ihren 140 Seiten dicken Vertrag in Angriff nehmen. Es soll um bessere Bildung gehen, um Klimaschutz samt Verkehrswende, um mehr sozialen Ausgleich mit mehr bezahlbaren Wohnungen, um Weltoffenheit. Gleichzeitig soll trotz leerer Kassen der Schuldenstopp gewahrt bleiben, die Haushaltsverhandlungen werden der erste Härtetest.

Dies sei kein Spielfeld für bundespolitische Überlegungen, glaubt Nelson Janßen von den Linken. Bremen und Bremerhaven haben zusammen nur gut 680 000 Einwohner, deren Kern traditionell nach links neigt. Jamaika war in den Gesprächen von Anfang an die unwahrscheinlichere Option gewesen. Der Stadtstaat taugt überregional eher bedingt als Blaupause, trotzdem stößt das Projekt von SPD, Grünen und Linken auf größeres Interesse. Man wolle Vertrauen zurückgewinnen, sprach Karolin Aulepp, die SPD-Landesvorsitzende. "Wir sind das Gegenmodell zu Ausgrenzung, Hass und Hetze." Nachher stand Andreas Bovenschulte mit seiner Riege vor dem schönen Rathaus, das Grüne und Linke der SPD gerettet haben.

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